Die seit Tagen in der Kälte in Belarus an der EU-Grenze zu Polen ausharrenden Migranten können auf Unterstützung des Flüchtlingshilfswerks der Vereinten Nationen (UNHCR) hoffen. Vertreter mehrerer Hilfsorganisationen, darunter auch der Internationalen Organisation für Migration (IOM), hätten die Flüchtlinge in den Zeltlagern an der belarussisch-polnischen Grenze besucht, teilte der Grenzschutz in Minsk mit. Nach Angaben der belarussischen Behörden harren dort weiter etwa 2000 Menschen aus, darunter viele Frauen und Kinder, die dringend Hilfe bräuchten.
Das UNHCR bestätigte, dass Vertreter von Hilfsorganisationen die gestrandeten Menschen aufgesucht hätten. Die EU, Belarus und sein Nachbar Russland sprechen von einer "humanitären Katastrophe". Es müsse nun darum gehen, Todesfälle zu verhindern und die Menschen an sicheren Orten in Belarus unterzubringen, hieß es in einer UNHCR-Mitteilung. Zuvor hatte auch Machthaber Alexander Lukaschenko, der international für die Lage verantwortlich gemacht wird, angekündigt, schwangere Frauen und Kinder in Sanatorien unterzubringen.
Die EU wirft Lukaschenko vor, aktiv Menschenschmuggel zu betreiben, die Migranten einfliegen und durch Sicherheitskräfte an die EU-Grenze begleiten zu lassen. Betroffen ist neben Polen auch Litauen. Der Machthaber in Minsk hatte gesagt, dass die Menschen legal einreisen könnten in Belarus, um dann weiterzureisen und in der EU ein besseres Leben zu suchen. Viele der Gestrandeten sind Kurden. Nach Darstellung von Lukaschenko wollen viele Migranten nach Deutschland.
Er hatte selbst bereits im Sommer dafür geworben, dass das "gemütliche" Deutschland Arbeitskräfte brauche. Zugleich machte er deutlich, dass er niemanden aufhalte. Lukaschenko reagierte damit auf die Sanktionen der EU gegen Belarus nach einer Vielzahl von Verstößen gegen internationales Recht. Eine Verantwortung für die Eskalation in der Grenzregion wies er allerdings zurück und gab internationalen Schleusernetzwerken die Schuld an der Lage.
Das Hilfswerk der Vereinten Nationen dankte den Behörden in Belarus für den Zugang zu den Migranten. "Wir sind bereit, dabei zu helfen, Lösungen zu finden", hieß es in der Mitteilung. Der belarussische Grenzschutz wiederum begrüßte, dass sich die Vertreter der Hilfsorganisationen erstmals selbst ein Bild gemacht hätten. Das sei eine wichtige Voraussetzung dafür, auf Grundlage internationaler Erfahrung eine Lösung im Sinne der Menschen zu finden. Die Migranten selbst hätten die Hilfsorganisationen gebeten, sie dabei zu unterstützen, Asyl in der EU zu bekommen, teilte der Grenzschutz mit. "Das Wetter, der Mangel an Essen und Wasser sind eine Gefahr für die physische Verfassung der Leute, die Schutz in den Staaten der EU suchen."
Horst Seehofer (CSU) rief unterdessen zum Schulterschluss gegen Lukaschenko auf. "Die Polen erfüllen hier für ganz Europa einen wichtigen Dienst", sagte Seehofer den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Daher müsse der polnischen Regierung bei der Sicherung der Außengrenze geholfen werden, dabei müssten alle EU-Staaten zusammenstehen. Polen steht allerdings auch in der Kritik, übermäßig hart gegen die Migranten vorzugehen und auch keine Journalisten in die Region zu lassen. Das polnische Parlament hatte die auf EU-Ebene abgelehnte Praxis der so bezeichneten Pushbacks ausdrücklich genehmigt. Dabei werden Migranten, die den Durchbruch durch den Stacheldrahtzaun von belarussischer Seite schaffen, wieder gewaltsam zurückgeschickt.
Lukaschenko hatte am Donnerstag mit Gegenmaßnahmen im Falle neuer EU-Sanktionen gedroht. "Wenn sie neue Sanktionen gegen uns verhängen, müssen wir reagieren", sagte er laut der staatlichen Nachrichtenagentur Belta. Er nannte als Möglichkeit insbesondere den Stopp von Gaslieferungen, die aus Russland über eine Pipeline durch Belarus in die EU kommen.
"Die EU wird ihre Sanktionen gegen Lukaschenko ausweiten und verschärften", bestätigte derweil Außenminister Heiko Maas (SPD) am Donnerstag.
(andi/dpa)