Nach der Einleitung eines Verbotsverfahrens gegen die pro-kurdische Oppositionspartei HDP in der Türkei hat die Bundesregierung deutliche Zweifel an der Rechtsstaatlichkeit in dem Land zum Ausdruck gebracht. "Der Fall der HDP wirft erhebliche Zweifel an der Verhältnismäßigkeit auf", erklärte ein Sprecher des Auswärtigen Amtes am Donnerstag in Berlin. Auch der Entzug des Mandats für den HDP-Abgeordneten Ömer Faruk Gergerlioglu und das strafrechtliche Vorgehen gegen zahlreiche weitere Abgeordnete und Mitglieder der HDP "reihen sich in eine Entwicklung ein, die die rechtsstaatlichen Abläufe in der Türkei in Frage stellt".
Das Auswärtige Amt erinnerte die Regierung in Ankara daran, dass ein Parteiverbot "in einer Demokratie nur das allerletzte Mittel sein" könne. Eine Demokratie brauche Meinungsvielfalt, dazu gehöre auch eine lebendige Opposition. "Die Bundesregierung erwartet von der Türkei die Einhaltung höchster demokratischer und rechtsstaatlicher Standards, zu denen sich auch die Türkei als Mitglied des Europarats und EU-Beitrittskandidat verpflichtet hat."
Die türkische Generalstaatsanwaltschaft hatte am Mittwoch einen Verbotsantrag gegen die HDP beim Verfassungsgericht des Landes wegen "terroristischer Aktivitäten" eingereicht. Die zweitgrößte, linksgerichtete Oppositionspartei des Landes ist seit Jahren im Visier der islamisch-nationalistischen Regierung.
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan beschuldigt die HDP regelmäßig, der politische Arm der verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) zu sein, die im Südosten des Landes und im Nordirak gegen die türkische Armee kämpft. Die HDP weist die Vorwürfe immer wieder zurück. Das Auswärtige Amt forderte die HDP nun auch auf, sich klar von der PKK abzugrenzen.
Die Verbotspläne hatte die HDP am Mittwoch als "politischen Putsch" angeprangert und politischen Widerstand angekündigt. Auch die USA kritisierten das Vorgehen der türkischen Behörden, ebenso wie eine Reihe von Bundestagsabgeordneten der Linken und der Grünen.
(lau/afp)