Minsk: Demonstranten legen am Ort, an dem ein Demonstrant getötet wurde, Blumen nieder. Zehntausende Menschen haben landesweit erneut gegen die mutmaßlich gefälschte Wiederwahl von Präsidenten Lukaschenko protestiert.Bild: AP / Dmitri Lovetsky
International
In Minsk haben sich am Sonntag zehntausende Anhänger der belarussischen Opposition zu einer der größten Kundgebungen der vergangenen Tage versammelt, um gegen den autoritären Präsidenten Alexander Lukaschenko zu protestieren. Bei ihrem "Marsch der Freiheit" riefen die Demonstranten Lukaschenko erneut zum Rücktritt auf. Dieser forderte zuvor bei einer regierungsfreundlichen Kundgebung vor rund tausend Anhängern dazu auf, das "Land und dessen Unabhängigkeit" zu verteidigen.
"Ich habe euch nicht hierher gerufen, um mich zu verteidigen. Vielmehr könnt ihr zum ersten Mal seit einem Vierteljahrhundert euer Land und dessen Unabhängigkeit verteidigen", sagte er am Sonntag.
Lukaschenko war zum Sieger der Präsidentenwahl vom vergangenen Sonntag erklärt worden. Die Opposition spricht jedoch von Wahlbetrug. Der seit 1994 regierende Staatschef hat die seit einer Woche zu tausenden auf die Straßen des Landes strömenden Demonstranten als vom Ausland gesteuerte "Schafe" diskreditiert. Die Polizei ging in den vergangenen Tagen gewaltsam gegen die Demonstranten vor. Tausende Menschen wurden festgenommen, zwei Demonstranten kamen zu Tode.
Den Vorwurf der Wahlfälschung wies Lukaschenko auch am Sonntag zurück. Bei Ergebnissen von mehr als 80 Prozent könne es keinen Wahlbetrug geben, sagte er der Staatsagentur Belta zufolge am Sonntag bei einer Kundgebung von Anhängern in Minsk. "Ich stehe hier wie vor Gott."
Zugleich lehnte er Neuwahlen ab. "Litauen, Polen und die Ukraine befehlen uns, Neuwahlen abzuhalten", sagte Lukaschenko. "Wenn wir uns von denen am Gängelband führen lassen, dann geraten wir ins Trudeln. Dann gehen wir als Nation zugrunde."
Staatschef Alexander Lukaschenko.Bild: AP / Dmitri Lovetsky
Trauer um jungen Demonstranten
In der Stadt Gomel haben derweil Hunderte Menschen Abschied von einem jungen Mann genommen, der bei den Protesten gegen Staatschef Lukaschenko festgenommen wurde und später im Krankenhaus starb. Menschen legten am Sonntag Blumen nieder und entzündeten Kerzen, wie auf Bildern im Nachrichtenkanal Telegram zu sehen war. An Fotos des 25-Jährigen waren Luftballons angebracht. Viele hielten davor inne.
Seine Mutter macht die Polizei für den Tod verantwortlich. Der junge Mann, der eine Herzkrankheit gehabt habe, sei am Wahlsonntag auf dem Weg zu seiner Freundin festgenommen worden und in Polizeigewahrsam im Krankenhaus gestorben. Die Polizei bestätigte dies erst am Mittwoch und teilte mit, die Gerichtsmedizin müsse die Todesursache klären.
Die EU hat unterdessen Sanktionen gegen Belarus angekündigt. Sie will nach den Worten von Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) gezielt einzelne Verantwortliche bestrafen.
"Es geht dabei nicht um Wirtschaftssanktionen, die vor allem die belarussische Bevölkerung treffen würden, sondern wir wollen als EU gezielt einzelne Personen bestrafen, die nachweislich an den Wahlmanipulationen und der Gewalt gegen Demonstranten beteiligt waren", sagte Maas der "Bild am Sonntag".
Derzeit werde eine Liste von Namen angefertigt, gegen die sich die Strafmaßnahmen richten sollen.
Putin will notfalls militärisch helfen
Angesichts der Massenproteste in Belarus hat Russland seinem Nachbarland Beistand im Ernstfall zugesichert. Das teilte der Kreml am Sonntag nach einem Telefonat von Präsident Wladimir Putin mit Lukaschenko mit. Beide hatten bereits am Samstag miteinander telefoniert. Russland habe seine Bereitschaft bekräftigt, "die erforderliche Hilfe bei der Lösung auftretender Probleme zu leisten", heißt es in der Mitteilung.
Darin wird auf einen Vertrag beider Länder verwiesen, in dem auch die "kollektive Sicherheit" geregelt sei. Am Samstag hatte Lukaschenko bereits von militärischer Hilfe aus Moskau für sein Land gesprochen. Staatsmedien waren danach aber wieder zurückgerudert. In einer Mitteilung des Kremls zu dem Telefonat war keine Rede von irgendeiner Hilfe in der jetzigen Situation.
Der belarussische Analyst Artjom Schraibman hielt eine russische Militärintervention zur Unterstützung Lukaschenkos für äußerst unwahrscheinlich. "Russland rettet keine stürzenden Regimes mit Streitkräften", erklärte er in der Nacht zum Sonntag. Möglich sei, dass ein Präsident aus dem Land herausgeholt werde.
Vorwurf an die Nato
Lukaschenko selbst warf der Nato einen Truppenaufmarsch an seiner Westgrenze vor. Panzer und Flugzeuge stünden nur 15 Minuten von der Grenze entfernt, sagte Lukaschenko vor Tausenden seiner Anhänger in Minsk. Bereits zuvor hatte er Nato-Militärübungen in Polen und Litauen kritisiert.
Am Samstagabend hatte der Staatschef die Verlegung von Fallschirmjägern nach Grodno im Westen des Landes angeordnet. In der Region sei die Lage gespannt, sagte er bei einer vom Staatsfernsehen übertragenen Sitzung des Generalstabs. "Was in diesen Gebieten passiert, werden wir uns nicht ruhig anschauen." Details nannte er nicht.
Der 65-Jährige wies aber das Verteidigungs- und das Innenministerium sowie den Geheimdienst KGB an, keine "ungesetzlichen Aktionen" im Land zuzulassen. Konkret planten seine Gegner eine Menschenkette vom EU-Land Litauen durch Belarus in die Ukraine. Diese Solidaritätsaktion für die Proteste müsse verhindert werden.
(pcl/mit Material von afp, dpa und rtr)
Anfang des Jahres führte Günther Felßner noch als Vorsitzender des Bayerischen Bauernverbands die Proteste der Landwirte gegen die Ampel-Regierung in Berlin an. Mit gelber Warnweste stand er an der Spitze von Traktor-Kolonnen und protestierte unter anderem gegen die Politik von Landwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne).