Kurz vor einer Hinrichtung in China wird das Todesurteil verlesen.bild: imago
International
Die offiziellen Zahlen zu staatlichen Hinrichtungen sind gesunken. Allerdings werden auch immer weniger Hinrichtungen dokumentiert.
10.04.2019, 20:2010.04.2019, 20:21
Nackenschüsse, Giftspritzen, Strangulation: Die Todesstrafe gehört in mindestens zwanzig Ländern weltweit zum Justizsystem und kostet auch im Jahr 2018 Hunderten Menschen das Leben. Das geht aus dem Jahresbericht der Menschenrechtsorganisation Amnesty International (AI) hervor.
Eine Zahl darin liest sich auf den ersten Blick positiv: Die Zahl der staatsrechtlich exekutierten ging seit zehn Jahren zum ersten Mal zurück: Mindesten 690 Menschen wurden 2018 offiziell hingerichtet, rund ein Drittel weniger als 2017 mit 993 Hinrichtungen.
Doch AI geht nicht davon aus, dass das eine gute Nachricht ist. Sondern eher, dass die Dunkelziffer deutlich über den offiziellen Zahlen liegt.
Beispiel China. Amnesty International schätzt, dass China im Geheimen die Todesstrafe nutzt, um Tausende Menschen zu verurteilen und hinzurichten. Doch weder die Verurteilungen noch die Hinrichtungen würden offiziell dokumentiert werden.
Laut Einschätzung von AI würden in China im Jahr mehr Menschen hingerichtet als in allen anderen Ländern zusammen. Der Generalsekretär der Kommunistischen Partei Chinas, Xi Jinping, hatte laut Standard erst im Januar 2019 öffentlich wirksam dafür gesorgt, dass ein Kanadier wegen Drogenhandels in China zum Tode verurteilt worden war.
Der Trend geht laut AI zur Verschleierung
China sei auch in den offiziellen Zahlen das Land mit den meisten Hinrichtungen weltweit. 19 weitere Länder exekutieren aber ebenfalls Straftäter. Der Iran vollstreckte mindestens 253 Todesurteile, Saudi-Arabien 149, Vietnam mindestens 85 und der Irak 52. im Iran dürfen auch Menschen hingerichtet werden, die bei ihrer Tat unter 18 Jahren alt sind. Das widerspricht sogar dem Völkerrecht.
Die USA haben als einziger Staat auf dem amerikanischen Doppelkontinent im Jahr 2018 zum zehnten Mal in Folge Todesurteile vollstreckt. Insgesamt zählt AI 25 Fälle, Texas ist mit 13 Fällen an der Spitze der Bundesstaaten. In Ägypten stieg die Zahl der verhängten Todesurteile von 402 im Jahr 2017 auf mindestens 717.
"Viele davon gehen auf Massenverurteilungen nach unfairen Verfahren zurück."
Amnesty International zu Todesurteilen in Ägypten
Die Delikte, für die die Menschen hingerichtet werden, reichen von Mord in nahezu allen Ländern mit Todesstrafe, über Vergewaltigung von Minderjährigen in Indien und China, Wirtschaftskriminalität in Vietnam und Indien, zu Drogendelikten in Saudi Arabien. Zu den Zahlen bekennen sich die Staaten, undurchsichtig wird es bei politisch motivierten Hinrichtungen. Diese werden immer seltener offiziell dokumentiert.
Verständlich wird dieses Dilemma, wenn man sich folgende Frage stellt: Wie wertet man beispielsweise den Mord an dem Journalisten Jamal Khashoggi? Erst unter internationalem Druck räumte Saudi-Arabien ein, dass der Regierungskritiker von saudi-arabischen Agenten getötet wurde. Solche Fälle und die Zuordnung als Hinrichtung passen in keine offizielle Statistik und kann auch von AI nur geschätzt werden.
Es gibt trotzdem gute Nachrichten
Auch, wenn die Realität in 20 Staaten der Welt noch immer Hinrichtungen vorsieht, haben immerhin drei Staaten, in denen Todesurteile möglich sind, im Jahr 2018 auf Hinrichtungen verzichtet: Burkina Faso, Gambia und Malaysia. Burkina Faso will die Todesstrafe sogar auf Dauer abschaffen, Gambia und Malaysia bis auf Weiteres auf Hinrichtungen verzichten.
Der AI-Bericht erwähnt sogar, dass das Bundesland Hessen nun offiziell die Todesstrafe abgeschafft hat, obwohl diese dank Bundesgesetz ohnehin keinerlei Gültigkeit mehr hatte.
Auch, wenn den offiziellen Zahlen nach Einschätzung von AI nicht zu trauen ist, will der deutsche Generalsekretär der Organisation positiv in die Zukunft sehen:
"Der Rückgang der weltweit dokumentierten Hinrichtungen gibt die Richtung vor: 142 Staaten wenden die Todesstrafe heute nicht mehr an, 1987 waren es nur 69 – das ist eine wichtige Entwicklung zu einer Welt ohne Hinrichtungen."
Markus N. Beeko, Generalsekretär von Amnesty International in Deutschland
Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) ist einer der beliebtesten Politiker Deutschlands. Ganz anders als sein Chef, Bundeskanzler Olaf Scholz. Der will trotzdem Kanzlerkandidat seiner Partei werden.