Nach dem ersten TV-Duell mit Joe Biden wurde bekannt, dass Donald Trump an Corona erkrankt ist. Statt eines zweiten Duells gab es nun zwei separate Interviews der Kandidaten. Bild: dpa / Patrick Semansky
International
16.10.2020, 07:4516.10.2020, 09:49
Nach der Absage ihres TV-Duells
haben sich US-Präsident Donald Trump und sein Herausforderer Joe
Biden zeitgleich in zwei Fernsehsendern Fragen von Wählern gestellt.
Knapp drei Wochen vor der Wahl am 3. November mussten die Amerikaner
am Donnerstagabend (Ortszeit) entscheiden, ob sie Trump im Sender NBC
oder Biden im Sender ABC verfolgen.
Beide traten in Swing States auf,
also in umkämpften Bundesstaaten, die bei der Präsidentenwahl am 3.
November entscheidend sein könnten: Der Republikaner Trump in Miami
im Bundesstaat Florida, der Demokrat Biden gut 1600 Kilometer
entfernt in Philadelphia im Bundesstaat Pennsylvania.
Hartnäckige Fragen
Moderatorin Savannah Guthrie nahm Trump in die Zange, der
reagierte darauf mitunter gereizt. "Lassen Sie uns die ganze Show
vergeuden", sagte Trump, als ihn Guthrie auf die
Verschwörungstheoretiker von QAnon anspricht, die auch unter seinen
Republikanern Unterstützer haben. "Es ist diese Theorie, dass die
Demokraten ein satanischer Pädophilenring sind und dass Sie der
Retter davor sind", sagte Guthrie. Ob Trump sich davon "ein für alle
Mal" distanziere? "Ich weiß nichts über QAnon", antwortete Trump
genervt. "Lassen Sie mich Ihnen nur sagen, was ich darüber höre, ist,
dass sie sehr entschieden gegen Pädophilie sind, und dem stimme ich
zu."
Biden räumt Fehler ein
Im weitgehend leeren Auditorium in Philadelphia beantwortete
Biden in aller Ruhe die Fragen der Wähler - es ging um den Kampf
gegen die Corona-Pandemie, die umstrittene Polizeiarbeit, die
Ungleichheit in der amerikanischen Gesellschaft.
Die Wähler
konfrontierten ihn auch mit Themen, die ungemütlich für Biden sind:
Zum Beispiel mit einem Gesetz zur Kriminalitätsbekämpfung aus den
1990er Jahren, das Biden unterstützte, und was viele für die
Diskriminierung von Minderheiten verantwortlich machen. Biden räumte
ein, es sei ein Fehler gewesen, das Gesetz zu unterstützen. Zudem
sagte er auf Drängen des Moderators zu, vor der Wahl klarzustellen,
was er von einer Ausweitung der Richterposten am Supreme Court hält.
Am Ende vieler seiner teils langen Antworten sagte Biden in Richtung
der Wähler, er hoffe, die Frage beantwortet zu haben.
Trump und seine Millionen-Schulden
Anders als bei Wahlkampfauftritten vor Anhängern musste Präsident
Trump sich kritische Fragen gefallen lassen - etwa zu seinen
finanziellen Verhältnissen. Seine Schulden beliefen sich nur auf
"einen winzigen Prozentsatz meines Nettovermögens", sagte Trump. Die
von der "New York Times" kürzlich berichtete persönliche Schuldenhöhe
von 421 Millionen Dollar schien er in etwa zu bestätigen. Er wollte
sich zunächst zwar auf Nachfrage der Moderatorin nicht festlegen,
sprach dann aber selber von "400 Millionen Dollar". Wie schon seit
Jahren versprach er, er werde seine Steuererklärungen
veröffentlichen, sobald eine Buchprüfung der Steuerbehörde IRS
abgeschlossen sei.
Trumps falsche Corona-Aussage
Zur Pandemie äußerte sich der erst kürzlich an Covid-19 erkrankte
Präsident ein weiteres Mal widersprüchlich. "Ich sage, tragt die
Masken. Ich habe kein Problem damit", betonte er. Trump wiederholte
aber auch seine falsche Aussage, dass sich nach Angaben der
Gesundheitsbehörde CDC 85 Prozent der Menschen, die eine Maske
tragen, mit dem Virus infizierten. Richtig ist, dass bei einer
CDC-Untersuchung 85 Prozent einer Gruppe von Infizierten angaben, sie
hätten in den 14 Tagen zuvor oft oder immer eine Maske getragen.
Verpasste Gelegenheit
"Er hat enorme Gelegenheiten verpasst und sagte immer wieder
Dinge, die nicht wahr waren", warf Biden dem Republikaner mit Blick
auf dessen Umgang mit der Corona-Pandemie vor. "Wenn ein Präsident
keine Maske trägt oder sich über Leute wie mich (...) lustig macht,
dann sagen die Leute: "Es wird schon nicht so wichtig sein"", sagte
Biden. "Ich denke, es ist wichtig, was wir sagen." Mit Blick auf die
für kommenden Donnerstag geplante Debatte zwischen den beiden
Kandidaten machte Biden klar, dass er von Trump erwarte, sich wieder
testen zu lassen. Der Anstand gebiete das einfach, sagte Biden. Es
gehe ihm dabei nicht um ihn selbst, sondern um andere Menschen, die
man gefährden könnte. "Ich denke, er (Trump) wird das machen", sagte
er.
Entscheidende Erinnerungslücke
Der Präsident wollte sich wieder nicht darauf festlegen, wann er
vor seiner Covid-Erkrankung zuletzt negativ getestet worden war. "Ich
erinnere mich gar nicht daran", sagte er. Diese Frage ist wichtig, um
zu klären, ob Trump womöglich noch bei Veranstaltungen war, obwohl er
von einer Infektion wusste. Dass auch das Weiße Haus und Trumps Ärzte
Angaben dazu verweigern, räumt diesen Verdacht nicht aus der Welt.
"Jetzt geht es wieder los"
Gereizt reagierte Trump auch, als er nach seiner Haltung zu
Rechtsradikalen gefragt wird - er ist unter Druck geraten, weil er
sich von ihnen nicht eindeutig distanzieren wollte. "Jetzt geht das
wieder los", sagte Trump sichtlich genervt - und behauptete dann,
dass er "seit Jahren" Rechtsradikalismus verurteile. Zugleich betonte
er aber, er verurteile auch die Antifa und "diese Menschen auf der
Linken, die unsere Städte niederbrennen". Trump kritisierte außerdem,
dass Biden bei einer NBC-Fragestunde in der vergangenen Woche nicht
danach gefragt worden sei, ob er die Antifa verurteile.
"Mieser Kandidat" Biden?
Das wurde Biden auch dieses Mal nicht. Doch der ehemalige
US-Vizepräsident machte deutlich: Wenn er zum Präsidenten gewählt
werde, werde er sich niemals rassistisch oder spalterisch äußern.
Moderator George Stephanopoulos fragte Biden, was ihm eine Niederlage
darüber sagen würde, was Amerika heute sei. "Nun, es könnte bedeuten,
dass ich ein mieser Kandidat war und ich keinen guten Job gemacht
habe", sagte Biden. Er hoffe nicht, dass es bedeute, dass die
Menschen in ethnischen und religiösen Fragen so im Konflikt
miteinander stünden, wie Trump es wolle.
Zweifel an der Ausdauer
Trump warf NBC vor, Biden zuletzt nur Fragen gestellt zu haben,
die sogar Kinder beantworten könnten. Kurz vor der Fragestunde hatte
er den Sender schon bei einem Wahlkampfauftritt in Greenville in
North Carolina angegriffen: "Wissen Sie, ich werde heute Abend
reingelegt", sagte er. Er habe den Auftritt nur zugesagt, weil er
eine Stunde Sendezeit kostenfrei bekomme. Trump sagte zudem, er hätte
den zeitgleichen Auftritt Bidens beim Sender ABC gerne angeschaut,
"weil ich sehen wollte, ob er es durch die Sendung schafft". Trump
(74) unterstellt seinem 77-jährigen Herausforderer - den er als
"schläfrigen Joe" verunglimpft - immer wieder mangelnde körperliche
und geistige Fitness.
Biden überzieht
Dabei war Bidens Auftritt am Donnerstagabend sogar länger als der
von Trump. Während der Präsident sich eine Stunde lang Fragen
stellte, waren es bei Biden 90 Minuten - in beiden Fällen gab es
mehrere kurze Werbepausen. Ein Wähler hatte vor Biden nicht verbergen
können, dass ihn eine Antwort Bidens nicht gänzlich zufrieden
stellte. Biden bot an, nach dem Ende der Sendung weiter zu reden -
was er auch tat.
(mse/dpa)