Im US-Bundesstaat Georgia haben am Dienstag wichtige Stichwahlen um zwei Sitze im mächtigen Senat begonnen, denen eine Schlüsselrolle für die amerikanische Politik in den nächsten Jahren zukommt. Das Ergebnis entscheidet darüber, ob die Republikaner von Donald Trump ihre Mehrheit verteidigen können – oder ob die Demokraten neben dem Repräsentantenhaus künftig auch die andere Kongresskammer beherrschen werden. Mit der Kontrolle über den Senat könnte der künftige Präsident Joe Biden durchregieren – vorausgesetzt, die Demokraten ziehen bei Gesetzesvorhaben oder der Ernennung von Regierungsmitgliedern an einem Strang.
Bei der ersten Abstimmung am 3. November hatte keiner der Kandidaten die nötige absolute Mehrheit erreicht. Die Demokraten Jon Ossoff und Raphael Warnock fordern die republikanischen Amtsinhaber David Perdue und Kelly Loeffler heraus. Um eine knappe Mehrheit im Senat zu behalten, reicht den Republikanern ein einziger Sieg. Die demokratischen Kandidaten müssten sich hingegen beide durchsetzen, damit es eine Pattsituation mit 50 zu 50 Stimmen in der Kammer gibt. Ein Patt könnte dann von Amts wegen von der künftigen Vizepräsidentin Kamala Harris zu Gunsten der Demokraten aufgelöst werden.
Die Wahllokale sollten um 19.00 Uhr schließen. US-Beobachter rechneten mit knappen Rennen. Es war zunächst noch unklar, wann es belastbare Ergebnisse gibt. Das liegt auch an der Corona-Pandemie, wegen der Hunderttausende Wähler von der Briefwahl Gebrauch gemacht haben. Insgesamt haben nach Statistiken des "Elections Project" rund 3 Millionen der etwa 7.2 Millionen in Georgia registrierten Wähler vor dem eigentlichen Wahltag ihre Stimmzettel per Brief oder persönlich im Wahllokal abgegeben.
Am Tag vor der Stichwahl warb der Demokrat Biden in Georgias Hauptstadt Atlanta eindringlich für Ossoff und Warnock. "Morgen kann ein neuer Tag für Atlanta, für Georgia und für Amerika sein", sagte der gewählte Präsident. Mit Blick auf die beiden demokratischen Kandidaten fügte er hinzu: "Sie sind prinzipientreu, sie sind qualifiziert. Sie sind ehrenhaft, sie meinen, was sie sagen."
Über Perdue und Loeffler sagte Biden, diese dächten, dass ihre Loyalität dem amtierenden Präsidenten Donald Trump gelte, nicht Georgia und der Verfassung der USA. Trump rief dagegen bei einem Wahlkampfauftritt in Dalton nördlich von Atlanta dazu auf, für Perdue und Loeffler zu stimmen. "Das könnte die wichtigste Stimme sein, die ihr für den Rest eures Lebens abgeben werdet", sagte er vor Tausenden Anhängern. Ossoff und Warnock seien "Extremisten, die alles zerstören würden, was den Patrioten in Georgia am Herzen liegt".
Trotz der bevorstehenden Vereidigung Bidens am 20. Januar will Trump weiterhin mit aller Macht an seinem Amt festhalten. "Sie werden das Weiße Haus nicht erobern, wir werden wie der Teufel kämpfen", sagte er in Dalton. In seiner 83-minütigen Ansprache wiederholte Trump seine bekannten und unbelegten Wahlbetrugsvorwürfe.
Der Republikaner behauptete erneut, er habe die Wahl am 3. November klar gewonnen. Tatsächlich hat nach den offiziellen Ergebnissen aus den Bundesstaaten eindeutig Biden gesiegt. Trumps Lager ist mit Dutzenden Klagen gegen das Wahlergebnis gescheitert, auch vor dem Obersten Gericht der USA in Washington.
Trump rief Abgeordnete und Senatoren dazu auf, an diesem Mittwoch Einspruch gegen die Zertifizierung der Ergebnisse der Präsidentenwahl aus einzelnen Bundesstaaten im Kongress einzulegen. Er machte deutlich, dass er dabei auch auf die Unterstützung von Vizepräsident Mike Pence baut. Pence steht dem Senat als Präsident vor und wird die gemeinsame Sitzung der beiden Kongresskammern am Mittwoch leiten. "Ich hoffe, dass unser großartiger Vizepräsident sich für uns einsetzt", sagte Trump. "Er ist ein großartiger Kerl. Wenn er sich nicht einsetzt, werde ich ihn natürlich nicht ganz so sehr mögen."
Eine Gruppe republikanischer Abgeordneter aus dem Repräsentantenhaus und ein Dutzend republikanische Senatoren haben angekündigt, am Mittwoch Einspruch gegen Resultate einzelner Staaten einzulegen. Damit können sie erzwingen, dass sich beide Kongresskammern zu getrennten Sitzungen zurückziehen müssen, um die Einwände zu debattieren und am Ende abzustimmen, ob sie diesen folgen oder nicht. Die Störaktion dürfte das Prozedere jedoch lediglich in die Länge ziehen und keine Folgen für den Ausgang haben. Selbst unter den Republikanern ist das Vorhaben hochumstritten.
(lfr/dpa)