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International
04.09.2019, 06:4904.09.2019, 07:22
Es war eine krachende und historische Niederlage für den britischen Regierungschef Boris Johnson: Gegen seinen erklärten Willen erzwangen die Abgeordneten am Dienstagabend in London, dass das Unterhaus über einen Gesetzentwurf zu einer möglichen Brexit-Verlängerung abstimmen kann.
Es war Johnsons erste Abstimmung als Premierminister im Unterhaus. Und die hat er gleich mal verloren. Das gab es zuletzt vor über 100 Jahren in Großbritannien.
Aber noch sind die Gegner des britischen Regierungschefs nicht am Ziel.
Worüber wird heute abgestimmt?
Bei der Abstimmung am Dienstagabend ging es formell nur darum, dass das Unterhaus die Macht über die Tagesordnung an sich reißt. Damit ist nun für diesen Mittwoch der Weg frei, um ein neues Gesetz einzubringen, das einen Brexit ohne verabschiedeten Austrittsvertrag ("No Deal") verhindert und eine Verlängerung der Brexit-Frist ermöglicht.
Laut diesem Entwurf soll der EU-Austritt im Falle einer Nichteinigung mit Brüssel nochmals bis zum 31. Januar 2020 verschoben werden. Derzeit ist er für den 31. Oktober angesetzt.
Nachdem die Abstimmung am Dienstagabend klar für Johnsons Gegner (328 zu 301) ausfiel, dürften die Brexit-Gegner auch am Mittwoch erfolgreich sein.
Ist Johnson damit bezwungen?
Nein. Er sagte nach seiner Niederlage am Dienstag: "Ich will eigentlich keine Wahl, aber wenn die Abgeordneten für eine weitere sinnlose Verzögerung des Brexits stimmen, wäre das der einzige Ausweg."
Eine Neuwahl könnte die Implementierung des "No Deal"-Gesetztes behindern. Und die Gefahr eines katastrophalen "No Deal"-Brexits erhöhen.
Die Neuwahl könnte am 14. Oktober stattfinden, also vor einem entscheidenden EU-Gipfel am 17. und 18. Oktober und noch vor dem Brexit-Termin am 31. Oktober.
Fallstricke lauern für die Johnson-Gegner auch im Oberhaus. Dort muss das "No Deal"-Gesetz ebenfalls verabschiedet werden. Brexit-Hardliner drohen damit, hier mit einer Flut von Anträgen Zeit zu schinden.
Was können Johnsons Gegner unternehmen?
Um eine Neuwahl durchzusetzen, braucht Johnson eine Zweidrittelmehrheit im Unterhaus. Er ist also auf Stimmen der Opposition angewiesen.
Oppositionsführer Jeremy Corbyn von Labour kündigte am Dienstag an, einer Neuwahl nur zuzustimmen, wenn das "No Deal"-Gesetz abgeschlossen ist.
Allerdings gibt es noch einen weiteren Weg für Johnson, eine Neuwahl zu erzwingen. Dafür müsste er das derzeit geltende Wahlgesetz überschreiben – hier reicht die absolute Mehrheit.
Klar ist: Es bleibt kompliziert.
Hat sich Johnson verspekuliert?
Vergangene Woche setzte Johnson eine fünfwöchige Zwangspause für das Parlament durch. Der Schritt überrumpelte seine Gegner, bereits nächste Woche beginnt diese Zwangspause. Nun scheint es aber der britische Premier, der von seinen Gegnern überrumpelt wurde.
Klar ist: Die Regierung von Boris Johnson ist eigentlich nicht mehr handlungsfähig. Am Dienstag trat die Spaltung seiner Fraktion im Unterhaus zwischen Brexit-Hardlinern und Brexit-Gegnern offen zutage. Johnson verlor nicht nur einen Abgeordneten und damit seine knappe Mehrheit im Unterhaus.
21 Abgeordnete stellten sich bei der Abstimmung über die Tagesordnung für Mittwoch offen gegen den Premier. Sie stimmten gemeinsam mit der Opposition.
Johnson hatte am Dienstag allen Abgeordneten seiner Partei gedroht: Solltet ihr für das "No Deal"-Gesetz stimmen, werdet ihr aus der Fraktion ausgeschlossen und bei der nächsten Wahl nicht berücksichtigt. Noch aber hat Johnson seine Drohung nicht wahr gemacht.
Aber der einzige Ausweg für Johnson sind nun Neuwahlen.
Wie würden Neuwahlen ausgehen?
In den Umfragen kommen Johnsons Konservative auf rund 35 Prozent. Eines der schlechtesten Ergebnisse für die Partei seit dem Zweiten Weltkrieg.
Aber: Die Brexit-Partei kommt auf elf Prozent. Bei einem Bündnis mit den Hardlinern könnte Johnson womöglich auf eine Mehrheit kommen.
Die größte Oppositionspartei Labour erreicht gerade mal 25 Prozent, die Brexit-Gegner der Liberal Democrats auf 16 Prozent.
(ll/mit afp/dpa)
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