"Ich würde lieber tot im Graben liegen", als den Brexit weiter aufzuschieben, sagte Boris Johnson einmal. Am Samstagabend allerdings beantragte die britische Regierung in einem Schreiben an die EU eine Verschiebung des EU-Austritts, der derzeit noch für den 31. Oktober vorgesehen ist.
Die EU muss sich nun entscheiden, ob sie den Briten den Aufschub gewährt. Tut sie das nicht, würde Großbritannien ungeregelt am 31. Oktober aus der EU ausscheiden. Das würde Chaos und großen wirtschaftlichen Schaden für beide Seiten bedeuten.
Es gilt als wahrscheinlich, dass die EU aus diesem Grund die Verlängerung gewähren wird. Auch wenn einige EU-Staatschefs wie Frankreichs Präsident Emmanuel Macron zuletzt eine Verlängerung sehr skeptisch sahen. Das ZDF erfuhr am Samstagabend aus der französischen Regierung: "Wir müssen uns jetzt abstimmen, aber eine Verschiebung ist absolut keine gute Idee." Bundeskanzlerin Angela Merkel dagegen gilt als Fürsprecherin für eine Verlängerung.
Johnson will weiter versuchen, den Termin 31. Oktober zu halten. Er will nächste Woche das Gesetz zur Ratifizierung des Brexit-Abkommens ins Unterhaus einbringen und auch noch einmal über den Deal abstimmen lassen.
Der Premierminister hat keine eigene Mehrheit im Parlament. Er ist daher auf die Unterstützung aus der Opposition angewiesen. Auch die Zustimmung für das Ratifizierungsgesetz ist also noch längst keine ausgemachte Sache. Allerdings dürften die Rebellen aus den eigenen Reihen, die am Samstag die Verschiebung der Entscheidung erzwangen, ihn nun unterstützen.
Nächste Woche wird zudem eine Abstimmung über die Agenda der Johnson-Regierung erwartet, die Königin Elisabeth II. vergangene Woche in ihrer Rede vorgestellt hatte. Sollte Johnson diese Abstimmung verlieren, wäre er wohl zum Rücktritt gezwungen – oder die Opposition könnte ihn zum Rücktritt mit einem Misstrauensvotum zwingen.
Dann wäre der Weg frei für Neuwahlen. Und mehr Brexit-Chaos.
(Mit dpa)