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International
Khartum gleicht einer Geisterstadt. Sicherheitskräfte kontrollieren die Straßen. Aber die Menschen haben sich in ihren Häusern verschanzt. Man könnte meinen, die Revolution im Sudan sei tot. Doch die Opposition gibt sich nicht geschlagen.
12.06.2019, 10:2912.06.2019, 10:31
In der erdrückenden Hitze Khartums sitzen die jungen
Männer auf Betten in einem kleinen Vorzimmer mit lilafarbenen Wänden.
Einer hat einen Arm in einer Schlinge. Ein zweiter hat eine Bandage
auf der rechten Schulter – dort, wo er angeschossen wurde. Ein
dritter hebt sein T-Shirt hoch und zeigt Wunden von Schlagstöcken auf
seinem Rücken. Draußen vor der Tür wirbelt auf der Straße ein heißer
Wind Staub auf, es herrscht Totenstille. Die Menschen sind dem Aufruf
der Opposition gefolgt, das Land lahmzulegen.
Der 18-jährige Amar Mohammed al-Hassan und seine Freunde Abdu
al-Rahim und Ali Idris waren dabei, als Sicherheitskräfte vergangene
Woche die große Sitzblockade im Zentrum der sudanesischen Hauptstadt
brutal auflösten. Demonstranten wurden erschossen, geschlagen und
verjagt, Zelte niedergebrannt und Leichen in den Nil geworfen. Einem
Ärzteverband zufolge starben mehr als 100 Menschen.
Das Internet haben die regierenden Generäle aus Furcht vor neuen
Protesten seither weitgehend abschalten lassen. Wurde damit eine
weitere Revolution in der arabischen Welt zunichte gemacht? Auf
keinen Fall, sagt Idris.
"Es hat gerade erst angefangen."
Sudan nach dem Militärputsch
Der Sudan ist seit Jahren international isoliert, die Opposition wird
unterdrückt, wirtschaftlich liegt das Land am Boden. Massenproteste
der unzufriedenen Bevölkerung führten im April zu einem
Militärputsch, bei dem Präsident Omar al-Baschir nach rund 30 Jahren
abgesetzt wurde. Schnell machte sich unter den 41 Millionen
Einwohnern in dem Land im Nordosten Afrikas Euphorie breit. Die
Demonstranten gaben sich nicht mit einer Militärherrschaft zufrieden.
Sie forderten eine zivile Regierung und demonstrierten weiter mit der
Sitzblockade vor der Zentrale der Streitkräfte im Zentrum Khartums.
Nachdem Verhandlungen zwischen Generälen und Opposition über die
Bildung einer Übergangsregierung gescheitert waren, gingen vergangene
Woche Montag Sicherheitskräfte gegen die Sitzblockade vor.
"Sie kamen
mit Fahrzeugen aus drei Richtungen und umzingelten die Menschen",
erinnert sich Idris. Als einige Demonstranten wegliefen, begannen die
Sicherheitskräfte zu schießen, wie er sagt. Er selbst sei in ein
Gebäude gerannt, Sicherheitskräfte auf seinen Fersen. Sie schlugen
demnach auf ihn ein. Er konnte entkommen.
Sudanesische Proteste vom 22. Mai 2019.Bild: X01806
Idris, Al-Hassan, Al-Rahim und etliche andere Demonstranten sind sich
sicher: Die Sicherheitskräfte waren Mitglieder der Schnellen
Einsatztruppen (RSF), einer berüchtigten und quasi-autonomen Einheit
der Streitkräfte. Die Bewohner Khartums nutzen nur den Namen, unter
dem die Einheit früher bekannt war: Dschandschawid. Während des
Darfur-Konflikts war diese arabische Miliz für brutale Verbrechen
gegen die Bevölkerung verantwortlich. Heute ist ihr Chef Mohammed
Hamdan Daglu, genannt Hemeti, die Nummer zwei der Militärregierung.
Hemetis gefürchtete Truppen scheinen derzeit das Zentrum Khartums zu
kontrollieren. Auf den wichtigen Straßen und Plätzen steht alle paar
Meter ein Pritschenwagen der RSF mit einem Maschinengewehr auf der
Ladefläche, an der Seite hängen Munitionsgürtel. Fotografieren darf
man die RSF-Stellungen nicht. Die Soldaten dösen etwa hinten auf den
Fahrzeugen oder sitzen daneben im Schatten von Bäumen; einige kochen,
andere waschen Kleidung. Während der muslimische Gebetsruf durch die
Stadt hallt, beten einige auf kleinen Teppichen neben ihren Waffen.
Vor der Zentrale der Streitkräfte sind nur noch wenige Spuren der
wochenlangen Sitzblockade zu sehen, die zum Symbol der Revolution
geworden war. Viele Kunstwerke der Demonstranten an den Wänden wurden
entfernt. Mancherorts sind auf dem Boden Spuren von Bränden zu sehen – vermutlich wurden dort Zelte abgefackelt. In einem Innenhof, in dem
einst eine mobile Klinik für die Demonstranten eingerichtet war,
stehen jetzt mehrere Fahrzeuge der RSF.
Khartum: Anfang Juni. Bild: AP
Die Opposition gibt sich nicht geschlagen
Die Generäle werden von Saudi-Arabien und den Emiraten gestützt. Doch
die Opposition gibt sich nicht geschlagen. Sie rief zu einem
Generalstreik auf, der seit Sonntag gilt. Er soll Druck auf die
Generäle ausüben, die Macht bald an eine zivile Übergangsregierung
abzugeben. In der Stadt herrscht daher eine angespannte Ruhe- fast
so, als würden die Menschen die Luft anhalten. Nur wenige Autos und
Personen sind auf den Straßen zu sehen, die meisten Läden und
Restaurants sind geschlossen, die Rollläden nach unten gefahren.
In einigen Stadtteilen bauten Demonstranten auf den Straßen
Barrikaden aus Steinen auf, um Sicherheitskräfte zu blockieren. Immer
wieder werden sie abgerissen, immer wieder aufgebaut. Noch am Montag
zeigten stolze Bewohner im nördlichen Stadtteil Omdurman auf die
Barrikaden, die quer über einige der Straßen verliefen.
Die Hoffnung bleibt.Bild: X90076
Doch wie lange halten die Menschen dies durch? Abgesehen von einigen
Erklärungen auf Facebook und Twitter hält sich die Opposition seit
dem brutalen Vorgehen des Militärs weitgehend zurück. Führende
Mitglieder des Gewerkschaftsbündnisses SPA, das die Massenproteste
der vergangenen Monate organisiert hatte, sind kaum oder gar nicht zu
erreichen. Die Opposition habe Angst, vermuten einige; andere sagen,
sie brauche Zeit, eine neue Strategie zu entwickeln.
Wie diese aussehen könnte, das wollen auch die jungen Männer
Al-Hassan, Al-Rahim und Idris wissen. Sie seien bereit, wieder auf
die Straße zu gehen und zu demonstrieren, sagt Al-Rahim. Hier, in dem
kleinen Haus von Al-Hassans Familie im Stadtteil Barri, fühlen sie
sich erstmal sicher. Denn die RSF hätten zu große Angst, hierher zu
kommen, meinen sie stolz. Al-Hassans Wille ist nicht gebrochen:
"Mit der Militärregierung an der Macht ist es fast schlimmer als vorher."
(ts/dpa)
Robert Habeck ist wohl eine der einprägsamsten Figuren der Politiklandschaft Deutschlands. Seit Dezember 2021 ist er Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz sowie Vizekanzler der Bundesrepublik. Als Mitglied der Partei Bündnis 90/Die Grünen hat er sich einen Namen als pragmatischer und kommunikationsstarker Politiker gemacht.