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International
08.07.2019, 18:0308.07.2019, 18:10
Dröhnende griechische Volksmusik, reichlich Essen und
ausgelassene Tänze? Fehlanzeige – wer am Sonntagabend in Athen den
klaren Wahlsieg der konservativen griechischen Partei Nea Dimokratia
mit viel Getöse feiern wollte, wurde enttäuscht.
Bewusst hatte der
künftige Premier Kyriakos Mitsotakis die vom Stadtzentrum abgelegene
Parteizentrale für seinen ersten Auftritt nach der Wahl bestimmt. Den
Ball flach halten, nicht zu viel versprechen und stattdessen die
zahlreichen Probleme des Landes wirklich anpacken – dafür haben ihn
die Griechen gewählt. Nun erwarten sie mit Spannung, ob er liefern
kann.
Am ersten Tag nach der Wahl jedenfalls gelingt das dem 51 Jahre alten
studierten Wirtschaftsanalytiker. Bereits am Montagmittag fand seine
Vereidigung als Ministerpräsident statt, anschließend die
Amtsübergabe mit seinem Vorgänger Alexis Tsipras, danach die
Vorstellung des Kabinetts. Am Dienstag soll dessen Vereidigung
folgen, am Mittwoch die erste Sitzung – Mitsotakis legt zum Auftakt
seiner Amtszeit ein schwindelerregendes Tempo vor. Sogar die im
heißen Monat August übliche parlamentarische Sommerpause von vier
Wochen hat er abgeblasen – die Parlamentarier werden schwitzen und
arbeiten müssen, etliche Gesetzentwürfe sind schon vorbereitet.
Schon die Stunden seit der Wahl zeigen: Die Griechinnen und Griechen haben für einen sehr abgeklärten, konservativen Technokraten gestimmt. Was bedeutet das für das Land und für Europa? Drei Erkenntnisse über die Wahl in Griechenland:
Nüchternheit überzeugte
Mitsotakis unterscheidet sich deutlich vom charismatischen
Wirbelwind Tsipras. Er gilt als eher knöcherner Technokrat, der sich
bisweilen nur widerwillig von begeisterten griechischen Wählern in
den Arm nehmen und abküssen lässt. Gerade aber diese Nüchternheit hat
ihn bei der Parlamentswahl zum Sieger gemacht, denn die Griechen
haben sich am Sonntag gezielt gegen populistische Versprechen
entschieden.
Mitsotakis versprach nichts – jedenfalls für griechische
Verhältnisse. Erst müsse das Land wirtschaftlich auf die Beine
kommen, bevor Löhne und Renten wieder steigen könnten, hatte er
stattdessen immer wieder betont.
Tsipras' Populismus zieht nicht mehr
Vielen Griechen erschien das nach vier Jahren Tsipras nur allzu
logisch. Zwar hat sich die einst linksradikale Tsipras-Partei Syriza
zur gemäßigten Volkspartei gemausert und das Land unter Schmerzen aus
den Sparprogrammen geführt – aber selbst das geringste Anzeichen von
Populismus sorgte am Ende für Spott.
Bild: picture alliance /NurPhoto/Maria Chourdari
So etwa, als Tsipras vor der
Europawahl im Mai eine zusätzliche Rentenzahlung veranlasste, die von
den Griechen zwar gerne angenommen, aber auch klar als Wahlgeschenk
erkannt und entsprechend belächelt wurde.
Auf Mitsotakis ruht die griechische Hoffnung, Ordnung in das
chaotische Land zu bringen. "Alles riecht jetzt nach Normalität",
kommentierte ein politischer Analyst am Montag. Der Machtwechsel soll
das Ende der zehnjährigen Krise markieren, allerdings mit der
Erkenntnis, dass Griechenland selbst auf die Beine kommen muss und
nicht andere für die eigene Situation verantwortlich machen darf.
Die EU-Staaten müssen sich auf neue Verhandlungen einstellen
Das hat Mitsotakis im Gegensatz zu Tsipras verstanden. Die Gläubiger
des krisengeschüttelten Landes, allen voran die Europäische Union,
dürften zufrieden sein mit der griechischen Wahl. Der neue Premier
ist ein überzeugter Europäer, ebenso wie seine Partei schon immer
dezidiert proeuropäisch war. Nichtsdestotrotz müssen sich die
Gläubiger auf Verhandlungen mit Griechenland einstellen.
Mitsotakis
will die harten Auflagen für das Land mittelfristig lockern, weil er
der Ansicht ist, dass sie jedes mögliche Wirtschaftswachstum
ersticken. Diese Meinung teilt er mit etliche internationalen
Ökonomen und auch dem Internationalen Währungsfonds.
Allerdings will Mitsotakis nicht wie Tsipras erst fordern und dann
liefern, sondern umgekehrt. Er verspricht, zunächst die Bürokratie zu
entschlacken, um Investitionen zu erleichtern, sowie die
Unternehmenssteuern zu senken. Greifen diese Maßnahmen und nimmt die
Wirtschaft an Fahrt auf, will er über die Anforderung der Gläubiger
verhandeln und den verlangten Haushaltsüberschuss des Landes von 3,5
Prozent auf 2,5 Prozent senken.
"Die hohen Überschüsse bremsen das Wachstum", sagt er, und: "Wenn die
Gläubiger sehen, dass unsere Wachstumspolitik Erfolg hat, können wir
über eine Reduzierung der Überschüsse reden." Das Geld könnte dann
ebenfalls als Investition in das Land fließen. Dazu kommentierte am
Montag der Schweizer "Tagesanzeiger": "Wenn die Kreditgeber Athen
nicht zusätzlichen Spielraum öffnen, wird auch die neue Regierung die
Hoffnungen auf einen spürbaren Aufschwung enttäuschen. Griechenland
bleibt vom Wohlwollen der EU abhängig."
Wie geht es nun weiter?
Schon kommen international die ersten Warnungen: Mitsotakis müsse
sich weiterhin eng mit der EU und anderen Kreditgebern abstimmen.
Eine "herkulische Aufgabe" sieht das Deutsche Institut für
Wirtschaftsforschung (DIW): "Der Staatsapparat ist immer noch
ineffizient, die öffentliche Verwaltung funktioniert schlecht und
Produktmärkte sind überreguliert." Das DIW moniert das unzuverlässige
Steuersystem, die überbordende Bürokratie, die lahme Justiz.
Genau diese Bereiche will Mitsotakis anpacken. Ob es ihm gelingt, ist
nicht zuletzt eine Frage der Kontrolle über seine Partei. In der Nea
Dimokratia reicht das Spektrum der Mitglieder von der gemäßigten
Mitte bis hin zu rechts außen; auch Politiker alter Prägung sind
dabei, jene, die das Land einst durch Vetternwirtschaft und
Korruption an den Rand des Abgrunds manövriert hatten.
Bisher gibt sich der neue Premier stark – griechische Parteien werden
traditionell vom Vorsitzenden geprägt, ganz wie es bei Tsipras der
Fall ist. Entsprechend erklärte Mitsotakis vergangene Woche vor
Journalisten: "Wenn die Nea Dimokratia am Sonntag gewinnt, hat das
Volk vor allem mich gewählt."
(ll/dpa)
Der russische Präsident Wladimir Putin hat nicht nur Schwierigkeiten, immer neue Soldaten für den Krieg zu rekrutieren, sondern auch mit einem akuten Mangel an Fachkräften im Land zu kämpfen.