Seit Monaten hat er sein Schicksal herausgefordert, jetzt hat es Jair Bolsonaro erwischt: Der brasilianische Präsident hat sich mit dem Coronavirus infiziert. "Das Testergebnis ist positiv", sagte er am Dienstag vor Journalisten. "Ich fühle mich vollkommen gut. Ich habe sogar Lust, spazieren zu gehen, aber auf ärztliche Empfehlung hin werde ich das nicht tun."
Als er das der Presse mitteilte, sorgte er gleich für den nächsten Aufschrei. Der brasilianische Präsident nahm vor den Kameras der Reporter seine Maske ab. "Schaut euch mein Gesicht an, es geht mir gut", sagt Bolsonaro.
Am Tag zuvor hatte der Staatschef über Fieber und Gliederschmerzen geklagt. Daraufhin sagte er einige Termine ab und machte in einem Militärkrankenhaus in der Hauptstadt Brasília einen Coronatest.
Wer glaubt, dass Bolsonaro nach seinem positiven Corona-Test nun in seiner Politik umschwenkt und angesichts seiner gesundheitlichen Situation nun vielleicht sogar der Wissenschaft vertraut, der liegt falsch.
Denn Bolsonaro verkündete prompt, nach dem positiven Ergebnis nun das umstrittene Mittel Hydroxychloroquin einnehmen zu wollen. Die Wirksamkeit des Malaria-Mittels gegen die Lungenerkrankung Covid-19 ist bislang nicht bewiesen.
In einem Video zeigt Bolsonaro sich seinen Anhängern grinsend, wie er das Medikament einnimmt. "Wir wissen, dass die Wirksamkeit von Hydroxychloroquin wissenschaftlich nicht nachgewiesen ist. Aber ich glaube daran. Und Sie?"
Genau wie sein Vorbild in Washington hält auch der "Tropen-Trump" das Medikament aber für ein Wundermittel. Bolsonaro kämpft also auch nach seiner Infektion gegen alles Rationale an.
Brasilien ist neben den USA derzeit einer der Brennpunkte der Corona-Pandemie. Bislang haben sich in dem größten Land Lateinamerikas 1.6 Millionen Menschen nachweislich mit dem Coronavirus infiziert, 65.487 Patienten sind im Zusammenhang mit der Lungenkrankheit Covid-19 gestorben. Experten gehen davon aus, dass die tatsächlichen Zahlen noch deutlich höher liegen, da in Brasilien nur recht wenig getestet wird.
"Ich hoffe, dass sich der Präsident vom Coronavirus erholt, damit er Rechenschaft über seine Aktionen während der Pandemie ablegen kann", schrieb der Politologe Maurício Santoro von der Universität Rio de Janeiro auf Twitter. "Die Zehntausenden Toten und ihre Angehörigen verdienen diese Geste des Respekts."
Die brasilianische Regierung hat die Pandemie von Anfang an heruntergespielt. Bolsonaro selbst bezeichnete das Coronavirus immer wieder als "leichte Grippe" und stemmte sich gegen Schutzmaßnahmen. Immer wieder zeigte er sich ohne Mundschutz in der Öffentlichkeit, ließ sich von seinen Fans feiern, löste Massenaufläufe aus und machte Selfies mit Anhängern.
"In meinem speziellen Fall, aufgrund meines sportlichen Hintergrunds, müsste ich mir keine Sorgen machen, wenn ich mit dem Virus infiziert wäre", sagte er einmal. Tatsächlich war Bolsonaro in seiner Militärzeit ein guter Fünfkämpfer. Mit 65 Jahren gehört er mittlerweile allerdings zur Risikogruppe. Zudem war er in den vergangenen Jahren mehrfach operiert worden, nachdem er während des Wahlkampfs 2018 von einem Attentäter schwer mit einem Messer verletzt worden war.
Auch am Wochenende war Bolsonaro wieder viel unter Menschen, teilweise ohne Maske: Am Samstag nahm er gemeinsam mit mehreren Ministern und einem seiner Söhne an einem Essen anlässlich des amerikanischen Unabhängigkeitstages in der US-Botschaft teil. Zudem flog er in den Bundesstaat Santa Catarina, um sich nach den schweren Unwettern ein Bild der Lage zu machen.
Im Streit um den richtigen Umgang mit der Pandemie warfen bereits zwei Gesundheitsminister das Handtuch. Zuletzt legte Bolsonaro sein Veto gegen eine Maskenpflicht in geschlossenen Räumen wie Kirchen, Geschäften und Schulen ein. Der rechte Staatschef fürchtete vor allem die wirtschaftlichen Schäden eines Lockdowns. "Das Leben geht weiter. Brasilien muss produzieren", sagte er am Dienstag. "Müssen wir uns wegen des Virus Sorgen machen? Ja. Aber auch wegen der Arbeitslosigkeit, die es ebenfalls gibt."
Zwar haben eine Reihe von Bundesstaaten und Städten auf eigene Faust Schutzmaßnahmen ergriffen, allerdings werden die Einschränkungen an vielen Orten bereits wieder gelockert. In der Millionenmetropole Rio de Janeiro etwa öffneten sogar Restaurants und Bars wieder, auf der Strandpromenade an der Copacabana tummeln sich bereits wieder zahlreiche Menschen.
(hau/dpa)