Bei Angriffen der syrischen Armee auf die letzte verbliebene Rebellenhochburg in Ost-Ghuta sind Dutzende Menschen getötet worden. Hilfsorganisationen berichteten in der Nacht zum Sonntag von einem mutmaßlichen Einsatz von Chemiewaffen. Nach Angaben der Weißhelme hatte ein Hubschrauber am Samstagabend eine Fassbombe mit Chemikalien über der Stadt Duma abgeworfen.
Dabei seien mindestens 150 Menschen getötet und mehr als 1000 verletzt worden. Ganze Familien seien in ihren Schutzunterkünften erstickt. Die Zahl der Opfer steige beständig. Auf ihrem Twitter-Konto veröffentlichten die Helfer schockierende Fotos der mutmaßlichen Opfer.
Auch die Hilfsorganisation UOSSM geht von einem Giftgasangriff aus. Sie bezifferte die Zahl der Toten am Sonntag mit "weit über 70", befürchtet aber, dass sie auf über 100 steigen könnte. Retter hätten große Probleme, an die Opfer zu gelangen.
Es sei über den Geruch von Chlor berichtet worden, Retter glaubten jedoch an die Verwendung von Sarin-Gas, sagte ein Sprecher. Die Berichte konnten zunächst nicht unabhängig verifiziert werden.
Die US-Regierung prüft Berichte über einen möglichen Giftgasangriff und sieht möglicherweise Handlungsbedarf. Man folge den beunruhigenden Nachrichten über einen weiteren mutmaßlichen Einsatz von Chemiewaffen in Syrien genau, teilte Außenministeriums-Sprecherin Heather Nauert mit:
Sollten sich die Berichte bestätigen, sei eine sofortige Antwort der internationalen Gemeinschaft gefordert.
Die USA machten Russland für die Attacke mitverantwortlich:
US-Präsident Donald Trump wandte sich direkt an Russlands Präsidenten Wladimir Putin:
Es werde ein hoher Preis zu zahlen sein, kündigte Trump an ohne, ohne Details zu nennen. "Öffnet das Gebiet sofort für humanitäre Hilfe und zur Begutachtung", schrieb er.
Das russische Militär und die syrische Führung wiesen die Vorwürfe zurück. Es handele sich um "fabrizierte Anschuldigungen", sagte Generalmajor Juri Jewtuschenko der Agentur Interfax. Das russische Außenministerium bezeichnete die Vorwürfe als Provokationen, die lediglich für die Terroristen und die radikale Opposition von Vorteil seien, die nicht zu einer politischen Lösung bereit seien.
Die staatliche syrische Nachrichtenagentur Sana berichtete, dass die Giftgas-Vorwürfe dazu dienen sollten, den Vormarsch der syrischen Armee auf die Rebellenhochburg Duma zu stoppen. Dies werde jedoch nichts nützen, zitierte die Agentur eine nicht näher benannte "offizielle Quelle". Der syrische Staat sei gewillt, Terrorismus auf jedem Quadratzentimeter in Syrien zu beenden.
Die syrische Armee brauche keine chemischen Waffen einzusetzen, weil sie bei den Gefechten die Oberhand habe, sagte Außenamtssprecher Bahram Ghassemi.
Vor genau einem Jahr hatten die USA auf einen anderen Giftgas-Einsatz reagiert und einen Militärflughafen der syrischen Armee angegriffen. Sowohl Trump als auch Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hatten den Einsatz von Giftgas in Syrien immer wieder als rote Linien bezeichnet.
Dabei gab es in der Vergangenheit zahlreiche Belege für den Einsatz chemischer Waffen in dem mittlerweile sieben Jahre andauernden Bürgerkrieg. Allein in 16 Fällen machte die Menschenrechtskommission der Vereinten Nationen die syrische Regierung eindeutig für Giftgasangriffe verantwortlich.
Auch in Ost-Ghuta wurden bereits Chemiewaffen eingesetzt. Am 21. August 2013 starben mehr als 1400 Menschen durch das Nervengift Sarin. Kurz darauf forderte der UN-Sicherheitsrat Syrien auf, sein Chemiewaffenarsenal zu zerstören. Dennoch kam es danach immer wieder zu Giftgaseinsätzen.
Papst Franziskus verurteilte den Einsatz chemischer Waffen in aller Schärfe:
Zahlreiche Staaten verurteilten den mutmaßlichen Giftgasangriff scharf.
Der Sprecher des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan sagte, dass alle Angriffe gegen unschuldige Menschen ein Verstoß gegen internationales Recht seien. "In diesem Zusammenhang muss das syrische Regime für solche Angriffe, die es in vielen Teilen des Landes zu unterschiedlichen Zeiten durchgeführt hat, zur Rechenschaft gezogen werden."
Das britische Außenministerium teilte mit, dass der Angriff, wenn er sich die Berichte als korrekt herausstellten, "ein weitere Beweis für die Brutalität Assads gegen unschuldige Zivilisten" seien. Die EU forderte Russland und den Iran auf, ihren Einfluss auf den syrischen Machthaber zu benutzen, um die Gewalt zu verringern.
(dpa)