
In Belèm in Nordbrasilien wurden die Lockdown-Maßnahmen beendet und die Geschäfte wieder eröffnet. Seither ist die Zahl der Neuinfektionen enorm gestiegen.Bild: imago images / Fotoarena
International
Während Europa erst einmal das
Schlimmste hinter sich hat und langsam zu so etwas wie Normalität
zurückkehrt, steuert die Corona-Pandemie in Lateinamerika auf einen
Höhepunkt zu. Die Infektionszahlen steigen rasant. Das
Gesundheitswesen ist am Limit. Die Wirtschaft liegt darnieder. Wie
gehen die verschiedenen Staaten mit der Krise um?
Die Zahlen
Die Länder sind unterschiedlich stark betroffen.
Spitzenreiter ist Brasilien mit fast 800.000 nachgewiesenen
Infektionen und rund 40.000 Toten. In Peru haben sich offiziell mehr
als 200.000 Menschen infiziert, in Chile etwa 150 000. Mexiko meldet
rund 134.000 Infektionen und fast 16.000 Todesfälle. In Argentinien
hingegen ist die Lage mit gut 25.000 Infektionen und rund 700
Todesfällen noch weitgehend unter Kontrolle. Mancherorts wird
allerdings äußerst wenig getestet, so dass die tatsächlichen
Infektionszahlen viel höher liegen dürften.
Die Maßnahmen
Die Regierungen haben ganz unterschiedlich auf
die Pandemie reagiert. Brasiliens Präsident Jair Bolsonaro tut das
Virus als "leichte Grippe" ab. Er stemmt sich gegen jede Art von
Schutzmaßnahmen. Einige Bundesstaaten und Städte haben zwar
Ausgangssperren verhängt und die Schließung von Betrieben und
Geschäften angeordnet. Aber es wird schon wieder gelockert. Vor
Einkaufszentren in Sao Paulo bildeten sich lange Schlangen. Rio de
Janeiro erinnert auch schon wieder an die Tage vor der Pandemie.

In Rio de Janeiro herrscht fast schon wieder Normalzustand.Bild: imago images / ZUMA Wire
In Mexiko rief die Regierung nach langem Zögern die Bevölkerung
auf, zu Hause zu bleiben – Pflicht ist das aber nicht. Manche
Industrien wurden als unerlässlich eingestuft, der Rest musste
vorübergehend den Betrieb einstellen. In Lebensmittelgeschäften gilt
Maskenpflicht, nicht aber in allen Behörden. Argentinien hingegen
verhängte bereits Mitte März eine weitgehende Ausgangssperre, die
zumindest im Großraum Buenos Aires noch bis heute gilt.
Die Bevölkerung
Die Akzeptanz der Maßnahmen hängt auch von der
wirtschaftlichen Lage ab. In Peru gelten sehr strenge
Ausgangsbeschränkungen, trotzdem verzeichnet der Andenstaat nach
Brasilien die meisten Infektionen. Dort – wie auch in Mexiko und
anderswo – sind viele Menschen im informellen Sektor beschäftigt.
Schuhputzer, Müllsammler, fliegende Händler und Tagelöhner können es
sich oft nicht leisten, zu Hause zu bleiben. In Brasilien waren trotz
Ausgangssperren Märkte noch voll. Die Argentinier respektierten die
Beschränkungen anfangs. Nach fast drei Monaten sind allerdings viele
mit der Geduld am Ende.
Wirtschaftliche Folgen
Sie sind verheerend. Die Weltbank sagt
für dieses Jahr einen Rückgang der Wirtschaftskraft um 7,2 Prozent
voraus. Die Folgen der Rezession dürften in Lateinamerika dramatisch
ausfallen, weil es kaum soziale Sicherungssysteme gibt.
Die
Organisation Aktion gegen den Hunger fürchtet, dass fast 30 Millionen
Menschen in die Armut stürzen könnten. So lockern manche Länder – wie
Brasilien, Kolumbien, Mexiko und Honduras – aus wirtschaftlichen
Gründen bereits ihre Maßnahmen, obwohl die Kurven weiter steigen.
Einigen Ländern fehlt es an Geld, ihre Wirtschaft anzukurbeln.
In Mexiko – zweitgrößte Wirtschaft Lateinamerikas nach Brasilien – bleibt die Regierung bei ihrer Sparpolitik. Das ohnehin
unterfinanzierte Gesundheitssystem ist an seinen Grenzen. Ärzte in
Krankenhäusern müssen Schutzausrüstung selbst kaufen. Argentinien
versucht, die größten Härten abzufedern. Neun Millionen Menschen, die
arbeitslos sind, im informellen Sektor arbeiten oder nur sehr wenig
verdienen, erhalten pro Monat 10.000 Peso (rund 130 Euro)
Staatshilfe. Kleinunternehmern werden zinslose Kredite gewährt.
Die Präsidenten
Nicht alle werden ihrer Vorbildfunktion in der
Pandemie gerecht. Während sich Argentiniens Staatschef Alberto
Fernández als besonnener Krisenmanager gibt, schlägt der Brasiliens
Präsident Bolsonaro alle Warnungen in den Wind. Er lässt sich von
Anhängern feiern – Selfies ohne Maske inklusive.
Mexikos Präsident
Andrés Manuel López Obrador behauptet entgegen der Statistiken seiner
eigenen Regierung schon seit einem Monat, die Infektionskurve sei in
Mexiko abgeflacht. Mit Mundschutz sieht man den Linkspopulisten nie.
Grenzen und Tourismus
In Lateinamerika sind die Grenzen
weitgehend dicht. Auf dem Landweg dürfen lediglich Gütertransporte
die Grenzen passieren. Auch Flüge sind in einigen Ländern noch
möglich. Allerdings wollen erste Länder wie Kuba bereits bald ihre
Grenzen wieder öffnen.
Dahinter dürften handfeste wirtschaftliche
Interessen stecken: In Mexiko, der Dominikanischen Republik und
vielen anderen Karibikstaaten gehört der Tourismus zu den wichtigsten
Wirtschaftszweigen. Costa Rica und Kolumbien wollen im Ökotourismus
Beschäftigte erst einmal in anderen, "grünen" Jobs
unterbringen.
(vdv/dpa)
Friedrich Merz will Bundeskanzler werden. Doch das Vertrauen in den Unions-Kanzlerkandidaten bröckelt massiv. In den vergangenen Monaten sorgte Merz mit seiner harten Linie in der Migrationspolitik, Angriffen auf die Ampel-Regierung und seinen Aussagen zur AfD für heftige Debatten.