Im US-Senat ist die Anklage für das zweite Amtsenthebungsverfahren gegen den ehemaligen Präsidenten Donald Trump verlesen worden. Wort für Wort trug der führende Anklagevertreter der Demokraten im US-Repräsentantenhaus, Jamie Raskin, am Montag (Ortszeit) die Resolution vor, in der Trump persönlich mitverantwortlich gemacht wird für den Angriff seiner Anhänger auf das US-Kapitol am 6. Januar. Vor der Verlesung hatten die sogenannten Impeachment-Manager um Raskin die Anklageschrift mit dem Vorwurf "Anstiftung zum Aufruhr" in einer Prozession von der einen zur anderen Kongresskammer im Kapitol gebracht.
Der Demokrat Joe Biden löste Trump vergangenen Mittwoch als Präsident ab. Trump könnte durch das Verfahren im Senat aber im Falle einer Verurteilung mit einer lebenslangen Ämtersperre auf Bundesebene belegt werden. Das würde mögliche Pläne Trumps für eine erneute Bewerbung um die Präsidentschaft im Jahr 2024 zunichte machen. Die Ereignisse am 6. Januar haben aus Sicht der Demokraten gezeigt, dass Trump eine Bedrohung der nationalen Sicherheit, der Demokratie und der Verfassung ist, wie es auch in der Anklage heißt.
Vor dem eigentlichen Beginn des Amtsenthebungsverfahrens in der zweiten Februarwoche steht an diesem Dienstag die Vereidigung des Vorsitzenden des Verfahrens an, der wiederum den 100 Senatorinnen und Senatoren den Eid abnimmt. Die Senatoren nehmen in dem Prozess die Rolle von Geschworenen ein und treffen die endgültige Entscheidung.
US-Medien berichteten übereinstimmend, dass voraussichtlich der dienstälteste Senator, der Demokrat Patrick Leahy, das Verfahren leiten soll - nicht der Vorsitzende Richter am Supreme Court, John Roberts. Nach den Verfahrensregeln leitet der Vorsitzende Richter am Supreme Court Amtsenthebungsverfahren gegen den US-Präsidenten im Senat. Der Sender CNN berichtete am Montag aber, da Trump nicht mehr Präsident sei, werde mit Leahy voraussichtlich ein Senator zuständig sein.
Die Verlesung der Anklage, die Vereidigung des Vorsitzenden und der Senatoren sowie erste Stellungnahmen des Angeklagten und der Ankläger sind nach Angaben des Forschungsdienstes des US-Kongresses (CRS) Teil der Vorbereitungen des Verfahrens. Den eigentlichen Beginn des Verfahrens markiert demnach das Eröffnungsplädoyer der Ankläger des Repräsentantenhauses, gefolgt von dem der Verteidigung.
Aufgebrachte Trump-Unterstützer waren Anfang Januar gewaltsam in das Kapitol eingedrungen, nachdem Trump unweit des Weißen Hauses eine aufstachelnde Rede gehalten hatte. Im Kapitol war zu dem Zeitpunkt der Kongress zusammengekommen, um den Wahlsieg Bidens formell zu bestätigen. Fünf Menschen kamen bei den Krawallen ums Leben, darunter ein Polizist.
Für eine Verurteilung Trumps wäre eine Zweidrittelmehrheit der anwesenden Senatoren nötig. Dafür brauchen die Demokraten mindestens 17 Stimmen republikanischer Senatoren. Ob sie diese Stimmen bekommen, ist unklar. Im Fall einer Verurteilung würde in einer zweiten Abstimmung eine einfache Mehrheit ausreichen, um die von den Demokraten geforderte Ämtersperre gegen Trump zu verhängen.
Trump musste sich schon einmal einem Amtsenthebungsverfahren stellen, das im Februar vergangenen Jahres mit einem Freispruch im Senat endete. Damals kontrollierten seine Republikaner noch die Kammer.
Biden, der sich mit Blick auf das Amtsenthebungsverfahren gegen seinen Vorgänger weitgehend bedeckt hält, sagte dem Nachrichtensender CNN, er glaube nicht, dass 17 Republikaner für eine Verurteilung Trumps stimmen würden. Er sprach sich aber für das Verfahren aus. "Ich denke, dass es geschehen muss."
Die Anklagevertreter und die Verteidiger haben nun zwei Wochen Zeit, an ihren Schriftstücken für das Amtsenthebungsverfahren zu arbeiten. Bis zum 8. Februar sollen schriftliche Argumente des Repräsentantenhauses und der Trump-Anwälte vorliegen. Das eigentliche Impeachment-Verfahren im Senat würde dann am 9. Februar beginnen. Demokraten und Republikaner im US-Senat hatten sich am Freitag auf die zweite Februar-Woche als Termin für den Beginn der Verhandlung geeinigt.
Der Senat will sich bis zum eigentlichen Start des Verfahrens um andere Angelegenheiten kümmern. Das kommt Biden entgegen, da er für die Bestätigung seiner nominierten Kabinettsmitglieder und andere Top-Personalien auf die Zustimmung des Senats angewiesen ist. Am Montag wurde Janet Yellen als erste Finanzministerin des Landes bestätigt - der Großteil von Bidens Kandidatinnen und Kandidaten wartet aber noch auf grünes Licht der Kammer.
(pas/dpa)