Stößt er Netanjahu vom Thron?bild: imago/montage watson
International
Die Ära von Ministerpräsident Netanjahu droht zu enden. Sein größter Konkurrent ist sein ehemaliger Armee-Chef Benny Gantz.
Es wird eng bei den Parlamentswahlen für Benjamin Netanjahu. Der Parteivorsitzende des konservativen Likud droht sein Amt als Ministerpräsident zu verlieren. Kritiker werfen Netanjahu schon lange vor, immer weiter nach rechts abzudriften. Netanjahus größter Konkurrent wirkt daneben auf den ersten Blick liberal: Benny Gantz.
Es wird eng: Gantz' "Blau-Weiß"-Bündnis gegen Natanjahus Likud-Partei.bild: imago
Der Privatmann
Gantz Mutter, Malka Gantz (geborene Weis), stammte ursprünglich aus Mezőkovácsháza, einer ungarischen Kleinstadt. Von den Nazis wurde sie nach Bergen-Belsen (im heutigen Niedersachsen) deportiert. Sie überlebte den Holocaust und gilt als Heldin, nachdem sie im KZ einem jungen Mädchen das Leben rettete. Nach dem 2. Weltkrieg ging sie nach Israel, 1947, an Bord der "Haim Arlosoroff". Gantz' Vater Nahum floh aus Rumänien nach Israel, wo Nahum und Malka heirateten. Das Ehepaar gehörte zu den Mitbegründern von Moshav Kfar Ahim, einer gemeinschaftlich organisierten Bauern-Community im Süden des Landes. Benjamin "Benny" Gantz wurde 1959 in Kfar Chaim geboren. Mit seiner Frau Revital hat er vier Kinder und lebt in der Stadt Rosh HaAyin.
Gantz' Frau Revital ist im Wahlkampf an seiner Seite.bild: imago
Im Februar 2018 wurde Gantz von der amerikanisch-israelischen Journalistin Navarone Jacobs vorgeworfen, sie als 14-Jährige in den 1970ern Jahren missbraucht zu haben. Gantz wies dies zurück. Sein Einwand: Jacobs sei von der "Likud"-Partei (für die sie tatsächlich Wahlwerbung macht) instrumentalisiert worden. Im Februar 2019 erstatte Gantz Anzeige gegen Jacobs. Der Fall liegt dem Gericht von Tel Aviv vor, ob es zur Verhandlung kommt, ist noch nicht bekannt.
Der Soldat
Direkt nach der Schule, im Alter von 18 Jahren, ging Gantz als Freiwilliger zur israelischen Armee. Dort kam er zunächst zu den Fallschirmjägern. 1979, bereits im Alter von 21 Jahren, wurde er Offizier. Während seiner militärischen Laufbahn diente Gantz in verschiedenen Teilstreitkräften. 1987 wurde er Fallschirmtruppen-Kommandeur. Von 2011 bis 2015 war er der 20. Generalstabschef der Israelischen Verteidigungsstreitkräfte und zuvor von 2005 bis 2007 Oberbefehlshaber des israelischen Heeres. Als solcher arbeitete er eng mit seinem heutigen Konkurrenten Benjamin Netanjahu zusammen.
Ein Todesfall in der Armee von 1999 haftet Gantz negativ an: Der 19-jährige Unteroffizier Madhat Yusuf wurde bei einem Einsatz von einem palästinensischen Scharfschützen an der Schlagader getroffen. Die Sicherheitskräfte, die Yusuf hätten evakuieren sollen, trafen nicht ein. Yusuf verblutete nach vier Stunden. Seine Hinterbliebenen werfen Gantz, der bei diesem Einsatz Befehlshaber der Armee war, unterlassene Hilfeleistung vor.
Alte Zeiten: Netanjahu, Verteidigungsminister Moshe Ya alon und Gantz im August 2014. bild: imago
Während seiner umfassenden Militärlaufbahn erwarb Gantz mehrere akademische Abschlüsse: Er hat einen Bachelor-Abschluss in Geschichte, einen Master of Arts in Politikwissenschaft und zwei Abschlüsse in militärischer Verteidigungsstrategie.
Der Politiker
Am 27. Dezember 2018 gründete Gantz eine neue politische Partei mit Namen Chosen LeJisra’el (zu deutsch: Widerstandskraft für Israel) und gab seine Kandidatur zur Parlamentswahl bekannt. Mit Jair Lapid, dem ehemaligen Finanzminister von Israel und dessen Partei Jesch Atid, gründete er das "Blau-Weiß"-Bündnis. Sie erklärten sich selbst zur neuen Zentrumspartei.
In der Bevölkerung ist Gantz beliebt, gerade, weil er nicht wie ein Profi-Politiker wirkt. Aus Sicht des israelischen Politikwissenschaftlers Yoram Peri ist dies ein großer Vorteil für Gantz, weil viele Israelis der Politik mittlerweile skeptisch gegenüber stehen und an erster Stelle der Armee vertrauen.
Peri sagt:
"Sie [die Israelis] denken: Die Generale sind bereit, ihr Leben für die Nation zu opfern. Die Politiker hingegen kümmern sich nur um sich."
Tagesschau, 7. April 2019
Als volksnahes Gegenstück von Netanjahu inszeniert sich auch Gantz selbst:
Gantz sagt:
"Wir alle verdienen einen Anführer, der morgens aufsteht und an uns denkt. Wir brauchen eine Regierung, die unsere realen Probleme löst und nicht nur mit sich selbst beschäftigt ist. Deshalb danke ich Premierminister Netanjahu für seine Dienste. Wir werden jetzt übernehmen."
Tagesschau, 7. April 2019
Politisch gilt Gantz zwar als liberal. In vielen Punkten teilen der ehemalige Armeechef und Netanjahu jedoch ähnliche Ansichten. Ein Abkommen mit Iran lehnt Gantz ab, gegenüber der Hamas fordert er härteres Vorgehen, eine mögliche Zweistaatenlösung mit den Palästinensern erwähnt Gantz nicht. Mit konkreten politischen Forderungen hält er sich aber ansonsten noch zurück. Er hat kurz nach seiner Kandidatur die Allianz mit dem ehemaligen Verteidigungsminister Netanjahus, Moshe Ya alon, verkündet.
Umfragen zufolge werden sich Netanjahu und Gantz bei der Stimmenauszählung ein Kopf-an-Kopf-Rennen liefern.
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