Politik
Interview

Geschäftsmann Trump? Deutscher Top-Manager Richenhagen findet deutliche Worte

Martin Richenhagen, Vorstandsvorsitzender AGCO Corporationn, Muenchen, 19.03.2013. Deutschland PUBLICATIONxINxGERxSUIxAUTxONLY Copyright: xUtexGrabowskyxx

Martin Richenhagen CEO Agco Munich 19 03 201 ...
Martin Richenhagen ist CEO der AGCO Corporation, einem der größten Landmaschinenhersteller der Welt.Bild: imago stock&people / Ute Grabowsky
Interview

Geschäftsmann Trump? Deutscher Top-Manager findet deutliche Worte

Der deutsch-amerikanische Top-Manager Martin Richenhagen stellt Donald Trump ein vernichtendes Zeugnis aus und rät von dessen Wahl ab – obwohl er ihm zunächst nicht abgeneigt war.
27.10.2020, 15:25
Mehr «Politik»

Im US-Wahlkampf beginnt der Endspurt. Nach dem zweiten TV-Duell vergangene Woche, bei dem Herausforderer Joe Biden mit Themen wie dem schlechten Corona-Management des Präsidenten und Klimaschutz ordentlich punkten konnte, wird es eng für den amtierenden US-Präsidenten Donald Trump.

Immer mehr Prominente bekennen sich in den USA zu ihrer politischen Überzeugung und geben Wahlempfehlungen ab. Neben Country-Superstar Taylor Swift hat auch Dwayne "The Rock" Johnson, der bisher noch nie offen einen Kandidaten empfohlen hat, seine Unterstützung für Joe Biden offengelegt.

Gleichzeitig rumort es auch in der eigenen Partei: Selbst republikanische Politiker wie Ex-Gouverneur Arnold Schwarzenegger und Ex-Präsidentschaftskandidat Mitt Romney distanzieren sich öffentlich von Donald Trump. Und auch in der Wirtschaft regt sich Widerstand gegen den US-Präsidenten, der im Wahlkampf vor allen Dingen mit seiner Wirtschaftskompetenz punkten will.

Martin Richenhagen ist einer der wichtigsten Manager der USA. Er ist der einzige deutsche CEO eines US-Fortune-500-Unternehmen. Der gebürtige Rheinländer ist seit 16 Jahren Vorstandschef des US-Landmaschinenherstellers AGCO, ein Weltkonzern, der mit 20.000 Mitarbeitern und 9 Mrd. Dollar Umsatz zu den weltweiten größten der Branche und den umsatzstärksten Unternehmen der USA zählt.

Watson wollte von Martin Richenhagen wissen, was ihn dazu bewogen hat, sich so offen gegen den US-Präsidenten zu stellen – und ob er es selbst vielleicht besser könnte.

Über Donald Trump:

"Wir haben ihn nie wahrgenommen, außer in Reality-TV-Shows."

watson: Herr Richenhagen, vor Ihrer Karriere in der Wirtschaft waren Sie Religionslehrer. In einem Interview sagten Sie, wären Sie immer noch Lehrer, hätten Sie Trump eine glatte Sechs gegeben. Das heißt, er soll nochmal die Klasse wiederholen und nochmal vier Jahre Präsident sein, solange, bis er es kann?

Martin Richenhagen:
(lacht) Nein. Das kann man auch anders interpretieren. Ich würde mir wünschen, es gäbe keine zweite Amtszeit.

Weshalb genau halten Sie ihn für so ungeeignet?

Der Präsident hat die US-amerikanische Gesellschaft ganz tief gespalten. Das wird auch nicht enden, sondern schlimmer werden. Auch für die Wirtschaft, die mir besonders am Herzen liegt, hat das negative Konsequenzen. Trump ist kaum vorhersehbar und die Wirtschaft braucht Planbarkeit.

Hätten Sie das erwartet, als er kandidierte, oder hatten Sie größere Erwartungen an ihn als Präsidenten?

Es war mir natürlich klar, dass das eine sehr ungewöhnliche und schillernde Person ist. Ich hatte daher keine großartigen Erwartungen an ihn. Aber ich war zumindest der Meinung, dass auch ein Donald Trump eine Chance verdient. Im Laufe der Zeit habe ich mir aber ein klareres Bild machen können und kann mir daher ein ernsthafteres Urteil erlauben.

Er selbst gibt sich als erfolgreicher Unternehmer und wirbt im Wahlkampf mit "Jobs, Jobs, Jobs". Man sollte meinen, Sie als CEO eines der größten US-Unternehmen sollten so jemanden befürworten…

Er ist eigentlich kein Mann der Wirtschaft. Wir haben ihn nie wahrgenommen, außer in Reality-TV-Shows. Wir haben ihn auch bei Wirtschaftsverbänden nie getroffen. Erst, als er dann gewählt worden ist, hat er sich ein bisschen um die Wirtschaft bemüht. Ich würde ihn eher als einen Immobilienspekulanten bezeichnen als einen wirklichen Unternehmer.

"Bisher habe ich keine Verhandlung erlebt, die er geführt hat, die zu einem vernünftigen oder gar besseren Ergebnis gekommen ist."

Und wie steht es um seine wirtschaftliche Kompetenz, etwa in den Außenhandelsbeziehungen?

Trump hat von wirtschaftlichen Zusammenhängen wenig Ahnung. Er hält sich zwar für einen unglaublich guten Verhandler und bezeichnet sich immer gern als Dealmaker. Bisher habe ich keine Verhandlung erlebt, die er geführt hat, die zu einem vernünftigen oder gar besseren Ergebnis gekommen ist. Bei den Gesprächen mit Mexiko ist nicht viel mehr rausgekommen, als vorher schon vereinbart worden ist, und die Verhandlungen mit China sind eine absolute Katastrophe. Auch die Dialoge mit der EU sind geprägt von Sanktionen, Zöllen und Drohgebärden.

Spüren Sie die negative Wirkung seiner Politik auch in Ihrem Unternehmen?

In unserer Branche merken wir das sehr stark. Wir sind ein in den USA börsennotiertes Unternehmen und der amerikanische Markt ist für uns sehr wichtig. Unsere US-amerikanischen Kunden haben sehr stark unter den Reaktionen Chinas gelitten. Als Trump begonnen hat, die Chinesen mit Sanktionen zu belegen, haben diese blitzschnell reagiert und sofort aufgehört, Soja-Bohnen, Mais, Geflügel- und Schweinefleisch aus den USA zu kaufen. Und das in einem Volumen von jährlich 45 bis 50 Milliarden US-Dollar. Das war für unsere Kunden, die von der Landwirtschaft leben, natürlich eine Katastrophe. Das hat dann auch bei uns im Unternehmen zu einem Rückgang im Maschinenmarkt geführt.

"Meine Kritik an Trump ist bekannt. So richtig begeistert hat mich keiner, aber menschlich war Barack Obama eine sehr sympathische Erscheinung."

Sie sind seit 2004 in den USA und seit 16 Jahren CEO von AGCO. Dadurch haben Sie die Präsidenten Bush, Obama und Trump erlebt. Wie waren Trumps Vorgänger?

Ich habe alle drei auch persönlich getroffen und konnte mir daher auch ein ganz gutes Bild machen. Wirtschaftspolitisch war George W. Bush wahrscheinlich der effizienteste. Außenpolitisch gab es unterschiedliche Probleme, Bushs Irakkrieg hat für einige Kritik gesorgt. Obama hat eine dringend erforderliche Steuerreform nicht anpacken wollen und war viel mehr an Asien interessiert als an Europa.

Wen fanden Sie persönlich am besten?

Meine Kritik an Trump ist bekannt. So richtig begeistert hat mich keiner, aber menschlich war Barack Obama eine sehr sympathische Erscheinung. Er hatte eine gute ethische und moralische Basis und einen guten Stil. Auch George W. Bush würde ich das attestieren. Er ist sehr unterschätzt worden in Europa und wurde immer als sehr dumm charakterisiert. Inzwischen hat er aber auch einige gute Bücher geschrieben. Er ist jemand, der viel mehr draufhat, als man in Deutschland anerkennt.

"Trump hat etwas entdeckt, was viele Vorgänger vernachlässigt haben."

Haben wir in Deutschland einen verklärten Blick auf die USA?

Ja. Das hat man auch bei der letzten US-Wahl gesehen. In Deutschland waren alle der Meinung, Hillary Clinton gewinnt ganz eindeutig die Wahl und waren erstaunt, als es anders kam. Ich war damals bei einigen TV-Talkshows und wenn ich gesagt habe, dass das knapp werden wird, hat man im Hintergrund gebuht (lacht). Die Deutschen verstehen Amerika nicht so richtig.

Und was verstehen wir Deutschen an Trump nicht?

Trump hat etwas entdeckt, was viele Vorgänger vernachlässigt haben. Er hat sich um die Abgehängten bemüht, die einfachen Leute, die Leute auf dem Land. Menschen mit nicht so guter Ausbildung und einfachen oder auch ohne Jobs. Das führt auch heute noch dazu, dass er eine vergleichsweise stabile Basis hat, die ihn jetzt auch wahrscheinlich wiederwählen wird.

Sie selbst leben in Georgia, einem Bundesstaat im sogenannten Bible Belt, der seit den 1990ern immer die republikanischen Präsidenten unterstützt hat. Werden Sie dort für Ihre Kritik an Trump angefeindet?

Wir leben in den USA in einer funktionierenden Demokratie und ich bin nun auch nicht der Einzige, der Trump kritisch betrachtet. Außerdem ist meine Kritik ausgewogen, ich renne nicht herum und bezeichne ihn als blöd. Wenn ich allerdings nach meiner Meinung gefragt werde, äußere ich die. Aber wie Sie auch an diesem Gespräch sehen, versuche ich, dabei sachlich zu bleiben. Man kann in Amerika unterschiedlicher Meinung sein und das wird auch toleriert.

Wäre Joe Biden der bessere Präsident?

Nein. Das ist ja das Dilemma. Die Republikaner hatten keine Alternative zu Trump und die Demokraten haben aktuell keine vernünftige Alternative zu Biden. Biden wird wahrscheinlich vorhersehbarer sein als Trump, was ein Vorteil ist. Sein Wahlkampf wird aber ganz stark als Anti-Trump-Wahlkampf geführt. So wie Trump zuvor seinen Wahlkampf als Anti-Hillary und Anti-Obama-Kampagne geführt hat. Programmatisch ist da aber noch viel zu wenig erkennbar von Biden.

PHILADELPHIA, PENNSYLVANIA - OCTOBER 21: Former U.S. President Barack Obama speaks at a drive-in rally for Democratic presidential nominee Joe Biden on October 21, 2020 in Philadelphia, Pennsylvania.  ...
Tritt nun auch öffentlich auf um Joe Biden zu unterstützen: Trumps Vorgänger, Barack Obama.Bild: Getty Images North America / Michael M. Santiago

Ich gehe davon aus, dass sich in der Handelspolitik bezogen auf Europa wenig ändert. Auch die Demokraten halten die Idee "Buy American" (ein Programm zur Förderung der heimischen Wirtschaft, etwa durch Ausschreibungen der öffentlichen Hand, bei denen US-Unternehmen bevorzugt werden, Anm. d. Red.) für gut. Das Handelsdefizit mit Deutschland und die zu geringen Nato-Beiträge werden auch weiter Thema sein. Aber im Ton würde es wahrscheinlich vernünftiger und stilvoller werden. Allerdings würde Biden wohl die Steuern erhöhen, und das ist nie gut für die Wirtschaft.

"Ich finde, dass sich Politiker zu lange an ein Amt klammern und nicht aufhören können."

Gibt es für Sie eine Partei, der Sie sich traditionell zugehörig fühlen?

Ich bin traditionell unabhängig, sowohl in Deutschland als auch in den USA. Von der Grundhaltung würde ich mich als liberalkonservativ bezeichnen. Ich stehe weder den Linken, noch den Grünen, noch der SPD besonders nahe. In den USA war allerdings in der Vergangenheit der Unterschied zwischen den Republikanern und den Demokraten nicht so groß, wie man meinen könnte. Ich hatte das Glück, dass ich viele Politiker, sowohl in Europa, China, wie auch in Süd- und Nordamerika kennenlernen durfte, darunter Bill Clinton, Bush Senior und Jimmy Carter. Und da mache ich keine Unterschiede nach Parteizugehörigkeit. Es gab auch demokratische Präsidenten, unter denen sich die Wirtschaft sehr gut entwickeln konnte.

Sie sind offensichtlich gut vernetzt und haben eine starke Meinung. Könnten Sie sich vorstellen, selbst in die Politik zu gehen? Ende des Jahres hören Sie als CEO von AGCO auf…

Wenn ich Ende des Jahres aufhöre, bin ich bereits 68-einhalb Jahre alt.

Donald Trump ist 74, Joe Biden 77 Jahre alt. Hohes Alter hindert auch die aktuellen US-Präsidentschaftskandidaten nicht…

Ich finde, dass eines der Probleme in der Politik ist, dass sich Politiker zu lange an ein Amt klammern und nicht aufhören können. Ich finde es gut, dass der deutsche Entwicklungsminister Gerd Müller von sich aus gesagt hat, dass er aufhört. Das ist aber ein eher seltenes Beispiel. US-Präsident kann ich außerdem gar nicht werden, dafür müsste ich in den USA geboren worden sein und zum Politiker bin ich nicht besonders geeignet, dafür bin ich zu gradlinig. Mein Prinzip ist, ich sage, was ich denke und ich tue, was ich sage, und das machen Politiker eher selten.

Im Austausch für Soldaten: Russland liefert Nordkorea heimlich wertvolle Güter

Die militärische Zusammenarbeit zwischen Russland und dem abgeschotteten Nordkorea hat sich offenbar intensiviert. Erst am 4. November besuchte Nordkoreas Außenministerin Choe Son Hui Moskau. Dabei traf sie sich mit dem russischen Außenminister Sergej Lawrow und unterstrich die Zusammenarbeit.

Zur Story