Markus Söder ist beliebt wie nie. Laut "Bayerntrend" des Bayerischen Rundfunks erreicht Söder 94 Prozent Zustimmung im Freistaat. Ein absoluter Rekordwert, mit dem er selbst Edmund Stoiber bei weitem überholt. Stoiber, einer von Söders Vorgängern im Ministerpräsidentenamt und Ziehvater, hatte 2003 einen bundesweiten Rekord mit 75 Prozent Zustimmung aufgestellt.
Nun ist Markus Söder dem "ARD-Deutschlandtrend" zufolge der mit Abstand beliebteste Politiker in der Geschichte der BRD. Auch in der K-Frage liegt er laut einer Umfrage weit vor seinen CDU-Rivalen. 27 Prozent wünschen sich in einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov, dass Söder der Kanzlerkandidat der Union wird. Abgeschlagen dahinter folgen Friedrich Merz mit 12 und NRW-Ministerpräsident Armin Laschet mit 8 Prozent.
Dass ein CSU-Politiker in Bayern beliebt ist, ist nicht neu. Aber Söders Beliebtheit strahlt über den Freistaat hinaus. Deutschland stellt sich die Frage: Kann Markus Söder Kanzler werden?
Wir haben jemanden gefragt, der bereits Helmut Kohl und Angela Merkel beraten hat und weiß, was es braucht um Kanzler zu sein. Werner Weidenfeld ist Professor für Politikwissenschaft und Herausgeber sowie Autor zahlreicher Standardwerke zu Politikwissenschaft und europäischer Einigung.
watson: Warum ist Markus Söder derzeit so erfolgreich?
Werner Weidenfeld: Der Höhenflug begann schon etwas früher, als Markus Söder das Amt des Ministerpräsidenten übernahm. Er hat die Menschen mit seiner Vertrauenswürdigkeit positiv angesprochen und das ist durch die Krise weiter ausgebaut worden. Die Krise fordert, den Blick auf die zu richten, an denen man sich im Überlebenstraining festhalten kann. Markus Söder ist eine standhafte Figur. Er ist vertrauenswürdig, zuverlässig und kalkulierbar.
Inwiefern hilft ihm sein Amt als Ministerpräsident in Bayern?
Seine persönliche Ausstrahlung verbindet sich mit dem Amtsbonus. Den können Sie auch bei Frau Merkel sehen. In dieser besonderen Herausforderung werden die Regierenden besonders positiv wahrgenommen.
Dass ein CSU-Politiker in Bayern besonders beliebt ist, ist nun nicht ungewöhnlich. Aber bei Markus Söder fällt auf, dass er auch auf Bundesebene so positiv gesehen wird. Wundert Sie das?
In der Zeit vor Corona war er der Repräsentant Bayerns. Das ist was Besonderes, Bayern ist Bayern (lacht). In so einer dramatischen Krisenzeit strahlt man aber auch bundesweit, egal ob man in Nordrhein-Westfalen Ministerpräsident ist oder in Bayern. Insofern wundert mich das nicht. Angenommen Sie leben in Kiel und sind besorgt wegen der Krise. Dann kommt der bayerische Ministerpräsident Markus Söder und zeigt, dass er sofort Maßnahmen trifft, noch bevor alle anderen Bundesländer sich einigen konnten. Da sind Sie beeindruckt, egal ob Sie in Kiel leben oder in München.
Das heißt, Markus Söder hat von seinem Vorpreschen in Sachen Ausgangsbeschränkung profitiert?
Das hat ihm etwas gebracht. Hinterhertapsen beeindruckt in gefährlichen Lagen nicht. Man möchte schnelles und entschlossenes Handeln.
Hat Markus Söder sich damit auch für die Kanzlerschaft qualifiziert?
Ich gehe nicht davon aus, dass uns jetzt ein Kanzlerrennen erwartet. Würde Markus Söder sich jetzt in Stellung bringen, könnte er nur verlieren, weil er bisher immer abgelehnt hat. Er trägt als Ministerpräsident von Bayern auch bundespolitische Verantwortung, aber nicht mehr als das. Würde er jetzt seine Meinung ändern, würde er seinen Nimbus als verantwortungsbewusster und zuverlässiger Landesvater verlieren.
Außerdem gab es noch nie einen CSU-Kanzler...
Man muss sehr vorsichtig sein bei CSU-Politikern hinsichtlich der Frage, ob sie wirklich eine Kanzlerschaft anstreben. Ein Franz-Josef Strauß ist damit gegen die Wand gefahren, ein Edmund Stoiber ebenfalls. Es ist eine andere Arena und ein großer Unterschied, ob Sie hoch angesehen sind als bayerischer Ministerpräsident, der bundesweit Verantwortung übernimmt oder eben Kanzler der gesamten Bundesrepublik. Da wäre ich auch sehr vorsichtig an der Stelle von Markus Söder.
Auch dann, wenn man laut Umfragen der beliebteste Politiker bundesweit ist?
Man darf von dem herausragenden Standing von heute nicht darauf schließen, dass das in zwei, vier oder sechs Jahren genauso ist. Das nenne ich fluides Stimmungsmilieu. Das heißt Folgendes: Es ist heute nicht mehr in Marmor gemeißelt, wie es vor einigen Jahrzehnten noch der Fall war, dass man von Stammwählern sprechen kann. Es ist heute sehr wechselhaft. Und so schnell wie Söder hochgekommen ist, kann es sich auch wieder abflachen. Ich wäre da zurückhaltend.
Ein weiterer Stern ist wieder aufgegangen, von dem man schon gedacht hätte, er befinde sich in der Endphase und würde bald verglühen. Bundeskanzlerin Angela Merkel ist wieder sehr beliebt. Sie waren unter anderem auch beratend für sie tätig und kennen sie vermutlich besser als die meisten. Was macht sie aktuell so erfolgreich?
Sie ist eine sehr abgewogene, nachdenkliche Spitzenpolitikern, die nichts überstürzt, sondern immer sehr intensiv überlegt. Auch in so einer Krise. Außerdem hat sie ihre politische Grundbildung am Rockzipfel von Helmut Kohl erfahren. Sie ist des Weiteren sehr, sehr zurückhaltend in der Interaktion und Kommunikation. Sie quatscht einen nicht tot mit etwas und enthüllt auch keine irrelevanten Details. Sie ist eher still im Vergleich zu anderen Spitzenpolitikern.
Sie spielen vermutlich auf ihren Vorgänger Gerhard Schröder an...
Gerhard Schröder war viel offensiver in der Kommunikation.
Und diese Zurückhaltung von Angela Merkel ist ein Vorteil als Kanzler?
In Krisenzeiten auf jeden Fall. Schauen Sie sich ihre Fernsehansprache zur Corona-Krise an. Das beeindruckt die Menschen tief, weil es nichts ist, was die Leute alle paar Tage hören. Sie verbraucht sich selbst nicht in einem kommunikativen Überaktivismus.