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Interview

Historikerin: "Nicht das erste Mal, dass Trump Nazi-Symbolik verwendet"

WASHINGTON, DC - JUNE 15: U.S. President Donald Trump listens during a roundtable on “Fighting for America’s Seniors” at the Cabinet Room of the White House June 15, 2020 in Washington, DC. President  ...
Donald Trump verwendete für eine Wahlkampf-Anzeige historisch vorbelastete Symbolik. Facebook löschte den Post.Bild: Getty Images North America / Pool
Interview

Historikerin: "Nicht das erste Mal, dass Trump Nazi-Symbolik verwendet"

20.06.2020, 13:15
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Nachdem Twitter einige von Donald Trumps Tweets kürzlich mit einem Warnhinweis versehen hatte, gibt es nun den nächsten Konflikt zwischen dem US-Präsidenten und einem sozialen Netzwerk.

Facebook hat 88 Posts von Donald Trump und seinem Kampagnen-Team gelöscht. Die Wahlwerbung hatte ein rotes Dreieck verwendet. Ein Symbol, das historisch vorbelastet ist.

Annika Brockschmidt ist Historikerin, Autorin und Journalistin. Sie erklärt, warum sie es nicht für einen Zufall hält, dass Trump dieses Symbol in einem Wahlkampfaufruf verwendet. Außerdem führt sie aus, was die Rhetorik des US-Präsidenten mit Hundepfeifen zu tun hat.

"Das ist nicht das erste Mal, dass Trump Nazi-Symbolik verwendet."

watson: Was ist das für ein Symbol, das Donald Trump in seiner Werbe-Anzeige auf Facebook verwendet hat?

Annika Brockschmidt:
Das ist ein auf den Kopf gestelltes rotes Dreieck. Das ist ein Symbol, das die Nazis in Konzentrationslagern verwendet haben, um politische Gefangene zu markieren. Gemeint waren vor allem Kommunisten, Sozialdemokraten und Gewerkschaftler.

Aus dem Weißen Haus kam die Reaktion, das sei nur ein Emoji. War das vielleicht einfach eine Verwechslung?

Das mag stimmen, dass das auch ein Emoji ist, aber der Kontext ist entscheidend. Dieses Symbol wurde benutzt, bei Werbeanzeigen, die die Proteste nach dem gewaltsamen Tod von George Floyd kritisieren. Dabei wird auch von "linksradikalen Mobs" gesprochen und die Antifa als linksradikale Terrororganisation gebrandmarkt. Das ist schon ein merkwürdiger Zufall, dass hierbei ein Symbol beifügt wird, dass von den Nazis gebraucht wurde, um politische Gegner in Konzentrationslagern zu markieren.

Nach dieser Symbolik waren die Kennzeichen von KZ-Häftlingen geordnet.
Nach dieser Symbolik waren die Kennzeichen von KZ-Häftlingen geordnet. Bild: US Holocaust Museum

Auch Verschwörungstheoretiker stellen Zusammenhänge her, indem sie Symbole vergleichen. Man könnte auch einwenden, dass es reine Interpretation ist, zu sagen, dass mit diesen Symbolen auch wirklich historische Nazi-Symbole gemeint sind. Es ist ja am Ende nur ein Dreieck…

Ja, aber der Unterschied ist, dass Verschwörungstheorien sich nicht mit Fakten belegen lassen. Die Verwendung dieser Nazi-Symbole allerdings schon. Das sind ganz reale Symbole für politische Gefangene, von denen anschließend auch viele in den KZs gestorben sind. Egal ob es nun Absicht war oder nicht: Diese Symbole in diesem Kontext zu verwenden, gibt eine ganz klare Botschaft ab. Das ist eine direkte historische Referenz.

Und denken Sie, dass es Absicht war?

Ich kann nicht in die Köpfe von Donald Trump oder seinem Wahlkampf-Team schauen, aber ich gehe nicht von einem Zufall aus. Das ist ja nicht das erste Mal, dass Trump Nazi-Symbolik verwendet.

Das Wahlkampf-Team von Donald Trump hat am Mittwoch 88 Facebook Werbeanzeigen geschaltet. Was hat es mit der Zahl auf sich?

Die 88 ist bekannt als Nazi-Code. Die Acht steht für den achten Buchstaben im Alphabet, das H und wird von Neo-Nazis als Code für "Heil Hitler" verwendet. Das Wahlkampf-Team hat offenbar keine Hemmungen, was die Nutzung solcher Symbole und Codes angeht.

"Das ist eine sehr starke Botschaft und dabei spielt es keine Rolle, ob der Präsident die Bibel falsch herum hält oder nicht, es kommt an."

Was für Beispiele gibt es noch?

2015 twitterte Donald Trump einen Wahlkampfaufruf, bei dem im Hintergrund Soldaten zu sehen waren, die SS-Uniformen trugen. 2016 gab es ein Poster, bei dem Hillary Clinton mit vielen Dollarscheinen zu sehen war. Zusätzlich wurde ein Davidstern darauf gedruckt, in dem stand: "korrupteste Kandidatin aller Zeiten". Wenn Sie wissen, dass Juden in antisemitischen Schriften gerne als raffgierig diffamiert werden, können Sie sich denken, dass das Symbol nicht zufällig gewählt wurde.

2015 machte Donald Trump mit diesem Poster Wahlwerbung.
2015 machte Donald Trump mit diesem Poster Wahlwerbung.Bild: twitter / realdonaldtrump

Wie hat Donald Trump auf die Kritik reagiert?

Im Nachhinein wurde das dann damit entschuldigt, dass das einen Sheriff-Stern darstellen soll. Das halte ich für wenig glaubwürdig. Für mich ist das ein Beispiel für "dog-whistle politics".

Das müssen Sie erklären. Was sind "dog-whistle politics"?

Das ist ein Begriff, der in den 1980er Jahren in den USA geprägt wurde. Das Konzept ist, dass populistische Politiker Wörter und Formeln verwenden, deren Bedeutung nur eine bestimmte Zielgruppe aus ihrem eigenen Wählerklientel versteht. Sie generieren Codes. Wie bei einer Hundepfeife, die für den Menschen nicht hörbar ist, aber für den Hund eben schon, wirken diese Botschaften, ohne den Kontext zu kennen, unauffällig. Aber diejenigen, die angesprochen werden, wissen, was gemeint ist.

Wie effektiv ist sowas für den Präsidentschaftswahlkampf in den USA?

Es hat den Vorteil, dass Donald Trump mit dieser Methode keine potenziellen Wähler verschreckt, weil die Masse diese Codes nicht kennt. Und trotzdem kann Trump damit bestimmte Gruppen ansprechen und ihnen die Message senden, dass er hinter ihnen steht.

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Annika Brockschmidt forscht unter anderem zu Kriegsverbrechen der Nazis während des Zweiten Weltkrieg. Für die Bundeszentrale für politische Bildung produziert sie seit 2020 den Geschichts-Podcast "histoPod".Bild: privat

Während der Proteste der "Black Lives Matter"-Bewegung in Washington hat Donald Trump sich den Weg zu einer Kirche mit Tränengas freischießen lassen, um anschließend davor mit einer Bibel zu posieren. Ist das auch eine Art Code?

Auch das sind "dog-whistle politics". Die Kirche ist dafür nur eine Kulisse. Die ganze Inszenierung sendet vor allem für eine wichtige Wählergruppe Trumps, weiße Evangelikale, die Nachricht, dass sie sich in einem heiligen Krieg gegen eine feindliche Umgebung befinden, aber der Präsident bei ihnen ist. Das ist eine sehr starke Botschaft und dabei spielt es keine Rolle, ob der Präsident die Bibel falsch herum hält oder nicht, die Bildsprache kommt bei der Zielgruppe an. Die Intention ist zweitrangig – die Wirkung tritt so oder so ein.

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