Eine hölzerne Eckbank, ein Tisch mit weiß-blauer Tischdecke. Darauf ein Korb mit Brezen, dahinter ein animiertes Bild der Altstadt von Passau, am Tisch sitzt CSU-Chef Markus Söder in weißem Hemd und schwarzer Lodenjacke und stichelt in die Leere des Raumes gegen die Grünen: An seltsame Szenen sind wir nach einem Jahr Corona-Pandemie gewöhnt. Aber die Szenerie beim digitalen Politischen Aschermittwoch der CSU war wirklich besonders bizarr.
Es gehört seit Jahrzehnten zur Tradition in Deutschland, dass prominente Politiker am Aschermittwoch, hauptsächlich in Bayern, vor Hunderten bis Tausenden Menschen ihre Sprüche auf die politischen Gegner loslassen. Auf dass die Hunderte und Tausende johlen, einander zuprosten und applaudieren. Und Journalisten am Schluss stoppen, wie lange der Applaus gedauert hat.
Viele junge Menschen waren eingeschüchtert
Jahr für Jahr haben sich an Aschermittwoch die Leute von den CSU-Ortsvereinen und den Grünen-Stammtischen zu diesen Politik-Partys getroffen. Die Parteien haben das Laute und die Geselligkeit gefeiert und ihre Stammwähler eingeschworen auf die kommenden Wahlen. Viele junge Menschen aber, die sich gerade heranwagten an die Politik, haben diese Veranstaltungen eingeschüchtert. Denn der Politische Aschermittwoch ist normalerweise das Fest derer, die schon mittendrin sind in den Parteien.
Veranstaltungen wie diese stehen in nicht pandemischen Zeiten für ein Problem, mit dem fast alle großen Parteien in Deutschland kämpfen: Während der Anteil der jungen Menschen steigt, die sich über Online-Petitionen, Demos oder bei NGOs an Politik beteiligen, macht nur ein Bruchteil davon in einer Partei mit.
Das Interesse an Politik ist groß, das an einer Mitgliedschaft etwa bei SPD oder FDP klein. Viele junge Menschen, die ihre Leidenschaft für Politik entdecken und in eine Partei hineinschnuppern, sitzen bei ihrem ersten Treffen im Ortsverein einer Gruppe grimmiger, älterer Herren gegenüber, die wenig von jungen Ideen und viel vom Motzen über die Graffitisprayer im Park oder die Ampelschaltung an der Hauptstraße halten. Das schreckt junge Menschen ab. Und die verzichten dann darauf, sich in Parteien einzubringen.
Parteien brauchen junge Mitglieder
Das ist ein Problem, weil in einer parlamentarischen Demokratie Parteien entscheidend sind für die Richtung, die das Land einschlägt. Aus den Parteien kommen die vom Volk gewählten Abgeordneten, die die Regierung wählen, die ihr auf die Finger schauen, die an neuen Gesetzen mitarbeiten. Und wenn in den Parteien junge Menschen schwach vertreten sind, dann werden ihre Interessen kaum gehört. Man merkt das ja in der Corona-Krise: Über kaum eine Bevölkerungsgruppe sprechen die Bundeskanzlerin und die Bundesminister, die meisten Ministerpräsidenten und Abgeordneten weniger als über junge Erwachsene.
Die Corona-Krise, die so viel menschlichen Austausch und Freude – und so viel Kontakt zwischen Politikern und anderen Bürgern – verhindert, bietet hier eine Chance.
In die Parteien einzusteigen ist in Deutschland vermutlich nie so niedrigschwellig gewesen wie heute. Also traut Euch jetzt, ihr Schüchternen!
Die Parteien sind gezwungen, sich stärker als je zuvor im digitalen Raum um Menschen zu bemühen. Sie holen Kommentare und Anregungen auf Instagram ein, sie halten Meetings auf Videoplattformen ab. Und bekannte Politikerinnen und Politiker von Union bis Linkspartei verbringen noch mehr Zeit auf sozialen Netzwerken, wo zumindest manche von Ihnen zugänglich sind für Menschen, die etwas von ihnen wissen wollen. Das senkt die Hürden für Schüchterne, die sich beteiligen wollen. In die Parteien einzusteigen ist in Deutschland vermutlich nie so niedrigschwellig gewesen wie heute.
Also traut Euch jetzt, ihr Schüchternen! Schreibt der demokratischen Partei, die Euren Vorstellungen am nächsten kommt. Erzählt der oder dem Abgeordneten aus Eurem Wahlkreis, was Euch nervt, was ihr verbessern wollt – und welche Ideen ihr dafür habt.
Die Politischen Aschermittwoche, die Treffen der Ortsvereine in den Biergärten und Kneipen werden wiederkommen: die Treffen derer, die schon mittendrin sind in den Parteien. Und es wäre verdammt gut, wenn dann an den Tischen mehr junge Menschen säßen.
CDU: Merz will neues Wehrpflicht-Modell für junge Generation einführen
Schon seit dem Beginn des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine hat die Diskussion um die Wehrpflicht wieder Fahrt aufgenommen. Die Ampel änderte während ihrer Regierungszeit nichts am aktuellen System. Durch die Neuwahlen könnten aber bald schon wieder junge Menschen verpflichtet werden.