"Fortschritt für eine gerechte Welt": so lautet das Ziel, das sich die Staats- und Regierungschefs für den kommenden G7-Gipfel im Juni gesetzt haben. Dieser findet dieses Mal unter deutscher Präsidentschaft in Elmau statt, wo sich Vertretende der sieben großen Industrienationen – Deutschland, Kanada, Frankreich, Italien, Japan, Großbritannien, der Vereinigten Staaten von Amerika und der Europäischen Union – treffen werden, um über Lösungen für internationale Probleme, wie die globale Hungerkrise oder den Ukrainekrieg zu verhandeln.
"Das Schlimmste an der G7 ist, dass sie super exklusiv sind", sagt Josias Knöppler gegenüber watson. "Die G7 werden von meist alten, weißen, männlichen Staatschefs von sieben Industrieländer vertreten, die zusammenkommen und Entscheidungen treffen, die eigentlich internationale Herausforderungen sind. Dabei sitzen aber vor allem Länder aus dem globalen Süden oder andere wichtige Engagementgruppen einfach nicht mit am Tisch, können nicht mitreden, nicht mitentscheiden."
Knöppler, 24 Jahre alt, ist einer der Jugendbotschafter auf dem G7-Jugendgipfel (Y7 Summit) in Berlin, der vorbereitend zum G7-Gipfel schon diese Woche vom 16. bis 20. Mai 2022 stattgefunden hat. Statt alteingesessener Politiker versammeln sich auf dem Y7 Summit dafür Delegationen von je vier jungen Menschen pro G7-Mitgliedstaat und der EU, um über die aus ihrer Sicht dringendsten Themen zu diskutieren und eigene politische Schwerpunkte festzusetzen, die sie dann in einem gemeinsamen Agenda Dokument – "Kommuniqué" – den Staatschefs der G7 vorschlagen.
Ihr Leitgedanke: Jugendliche sollen ihre Meinung äußern und bei politischen oder gesellschaftlichen Entscheidungen, die ihr Lebensumfeld betreffen, mitbestimmen dürfen.
"Das ist ein wichtiger Fortschritt zum klassischen G7 Modell und ich finde es toll, dass wir hier die Möglichkeit haben, unsere Meinung und unsere Forderungen direkt an die Entscheidenden in der G7 weitergeben zu können", erklärt Knöppler. Denn viele, wenn nicht alle Themen dort seien "intergenerational", würden also die junge mehr als die ältere Generation betreffen. "Gerade wir Jungen müssen mit den von der G7 beschlossenen Entscheidungen auch in den nächsten 80 Jahren leben", sagt Knöppler, der seinen Schwerpunkt auf den Kampf gegen extreme Armut und gegen vermeidbare Krankheiten gelegt hat. Das sind zwei der vier Schwerpunktbereiche, zu denen die Jugendbeauftragten bereits seit Ende Februar 2022 politische Forderungen entwickeln:
"Bei meinem Schwerpunkt 'Wirtschaftliche Transformation und gemeinsamer Fortschritt' geht es vor allem um Themen wie wir gegen den Klimawandel vorgehen können, aber auch um Entwicklungszusammenarbeit – und zwar vor allem wie wir gegen extreme Armut in den Ländern im globalen Süden helfen können, sodass sich diese Länder nicht nur wirtschaftlich entwickeln, aber vor allem auch, dass sie sich sozial entwickeln", erzählt Knöppler, der in Hessen aufgewachsen ist und Wirtschaftsingenieurswesen studiert hat. "Dass da ein Gesundheitssystem vorhanden ist, das funktioniert und den Menschen vor Ort hilft." Und dass sonst benachteiligte Staaten an wirtschaftlichen Prozessen teilhaben und ihre lokale Wirtschaft gestärkt wird, anstatt dass die Industrieländer nur die Güter exportierten.
"Zum Beispiel, dass nicht nur Güter wie Kakaobohnen von Industrieländern in zum Beispiel Südafrika gekauft und dann nach Europa geschickt und dort verarbeitet werden; sondern dass diese Prozesse auch in denselben Länder stattfinden", erklärt er. Um solche Beteiligungsprozesse gerechter zu gestalten, waren auf dem G7-Jugendgipfel – im Gegensatz zum normalen G7-Gipfel – "auch Jugenddelegationen aus dem Senegal, Indonesien, Südafrika und der Ukraine als Gäste eingeladen."
Knöppler will deshalb in seinem Ausschuss sicherstellen, dass auch weiterhin finanzielle Mittel für afrikanische Länder zur Verfügung stehen und nicht gekürzt werden, wenn Budget aktuell stärker für das Militär oder für andere Themen gebraucht wird.
Vor allem wegen des aktuellen Kriegs in der Ukraine müssten auch junge Ukrainerinnen und Ukrainer in bereits jetzt stattfindenden Friedens-Findungsprozessen mitsprechen dürfen. "Es muss klar werden, dass es auch in der Ukraine vorrangig um die Zukunft von jungen Menschen dort vor Ort geht", hält Knöppler fest. "Die Jugend muss in Zukunft in der Ukraine leben können, in ihrem Sinne sollen also beim Wiederaufbau der Ukraine auch die politischen Entscheidungen getroffen werden. Von daher ist es wichtig die Jungen jetzt mit einzubeziehen, denn es geht eben nicht um die Zukunft von irgendwelchen älteren Männern aus anderen Ländern, die gerade in den Entscheiderpositionen sitzen."
Ihre gesammelten Lösungsvorschläge haben die deutschen Jugendbotschafter diese Woche zuerst in den Dialog mit deutschen Politikerinnen und Politikern wie Lisa Paus, Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, und dem Vorsitzenden des Auswärtigen Ausschusses des Bundestags Michael Roth gebracht und dann ihr fertiges Kommuniqué am Freitag an Bundeskanzler Olaf Scholz übergeben.
"Ganz ehrlich, ich denke, die Youth 7 sind ein Tropfen auf den heißen Stein. Denn realistisch gesehen, wird nur allein durch unseren Input nicht allzu viel direkt in der Politik passieren, die Youth 7 wird nicht immer so ernst genommen", meint Knöppler. Ihre Arbeit sei aber nicht umsonst gewesen, da ist sich der Jugendbotschafter sicher: "Ich glaube, dass wir ein richtig gutes Kommuniqué haben, wo wir klare, messbare Forderungen drinstehen haben. Darin hat uns auch Lisa Paus am Donnerstag im Auswärtigen Amt nochmal bestärkt: 'Fordert ruhig viel, denn wir Politikerinnen müssen versuchen, das Bestmögliche zu verhandeln, aber ihr könnt und müsst auch starke Positionen vertreten'".
Trotz einer Politik von "denen da oben", hat Knöppler trotzdem den Eindruck, dass die Y7 von der Politik gehört werden. "Sonst hätten wir Lisa Paus, drei Wochen im Amt, nicht getroffen. Und sonst hätten wir auch keine Möglichkeit gehabt, unser Kommuniqué an Olaf Scholz zu übergeben", folgert er. Wenn man sich die letzten Jahre anschaue, sei "wirklich nicht oft auf unsere Vorschläge eingegangen" worden. "Aber immerhin war einer der größten Erfolge aus dem letzten Jahr, dass das Thema Mental Health in die Abschlusserklärung der G7 Staatschefs mit aufgenommen wurde."
Und das sei immerhin ein kleiner Erfolg gewesen, so Knöppler. Deswegen glaube er schon daran, dass ihre Arbeit mittel- und langfristig etwas erreichen könne – "und in diesem Jahr hoffen wir, dass wir im besten Fall unsere Forderungen auch in der Abschlusserklärung des G7 Gipfels in Elmau nächsten Monat wiederfinden."
"Das klingt nach so einem Standardsatz, aber ich glaube, wir haben keine andere Wahl. Man muss einfach für Dinge einstehen und arbeiten, die einem wirklich wichtig sind. Ob ich jetzt ganz konkrete Beschlüsse erreichen kann, ist eigentlich egal. Aber es wäre schlimm, wenn ich es nicht versuchen würde."