Seit Dienstag ist Bundesaußenministerin Annalena Baerbock in New York unterwegs. Zusammen mit Bundeskanzler Olaf Scholz besuchte sie die 77. Generaldebatte der Vereinten Nationen. Olaf Scholz ist mittlerweile wieder in Deutschland angekommen, doch die Grünen-Politikerin Baerbock blieb. Denn sie hatte noch etwas vor.
Neben verschiedenen bilateralen Gesprächen, etwa mit dem ukrainischen Außenminister Dmytro Kuleba oder der Menschenrechtsanwältin Amal Clooney, war Baerbock auf der Sicherheitskonferenz der Vereinten Nationen zugegen.
Hier traf sie auch auf den russischen Außenminister Sergej Lawrow – und es war eine eiskalte Begegnung.
Zum ersten Mal hatten sich die beiden im Januar getroffen. Da war Baerbock gerade noch frisch im Amt. Sie reiste nach Moskau, um sich mit dem Außenminister auszutauschen. Es waren harte Gespräche. Zu dieser Zeit war Russland noch nicht in die Ukraine einmarschiert. Doch die Drohgebärden und die Stationierung immer weiterer Soldaten an der Grenze zur Ukraine nahmen zu.
Lawrow hatte damals behauptet, Russland bedrohe niemanden. Doch Baerbock ließ sich damals schon nicht von ihrem Amtskollegen beeindrucken – oder gar manipulieren. Baerbock widersprach entschieden. "In der letzten Woche haben sich 100.000 russische Soldaten in der Nähe der ukrainischen Grenze versammelt, ohne nachvollziehbaren Grund, und es ist schwer, das nicht als Bedrohung zu verstehen", hatte Baerbock damals gesagt.
Und auch in der Nacht zu Freitag stellte sie sich dem russischen Außenminister entgegen.
Lawrow war ebenfalls zur UN-Sicherheitskonferenz erschienen. Er hielt seine Rede, in der er die typische russische Propaganda wiedergab. Dann verließ er den Saal.
Wenige Minuten später hatte Baerbock ihren Zeitslot für eine Ansprache. Und neben deutlichen Worten gegenüber dem russischen Amtskollegen erinnerte Baerbock mit einer emotionalen Rede an die Leiden der Menschen in der Ukraine – und weltweit.
"Butscha. Mariupol. Isjum." – so begann die deutsche Außenministerin ihre Ansprache. "Wenn wir über den Horror des Krieges in der Ukraine sprechen, sprechen wir nicht über abstrakte Berichte. Wir sprechen über Kindern, wir sprechen über Mütter, Brüder, Väter, über Großeltern, Frauen und Männer und deren Schmerz."
Deswegen fordere sie Russland auf:
Für viele auf dieser Konferenz erscheine der Krieg in der Ukraine wie ein regionaler Krieg, der weit weg sei, meinte Baerbock weiter. In vielen Teilen der Welt gebe es bereits viel Leid wegen der Klimakrise oder der Corona-Pandemie. "Wir hören euch, wir fühlen mit euch", sagte sie.
Doch was in den vergangenen Monaten passiert sei, dürfe niemanden auf der Welt unberührt lassen. "Nach über 200 Tagen in Russlands brutalem Krieg hat Putins letzte Ankündigung ohne jeden Zweifel gezeigt: Was Russland da macht, ist keine militärische Spezialoperation. Es ist ein Aggressionskrieg, mit Kriegsverbrechen, mit Folter, mit Vergewaltigungen – auch von Kindern."
Dann gab sie dem russischen Außenminister Lawrow noch einen Seitenhieb mit auf den Weg: "Es ist ein Zeichen, dass der russische Außenminister nur für seine eigene Rede in den Saal gekommen ist, eine Weile geredet hat, aber den Hunger, die Armut und die Ergebnisse des Krieges weltweit nicht angesprochen hat."
Noch am Donnerstag hatte Baerbock in einem Pressegespräch am Rande der Konferenz die russischen Protestler:innen gelobt. Nachdem Putin eine Teilmobilmachung angekündigt hatte, regte sich Widerstand in Russland. Viele Männer versuchten, aus dem Land zu fliehen, in Moskau gingen Menschen auf die Straße.
Baerbock sagte: "Jeder Russe wird jetzt Gefahr laufen, selbst in diesen Krieg eingezogen zu werden. Und welchen Mut die Menschen in Russland aufbringen, das sieht man, wenn man sich die Videos genau anschaut: Da gehen Väter, Mütter, da gehen Großeltern gemeinsam mit ihren Kindern und Enkelkindern auf die Straße."
Dieser Mut sei bemerkenswert, sagt sie.