Das Internet hat in den vergangenen Jahrzehnten eine zunehmend bedeutende Rolle in der Politik eingenommen. Dieser Wandel birgt nicht nur Chancen, sondern auch Gefahren. Social Media prägt die Meinungsbildung der Menschen zu verschiedenen Themen so stark wie nie zuvor. So erleichtern soziale Netzwerke auch das Erstarken von extremen Weltbildern.
Tiktok bietet rechten Strömungen etwa eine fruchtbare Plattform. Auch der AfD ist es in den vergangenen Monaten gelungen, ein großes Publikum zu erreichen und Fake-News sowie radikale Meinungen zu verbreiten. Kürzlich hat die Kurzvideoplattform Maßnahmen ergriffen, um die Reichweite des rechtsextremen AfD-Politikers Maximilian Krah zu beschränken.
Krahs Content wird derzeit nicht mehr im "Für dich-Feed" von User:innen angezeigt. Das Unternehmen bestätigte dies dem "Spiegel". Ein wirksames Instrument. Der "Für dich-Feed" ist ein zentrales Element der Kurzvideo-App, das darüber entscheidet, ob Beiträge viral gehen oder nicht. User:innen können aktuell seine Inhalte nur noch sehen, wenn sie gezielt seine TikTok-Seite aufrufen.
Die Einschränkungen haben bereits deutliche Auswirkungen gezeigt: Während Krahs Videos im vergangenen Jahr Hunderttausende Male angesehen wurden, verzeichneten seine jüngsten Beiträge nur noch wenige Tausend Aufrufe. Einige seiner Videos wurden sogar gänzlich von der Plattform entfernt.
Tiktok selbst hat keine detaillierten Aussagen zu den konkreten Verstößen gemacht. Krah soll nach "Spiegel"-Informationen mit homophoben Äußerungen, Hetze gegen Geflüchtete und Verschwörungstheorien – etwa wegen der Verbreitung der Theorie vom großen Bevölkerungsaustausch – gegen die Richtlinien verstoßen haben.
Maximilian Krah, der als Spitzenkandidat der AfD für die Europawahl im Juni aufgestellt ist, gilt als rechtsextremer Hardliner. Er steht ideologisch dem rechtsextremen Landeschef der Thüringer AfD, Björn Höcke und Götz Kubitschek nahe. Letzterer ist Mitgründer des vom Bundesverfassungsschutz als "gesichert rechtsextremistische Bestrebung" eingestuften "Instituts für Staatspolitik" (IfS) in Sachsen-Anhalt. Zudem äußert Krah regelmäßig Sympathien für die autoritären Regime in China und Russland.
Krah hatte vor Kurzem als Autor ein Buch für den Verlag verfasst, der vom Verfassungsschutz als Verdachtsfall für Rechtsextremismus eingestuft wird. In seinem Buch setzt er sich unter anderem für eine grundlegend andere Interpretation der Menschenwürde im Grundgesetz ein. Des Weiteren war Krah beim "Institut für Staatspolitik" zu Gast, das vom Verfassungsschutz als "gesichert rechtsextrem" eingestuft wird.
Die Entscheidung von Tiktok wird vor dem Hintergrund einer wachsenden Kritik an der Plattform getroffen, die rechtsextremen Inhalten eine zu große Reichweite ermöglichen soll. Die AfD ist im Vergleich zu anderen Parteien durchaus erfolgreich, der Account der AfD-Fraktion hat ein Vielfaches an Aufrufen.
Auch deshalb steht Tiktok in der Kritik, rechtsextremistischen Inhalten eine zu bedeutende Plattform zu bieten. Eine Petition auf der Kampagnen-Seite Campact, die die Sperrung der AfD-Konten fordert, wurde bereits von Hunderttausenden unterzeichnet.
Tiktok hat kürzlich seinen Transparenzbericht veröffentlicht, in dem es auch um irreführende Kampagnen geht. Obwohl die Maßnahmen gegen Krah darin nicht spezifisch erwähnt werden, gibt das Unternehmen an, ein Netzwerk entfernt zu haben, das Pro-AfD-Narrative russischer Staatsmedien verbreitet hat. "Wir konnten feststellen, dass dieses Netzwerk aus Deutschland operierte und auf ein deutsches Publikum zielte", hieß es auf "Spiegel"-Anfrage. Das Netzwerk habe versucht, den öffentlichen Diskurs zu beeinflussen.
Die Löschung dieser Konten erfolgte laut Tiktok nicht aufgrund der Inhalte seiner Beiträge, sondern weil es sich um "inauthentische Konten" gehandelt haben soll. Solche Konten hätten sich etwa fälschlicherweise als Nachrichtenseiten ausgegeben und Inhalte verbreitet.
Analyseteams von Social-Media-Plattformen gehen regelmäßig gegen solche Angriffe vor. Dieser Fall ist jedoch ungewöhnlich, wie "Spiegel" schreibt: Normalerweise agieren die Akteure solcher Kampagnen aus dem Ausland, etwa aus Russland. Besonders ist, dass dieses Netzwerk von Deutschland aus agierte.