Politik
TV

"Da kippt gerade etwas": ZDF-Reporter berichtet bei "Lanz" von Protesten in den USA

Elmar Theveßen: In der Sendung berichtete er aus Washington.
Elmar Theveßen: In der Sendung berichtete er aus Washington.Bild: screenshot zdf
TV

ZDF-Reporter warnt bei US-Protesten: "Da kippt gerade etwas"

03.06.2020, 13:52
Mehr «Politik»

Vor rund einer Woche kam George Floyd während eines brutalen Polizeieinsatzes in Minneapolis ums Leben. Seitdem dauern die Proteste in den US-Metropolen an. Menschen solidarisieren sich weltweit mit den Opfern von Rassismus.

Aber in vielen US-Städten sind die Demonstrationen in Plünderungen und Ausschreitungen ausgeartet. Daraufhin wurden auch nächtliche Ausgangssperren verkündet.

Markus Lanz unterbrach nun am Dienstagabend das Corona-Dauerthema und rückte die Proteste in den Fokus. Mitte Mai hatte er bereits eine kurze Ausnahme gemacht und mit Jens Söring gesprochen, der 33 Jahre wegen Doppelmordes in US-Haft saß.

Nun ging es um Polizeigewalt, soziale Ungerechtigkeit und Rassismus. Mit ihm diskutierten ZDF-USA-Korrespondent Elmar Theveßen, Johannes Hano, ZDF-Studioleiter aus New York, und der ehemalige "Spiegel"-USA-Korrespondent Markus Feldenkirchen, sowie Finanzexpertin Sandra Navidi und Politikwissenschaftler Christian Hacke.

Die Gäste zeichneten ein äußerst düsteres Bild von den USA unter Präsident Donald Trump.

Mit Markus Lanz sprachen sie über den rassistischen Kurs in den USA.
Mit Markus Lanz sprachen sie über den rassistischen Kurs in den USA.Bild: screenshot zdf

Journalist Elmar Theveßen klärt über die Lage in den USA auf

Gleich zu Beginn sprach ZDF-Journalist Elmar Theveßen über die Lage in Washington. Er befand sich vor dem Weißen Haus als er zugeschaltet wurde und berichtete: "Das Recht auf Meinungsäußerung wurde mit Füßen getreten. Man sagt, hier wurde die Bibel für eine parteipolitische Botschaft missbraucht."

Während dessen wurden Bilder von Donald Trump eingeblendet, wie der US-Präsident vor einer Kirche eine Bibel hochhielt. Um das Foto zu ermöglichen, hatte die Polizei am Montagabend die Demonstranten vorher mit Tränengas von der Straße verdrängt. Zuvor hatte Trump den Demonstranten auch mit dem Einsatz der Armee gedroht.

Theveßen erklärte, es sei völlig verrückt, wie die Polizei vorgehe und Schritt für Schritt vorrücke. Der Leiter des ZDF-Studios in Washington meinte weiter:

"Es ist ein Rückfall in autoritäre Zeiten. Es scheint, als würde die Demokratie auf dem Spiel stehen. Da kippt gerade was. Es stellt sich die Frage, wie man da wieder rauskommt. Trump beruft sich auf ein Gesetz aus dem Jahr 1807. Dort steht, dass er das Recht hat, Truppen zu schicken, wenn er nicht mehr durchkommt. Es ist durchaus möglich, dass er Truppen ins Land schickt. Massive Waffengewalt kann folgen."

Lanz kommentierte: "Die tiefe Spaltung Amerikas ist vor dem Weißen Haus angekommen."

Sandra Navidi: Die Finanzexpertin ist auch gelernte Juristin.
Sandra Navidi: Die Finanzexpertin ist auch gelernte Juristin.Bild: screenshot zdf

Finanzexpertin Sandra Navidi, die eigentlich in New York lebt, zeigte sich von den Vorkommnissen nicht überrascht:

"Ich habe schon 2016 vorhergesagt, dass Trump Militär auf die Straßen bringt. Ich denke, das ist erst der Anfang. Trump würde in jedem Fall so vorgehen. Das ultimative Ziel ist es, die Wahl auszusetzen. Die Lügen werden so groß gemacht, dass man sich gar nicht mehr vorstellen kann, dass es nicht stimmt. Er hat bei der Corona-Krise Rettungsmaßnahmen sabotiert, er hat die finanziellen Mittel gezielt eingesetzt, um die Gouverneure unter Druck zu setzen."
Markus Feldenkirchen: Der Journalist berichtete früher aus Washington.
Markus Feldenkirchen: Der Journalist berichtete früher aus Washington.Bild: screenshot zdf

"Spiegel"-Journalist Markus Feldenkirchen betonte dabei: "Ihm geht es nicht um die ermordeten Menschen. Es geht ihm nur um sich. Die Kultivierung des starken Mannes hat er auf die Spitze getrieben. Alle Gouverneure, die eine intelligente Polizeistrategie fahren wollen, bezeichnet er als Weicheier."

Auch die neuesten Entwicklungen rund um George Floyd waren Thema am Dienstagabend. Theveßen erläuterte dazu den Autopsiebericht:

"Die offizielle Obduktion besagt, dass ein Polizist mit seinem Knie dem Opfer die Luft abgedrückt hat. Dies sei für den Tod nicht ursächlich. Eine zweite Obduktion, die von der Familie in Auftrag gegeben wurde, sagt, sie sei ursächlich. Auch die Wirbelsäule und die Lunge wurde so zusammengedrückt, dass er erstickt ist."
Elmar Theveßen: Der Journalist befand sich während seiner Live-Schalte vor dem Weißen Haus.
Elmar Theveßen: Der Journalist befand sich während seiner Live-Schalte vor dem Weißen Haus.Bild: screenshot zdf

Über den Polizisten, der nun angeklagt wurde, sei klar, dass es bereits 18 Beschwerden gegen ihn gegeben habe und er Abmahnungen wegen Fehlverhaltens erhalten hatte. Ein weiterer Polizist hätte ebenfalls sechs Beschwerden gesammelt.

"Wir sehen hier, dass es Wiederholungstäter sind. Man muss sich fragen, wie die noch arbeiten konnten", so der Journalist aus Washington.

"Spiegel"-Journalist Feldenkirchen fand dann besonders erschreckend, dass keiner der Polizisten nur einen Funken Empathie gezeigt habe, obwohl Floyd bereits in Handschellen auf dem Boden lag.

Wissenschafter Christian Hacke spricht von einer Doppelkrise

Politikwissenschaftler Christian Hacke mahnte an: "Ein rassistisches Momentum in der Figur des Cops war schon immer drin. Korruption gehört auch noch dazu. Der Cop hat nicht das Image von der Polizei als dein Freund und Helfer. Was er ausstrahlt, ist Angst."

Und weiter: "Dieser Rassismus ist eingebaut und er ist systemisch. Die Polizisten haben eine kurze Ausbildung von 15 Wochen und werden überwiegend an den Waffen geschult."

Sein Befund: Angst werde systematisch verbreitet. Trump als Präsident repräsentiere ein antiliberales Amerika. Die USA steckten nun in einer Doppelkrise. Bei Corona habe der Präsident schon alles falsch gemacht und die Schuld von sich geschoben.

Politikwissenschaftler Christian Hacke.
Politikwissenschaftler Christian Hacke.Bild: screenshot zdf

Theveßen sprach weiter über die Plünderungen in den USA. Dabei stellte er klar: "Wir haben Menschen erlebt, die eine Verzweiflung in sich haben. Was die Ungleichheit angeht, wird die Situation immer schlechter. Die Reichen sind noch reicher geworden. Trump und die Partei versuchen alles, um das Wählen zu erschweren. Wenn viele wählen gehen, verlieren die Republikaner."

Finanzexpertin Navidi machte die wirtschaftlichen Probleme der USA noch deutlicher: "Donald Trump hat die Kluft vergrößert. Der amerikanische Traum ist ausgeträumt und ist tot."

Im Grunde genommen könnte das Geschehen nur auf eine Eskalation hinauslaufen. Navidi meinte schließlich zu Lanz: "Je weiter wir auf die Wahlen zugehen, desto schneller wird es eskalieren. Das gebe ich Ihnen schriftlich."

Der Korrespondent aus Washington sagte dann plötzlich:

"Es könnte gleich wieder zu Ausschreitungen kommen. Die Demonstranten wollten zum Justizministerium. Sie fordern Gerechtigkeit. In der Parallelstraße ist die Nationalgarde aufgefahren. Um sieben Uhr ist hier wieder eine Ausgangssperre."

Der Tod von Michael Brown

Feldenkirchen erinnerte an einen älteren Fall von Polizeigewalt, den Tod von Michael Brown im Jahr 2014. Der junge Afroamerikaner starb nach einer kleinen Auseinandersetzung in einem Kiosk während der Festnahme. Er wurde von einem Polizisten erschossen, war selbst unbewaffnet. Die beteiligten Polizisten wurden nicht angeklagt.

"So ein Fall wie Michael Brown erinnert an die jahrhundertelange Ungerechtigkeit", sagte Feldenkirchen. "Ich war dann mit jungen Schwarzen unterwegs, die von klein auf gelernt haben, dass sie ständig kontrolliert werden. Das hat einen sozioökonomischen Hintergrund."

Feldenkirchen ergänzte, dass der Alltagsrassismus nicht von einem Präsidenten einfach beseitigt werden könne. Auch Barack Obama habe das nicht geschafft.

Johannes Hano zeigte sich dazu auch wenig optimistisch: "Mein Gefühl sagt mir, wir brauchen einen Versöhner und keinen Spalter. Ich habe die Befürchtung, dass es dieses Amerika gar nicht mehr gibt."

(iger)

Russland: Anti-Migranten-Kampagne geht nach hinten los

Um vom Krieg in der Ukraine und der Unzufriedenheit im Land abzulenken, hat Russland in den vergangenen Monaten eine Kampagne gegen Migrant:innen gefahren. Mit harter Rhetorik und neuen Gesetzen, die deren Rechte einschränken, wollte der Kreml sich bei der Bevölkerung beliebt machen.

Zur Story