Vor rund einer Woche kam George Floyd während eines brutalen Polizeieinsatzes in Minneapolis ums Leben. Seitdem dauern die Proteste in den US-Metropolen an. Menschen solidarisieren sich weltweit mit den Opfern von Rassismus.
Aber in vielen US-Städten sind die Demonstrationen in Plünderungen und Ausschreitungen ausgeartet. Daraufhin wurden auch nächtliche Ausgangssperren verkündet.
Markus Lanz unterbrach nun am Dienstagabend das Corona-Dauerthema und rückte die Proteste in den Fokus. Mitte Mai hatte er bereits eine kurze Ausnahme gemacht und mit Jens Söring gesprochen, der 33 Jahre wegen Doppelmordes in US-Haft saß.
Nun ging es um Polizeigewalt, soziale Ungerechtigkeit und Rassismus. Mit ihm diskutierten ZDF-USA-Korrespondent Elmar Theveßen, Johannes Hano, ZDF-Studioleiter aus New York, und der ehemalige "Spiegel"-USA-Korrespondent Markus Feldenkirchen, sowie Finanzexpertin Sandra Navidi und Politikwissenschaftler Christian Hacke.
Die Gäste zeichneten ein äußerst düsteres Bild von den USA unter Präsident Donald Trump.
Gleich zu Beginn sprach ZDF-Journalist Elmar Theveßen über die Lage in Washington. Er befand sich vor dem Weißen Haus als er zugeschaltet wurde und berichtete: "Das Recht auf Meinungsäußerung wurde mit Füßen getreten. Man sagt, hier wurde die Bibel für eine parteipolitische Botschaft missbraucht."
Während dessen wurden Bilder von Donald Trump eingeblendet, wie der US-Präsident vor einer Kirche eine Bibel hochhielt. Um das Foto zu ermöglichen, hatte die Polizei am Montagabend die Demonstranten vorher mit Tränengas von der Straße verdrängt. Zuvor hatte Trump den Demonstranten auch mit dem Einsatz der Armee gedroht.
Theveßen erklärte, es sei völlig verrückt, wie die Polizei vorgehe und Schritt für Schritt vorrücke. Der Leiter des ZDF-Studios in Washington meinte weiter:
Lanz kommentierte: "Die tiefe Spaltung Amerikas ist vor dem Weißen Haus angekommen."
Finanzexpertin Sandra Navidi, die eigentlich in New York lebt, zeigte sich von den Vorkommnissen nicht überrascht:
"Spiegel"-Journalist Markus Feldenkirchen betonte dabei: "Ihm geht es nicht um die ermordeten Menschen. Es geht ihm nur um sich. Die Kultivierung des starken Mannes hat er auf die Spitze getrieben. Alle Gouverneure, die eine intelligente Polizeistrategie fahren wollen, bezeichnet er als Weicheier."
Auch die neuesten Entwicklungen rund um George Floyd waren Thema am Dienstagabend. Theveßen erläuterte dazu den Autopsiebericht:
Über den Polizisten, der nun angeklagt wurde, sei klar, dass es bereits 18 Beschwerden gegen ihn gegeben habe und er Abmahnungen wegen Fehlverhaltens erhalten hatte. Ein weiterer Polizist hätte ebenfalls sechs Beschwerden gesammelt.
"Wir sehen hier, dass es Wiederholungstäter sind. Man muss sich fragen, wie die noch arbeiten konnten", so der Journalist aus Washington.
"Spiegel"-Journalist Feldenkirchen fand dann besonders erschreckend, dass keiner der Polizisten nur einen Funken Empathie gezeigt habe, obwohl Floyd bereits in Handschellen auf dem Boden lag.
Politikwissenschaftler Christian Hacke mahnte an: "Ein rassistisches Momentum in der Figur des Cops war schon immer drin. Korruption gehört auch noch dazu. Der Cop hat nicht das Image von der Polizei als dein Freund und Helfer. Was er ausstrahlt, ist Angst."
Und weiter: "Dieser Rassismus ist eingebaut und er ist systemisch. Die Polizisten haben eine kurze Ausbildung von 15 Wochen und werden überwiegend an den Waffen geschult."
Sein Befund: Angst werde systematisch verbreitet. Trump als Präsident repräsentiere ein antiliberales Amerika. Die USA steckten nun in einer Doppelkrise. Bei Corona habe der Präsident schon alles falsch gemacht und die Schuld von sich geschoben.
Theveßen sprach weiter über die Plünderungen in den USA. Dabei stellte er klar: "Wir haben Menschen erlebt, die eine Verzweiflung in sich haben. Was die Ungleichheit angeht, wird die Situation immer schlechter. Die Reichen sind noch reicher geworden. Trump und die Partei versuchen alles, um das Wählen zu erschweren. Wenn viele wählen gehen, verlieren die Republikaner."
Finanzexpertin Navidi machte die wirtschaftlichen Probleme der USA noch deutlicher: "Donald Trump hat die Kluft vergrößert. Der amerikanische Traum ist ausgeträumt und ist tot."
Im Grunde genommen könnte das Geschehen nur auf eine Eskalation hinauslaufen. Navidi meinte schließlich zu Lanz: "Je weiter wir auf die Wahlen zugehen, desto schneller wird es eskalieren. Das gebe ich Ihnen schriftlich."
Der Korrespondent aus Washington sagte dann plötzlich:
Feldenkirchen erinnerte an einen älteren Fall von Polizeigewalt, den Tod von Michael Brown im Jahr 2014. Der junge Afroamerikaner starb nach einer kleinen Auseinandersetzung in einem Kiosk während der Festnahme. Er wurde von einem Polizisten erschossen, war selbst unbewaffnet. Die beteiligten Polizisten wurden nicht angeklagt.
"So ein Fall wie Michael Brown erinnert an die jahrhundertelange Ungerechtigkeit", sagte Feldenkirchen. "Ich war dann mit jungen Schwarzen unterwegs, die von klein auf gelernt haben, dass sie ständig kontrolliert werden. Das hat einen sozioökonomischen Hintergrund."
Feldenkirchen ergänzte, dass der Alltagsrassismus nicht von einem Präsidenten einfach beseitigt werden könne. Auch Barack Obama habe das nicht geschafft.
Johannes Hano zeigte sich dazu auch wenig optimistisch: "Mein Gefühl sagt mir, wir brauchen einen Versöhner und keinen Spalter. Ich habe die Befürchtung, dass es dieses Amerika gar nicht mehr gibt."
(iger)