Es sind Bilder, die in Erinnerung bleiben: ein brüllender Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin, der vor einem Leichenberg aus russischen Söldnern gegen das Verteidigungsministerium im Kreml schimpft. Russland würde seine Privatarmee "ausbluten" lassen im erbitterten Kampf um die Stadt Bachmut. Es fehle vor allem an Waffen.
Monatelang gelang es der Ukraine den Angriff der russischen Privatarmee von Prigoschin abzuwehren. Laut Expert:innen nahmen beide Seiten enorme Verluste in Kauf. Im Mai 2023 gelang es den Wagner-Söldnern dennoch die Stadt einzunehmen.
Neue Recherchen geben nun Einblick, wie viele Wagner-Söldner Prigoschin für die Einnahme Bachmuts in den Fleischwolf schickte und welch enorme Summen die Hinterbliebenen als "Trost" ausgezahlt bekommen haben.
Insgesamt soll Prigoschin mindestens 48.366 Sträflinge aus russischen Gefängnissen rekrutiert haben. Das geht aus einer gemeinsamen Recherche von "Meduza" und BBC Russia hervor, die interne Unterlagen des privaten Militärunternehmens erhalten und analysiert haben.
Darin sollen auch Zahlungen an die Familien von im Kampf gefallenen Wagneriten dokumentiert sein. Wer sich auf einen Deal mit der Privatarmee einließ bekam eine "spezielle Hundemarke" mit Identifikationsnummern im Format "KXXX-XXX". Dabei gab die erste Zahl etwa das Gefängnis des Rekruten an.
Den ersten dieser Verträge soll ein Sträfling am 1. Juli 2022 in einem Gefängnis außerhalb von St. Petersburg unterzeichnet haben. Er erhielt laut "Meduza" die Kennzeichnung "K1-001" und den Rufzeichen "DDR" (Ostdeutschland).
In der Recherche konnten die Journalist:innen 341 der 501 Gefängnisse identifizieren, die auf diesen Hundemarken angegeben sind. Darunter befänden sich 227 Hochsicherheitsgefängnisse, 75 Gefängnisse des allgemeinen Regimes und 28 Gefängnisse des Sonderregimes, heißt es.
Von den 48.366 rekrutierten Männern ließen laut der Dokumente viele ihr Leben in Bachmut.
Insgesamt kehrte jeder dritte Häftling, der sich bei der Wagner-Gruppe meldete, nicht aus dem "Fleischwolf von Bachmut" zurück, ergibt die Recherche. In Zahlen heißt das: Etwa 19.547 Männer von Prigoschin starben in der Schlacht.
Davon sollen rund 17.175 Sträflinge und die restlichen 2372 freiwillige Söldner gewesen sein. Die Angehörigen bekamen eine satte Summe für den Tod der Wagneriten.
Ganze 108 Milliarden Rubel (1,3 Milliarden Dollar) habe die Privatarmee an die Hinterbliebenen ausgezahlt. Dabei erhielt jede Familie fünf Millionen Rubel (61.000 Dollar) als Entschädigung und weitere 300.000 Rubel (3700 Dollar) für die Beerdigung, heißt es im Bericht.
Viel Geld für Russ:innen, die etwa im ärmlichen Serbien leben. Die Recherche zeigt aber auch: Prigoschin log damals nicht, als er behauptete, es seien etwa 20.000 seiner Söldner in der Schlacht um Bachmut gefallen.
Fakt ist: Kreml-Chef Wladimir Putin hat den Wagner-Söldnern die Einnahme Bachmuts zu verdanken. Doch es kam zum Bruch zwischen ihm und Prigoschin. Die Wagneriten marschierten daraufhin Richtung Moskau, doch ein Deal besänftigte den Wagner-Chef offenbar und er brach den "24-Stunden-Aufstand" ab.
Wenige Wochen später verunglückten er und die gesamte Wagner-Führung bei einem Flugzeugabsturz. Heute sind seine restlichen Söldner direkt dem russischen Verteidigungsministerium unterstellt.