"Diese Sendung war ganz anders geplant", sagt Moderator Markus Lanz. Da lief die Talkrunde bereits einige Minuten. Denn eigentlich sollte es an diesem Abend ausschließlich um den Corona-Impfstoff und die dazugehörige Impfstrategie in Deutschland gehen. Doch dann kamen die Geschehnisse in den USA: Anhänger von noch US-Präsident Donald Trump haben das Capitol in Washington gestürmt und es selbst als "Sturm auf die Bastille" bezeichnet. Der ZDF-Korrespondent Elmar Theveßen schildert in der Sendung, wie er die dramatischen Szenen in Washington erlebt hat.
Einigen Demonstranten ist es tatsächlich gelungen, die Absperrungen zu durchdringend und somit ins Capitol zu kommen. Heute hätte in der Regierungshauptstadt der Sieg Joe Bidens im Kongress beglaubigt werden sollen. Stattdessen wurden die Mitglieder in Sicherheit gebracht und sämtliche umliegende Gebäude evakuiert, erklärt der Journalist. Unter den Demonstranten sollen sich "Hunderte Milizionäre" befunden haben. "Der Präsident hat Öl ins Feuer gegossen. Er hat seine Anhänger angefeuert, das Capitol zu stürmen", sagt Theveßen.
Wie das überhaupt passieren konnte, möchte Lanz von ihm wissen. Es habe nicht genügend Polizisten gegeben, erklärt der Korrespondent. Vom Weißen Haus aus, sei die Masse an Menschen, – aufgefordert von Trump – zum Capitol gelaufen: "Die wenigen Polizisten, die da waren, waren überfordert. Sie haben versucht, das zu verhindern, aber dann mussten sie sich zurückziehen", kommentiert Theveßen die Ereignisse.
Noch immer würden die Anhänger des Präsidenten daran festhalten, dass Trump die Wahl gewonnen hat. Selbst Republikaner im Kongress seien heute bei der Beglaubigung der Wahl Bidens aufgestanden und hätten gesagt, sie würden das Ergebnis nicht anerkennen.
Theveßen beschreibt, dass in den USA bereits darüber gesprochen würde, Trump versuche Chaos zu stiften, um dann den Ausnahemzustand im Land auszurufen. Dann könnte er sich mit der Hilfe des Militärs an der Macht halten. "Das wäre eine Katastrophe für die Demokratie", wiederholt der Journalist seine Aussage. Bis zum 20. Januar, der Amtseinführung Bidens, könnte noch einiges passieren, sind sich am Ende auch die Gäste im Studio sicher. Trotzdem wirft die Journalistin Kristina Dunz auch die Frage auf, wie es sein könne, dass dennoch rund 70 Millionen Amerikaner für Trump gestimmt hätten – mehr noch als bei er ersten Wahl. Sie sieht es auch als europäische Aufgabe, die USA wieder zu einem vereinten Land zu machen.
Im zweiten Teil der Sendung dreht sich die Debatte um die Corona-Impfstoffe und wie diese in Deutschland verteilt werden. Zu Gast ist an diesem Abend auch der CDU-Politiker Karl-Josef Laumann. Er ist Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales in NRW und er sei Lanz in letzter Zeit insbesondere durch eine emotionale Rede im Landtag aufgefallen. Darin erklärt er, dass noch kein Ministerpräsident vorher und noch kein Gesundheitsminister vorher ein ganzes Volk in einem Bundesland habe "durchimpfen müssen". Er sagt weiter, er habe nur das Personal im Gesundheitssystem, das da ist: "Die Ärzte, die da sind, sind da. Ich habe keine anderen. Wir stehen vor einer Mammutaufgabe. Da muss ich offen zugestehen, ich habe richtig Manschetten."
Ob Deutschland in Bezug auf den Impfstoff "verpennt" hätte, will Lanz von ihm wissen. Er zögert etwas und sagt dann: "Natürlich hätte ich mir zum jetzigen Zeitpunkt auch mehr Impfstoff gewünscht." Trotzdem sagt Laumann, er schätze Gesundheitsminister Jens Spahn sehr und könne die deutsche Entscheidung nachvollziehen. Als es um die Bestellung des Impfstoffes ging, habe Deutschland eben nicht nur auf "ein Pferd gesetzt", sondern auf mehrere Hersteller. "Damals sei nicht klar gewesen, wer zu erst kommen würde", erklärt der 63-Jährige.
Das sieht die Oberärztin in der Notaufnahme im Uniklinikum Essen anders. Gefragt, wie viele Mitarbeiter in ihrem Krankenhaus bereits gegen Corona geimpft wurden, gibt Dr. Carola Holzner eine ernüchternde Antwort: "Niemand." Das Haus habe noch keine Impflieferung erhalten. Und sie wendet sich direkt an ihren Gesundheitsminister: "Ich kann mir auch kein Personal stricken, wie Sie selbst sagen. Aber wenn wir nicht priorisiert werden, dann haben wir bald gar kein Personal mehr." Deshalb habe sie einen offenen Brief an die Regierung geschrieben. Sie wünscht sich eine zentrale Koordinationsstelle, die in der ganzen Bundesrepublik dafür sorgt, dass eine Gruppe nach der anderen geimpft wird. Einige ihrer Kollegen seien bereits erkrankt oder liegen sogar auf der Station: "Wenn Sie da ihre Kollegen so sehen, das wollen Sie echt nicht haben."
Laumann widerspricht und ist der Meinung, dass zentral regierte Länder auch nicht besser durch die Pandemie gekommen wäre als föderal organisierte. Er wisse dennoch, dass es Länder gebe, die das mit der Impfung besser machten als Deutschland. Moderator Markus Lanz bringt Israel ins Spiel, das sich gleich eine große Impfmenge gesichert hatte. Doch der Minister meint, wenn einzelne Länder in Europa so vorgegangen wären, hätte das auf Dauer etwas mit der EU gemacht. Verantwortlich macht er am Ende die EU-Kommission. Auch Kristina Dunz findet, dass diese zu schwerfällig gehandelt habe und ist der Meinung, dass wir noch ein halbes Jahr durchharren werden müssen, bis allen Bundesbügern ein Impfstoffangebot gemacht werden könne.
Dann mischt noch eine Ärztin die Diskussion auf: Dr. Lisa Federle kommt aus Tübingen und hat eine Aktion mit kostenlosen Schnelltests ins Leben gerufen – und das gleich zu Beginn der Krise. Mit Freiwilligen hat sie von Anfang an Menschen getestet, insbesondere in Altenheimen und auch bei alten Menschen zu Hause. Der "Tübinger Weg" wurde in ganz Deutschland bekannt und wie sich in der Sendung herausstellt, auch über Landesgrenzen hinaus. Die Ärztin ist davon überzeugt, dass es von Anfang an möglich gewesen wäre, die vulnerable Gruppe zu schützen, wenn man so vorgegangen wäre, wie sie es in Tübingen initiiert hat.
Während in Essen nur getestet wird, wenn jemand Symptome hat oder Kontakt zu einer infizierten Person hatte, wird in Tübingen in vielen Heimen und Einrichtungen systematisch getestet – kostenlos. Eine Sache ärgert Federle besonders. Und auch Laumann kritisiert sie dafür. Die Politiker würde sich sowohl beim Testen als auch bei der Impfstrategie nur auf die Altenheime konzentrieren und darüber vergessen, dass 90 Prozent der alten Menschen zu Hause leben.
Derzeit könnten die Leute nicht zu Hause geimpft werden, weil beim Impfstoff von Biontech in einer Ampulle fünf Einheiten enthalten wären, somit auch fünf Menschen geimpft werden müssten, damit der übrig gebliebene Stoff nicht weggeschmissen werden müsse. Und das würde derzeit nicht gehen. "Das werfe ich der Politik schon vor", sagt die Tübingerin. Auch Holzner bestätigt, dass viele alte Menschen sich in der häuslichen Pflege anstecken würden. Der "Tübinger Weg" sei auch bereits in den USA und Großbritannien bekannt, erklärt Federle: "Die BBC und das Wall Street Journal rufen bei uns an und wollen bei uns drehen."
Die Tübinger Ärztin ist zudem auch davon überzeugt, dass es gar nicht zu wenig Personal gebe. Bei ihr würden die Menschen die "Bude einrennen" und helfen wollen. "Die Menschen hocken zu Hause und haben nichts zu tun, man muss sie nur herholen", erklärt sie. Sie würde nicht nur mit großen Initiativen zusammenarbeiten, sondern mit vielen Freiwilligen, die mit ihr testen. In noch einem Punkt sind sich die beiden anwesenden Ärztinnen an diesem Abend sicher: Die Menschen seien in Deutschland gar nicht so skeptisch gegenüber der Impfung, aber es würde eine ausreichende Aufklärung fehlen.
Holzner, die selbst sehr aktiv auf Social Media ist, sagt, sie würde täglich sämtliche Frage dazu im Netz beantworten und dabei würde es um "fundamentale Aufklärung" gehen. Sie glaubt, wenn dies besser funktionieren würde, würden auch mehr Menschen einer Impfung zustimmen.
Am Ende der Sendung geht es noch einmal um die Kanzlerkandidaten der CDU/CSU, die beim nächsten Parteitag beschlossen werden sollen. "Könnte Söder Kanzler?", fragt Lanz den CDU-Politiker Laumann. "Herr Söder ist ein herausragender Ministerpräsident und könnte sicherlich auch Kanzler sein. Das hat die Geschichte bereits gezeigt." Er selbst spricht sich dennoch für Armin Laschet aus, der derzeit sein Ministerpräsident ist. "Wir brauchen in der CDU jemanden, der von der Mitte aus alle Flügel zusammenhält. Das traue ich Laschet am meisten zu", erklärt der 63-Jährige.
Ob er dann selbst Ministerpräsident werden wollen würde, will Lanz anschließen wissen. "Ich bin nicht der Typ dafür. Ich mache das, was ich heute mache. Ich glaube, es gibt Kandidaten mit einem besser Profil." "Was fehlt Ihnen?", hakt Lanz nach. "Es gibt Gründe, darüber möchte ich nicht reden." Er sei durch und durch Sozialpolitiker und der Politiker der "kleinen Leute". Am Ende sagt er noch etwas Interessantes: Er beschreibt die CDU heute als Partei, die sich um die "kleinen Leute" kümmere – nicht die SPD.