Es wurden einige Kampf-Abstimmungen beim digitalen Parteitag der Grünen erwartet, nach den ersten beiden Tagen zeigt sich: Die grüne Parteibasis stärkt ihrer unter Beschuss geratenen Parteispitze den Rücken und stimmt gegen die eingebrachten Änderungsanträge zum Wahlprogramm.
Insbesondere die Grüne Jugend und Fridays-for-Future-Aktivist Jakob Blasel hatten gefordert, ambitioniertere Maßnahmen im Kampf gegen den Klimawandel in das Programm zu schreiben, so wie die rechtliche Grundlage für einen bundesweiten Mietendeckel zu schaffen. Die Abstimmungen darüber verloren die linken Teile der Partei.
Der Sprecher der Grünen Jugend Georg Kurz bedauert die Entscheidung der Delegierten gegenüber watson: "Wir können verstehen, dass die Angriffe der letzten Wochen dazu geführt haben, dass auch bei den Grünen die Lust auf mutige Vorschläge ein wenig vergangen ist. Es ist aber keine vorausschauende Strategie, Vorschläge aus Angst vor dem politischen Gegner abzuräumen.
Es ist ganz normal, dass Anträge abgelehnt werden, weil es einfach unterschiedliche inhaltliche Überzeugungen gibt. Aber die Angst davor, dass etwas gesellschaftlich nicht mehrheitsfähig sein könnte, ist kein gutes Argument. Davon sollte man sich nicht treiben lassen, sonst führt das letztlich dazu, dass die anderen unsere Politik bestimmen."
Damit setzt sich die Parteispitze bisher klar gegen den linken Teil der Partei durch. Grünen-Chef Robert Habeck hatte bereits vor dem Parteitag gefordert, sich in Sachen Änderungsanträgen zurückzuhalten. "Wir sind pragmatisch und spielen nicht Wünsch-dir-was", hatte er gegenüber dem "RedaktionsNetzwerkDeutschland" erklärt.
Bisher beherzigen die Delegierten Habecks Ansage, womöglich auch aus Angst vor den Wählern. Die Partei war nach einem fulminanten Start in den Wahlkampf mit der Kür ihrer Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock schwer unter Beschuss geraten. So waren nicht angegebene Einkommen und fehlerhafte Angaben im Lebenslauf von Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock Gegenstand heftiger Kritik geworden.
Ein vor dem Parteitag erschienener Artikel im "Spiegel" hatte gar gefordert, Robert Habeck nun statt Annalena Baerbock ins Rennen zu schicken. Diesem Ratschlag erteilten die Delegierten eine Absage. Am Samstag bestätigte ihre Partei Baerbock mit 98,5 Prozent der Stimmen trotz absackender Umfragewerte.
Laut neuesten Erhebungen liegt Baerbock nun hinter ihren Konkurrenten Armin Laschet und Olaf Scholz in der Wählergunst abgeschlagen auf Platz drei. Dem Trend wollen die Grünen nun mit Rückenwind durch den Parteitag entgegenwirken. Am Sonntag soll dann auch das Wahlprogramm final verabschiedet werden, mit dem die Partei in den Bundestagswahlkampf 2021 geht.