Die Nachricht machte am Mittwoch die Runde: Der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman soll US-Milliardär Jeff Bezos gehackt haben. Und während die Angelegenheit ohnehin schon hohe Wellen schlägt, könnte die Sache bald noch viel weitere Kreise ziehen.
Was ist da eigentlich los – und was sind die möglichen Hintergründe? watson hat für euch die Übersicht über alle offenen Fragen.
Der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman soll dem US-Milliardär Jeff Bezos, dem neben Amazon auch die "Washington Post" gehört, per Whatsapp eine Malware aufs Handy geschickt haben. Mit dieser soll bin Salman das Handy von Bezos ausgespäht haben. Das berichtet der "Guardian".
Angeblich hat bin Salman Nacktfotos und private Informationen aus Bezos' Telefon gezogen – und diese an seinen Freund David Pecker weitergegeben. Dem wiederum gehört das Boulevard-Blatt "National Enquirer", das im Januar 2019 einen Bericht – man könnte auch sagen: Eine Schmutzkampagne – über eine angebliche außereheliche Affäre von Bezos veröffentlichte. Schon damals hatte Bezos die Saudis beschuldigt, hinter der Veröffentlichung zu stecken.
Laut dem Bericht soll es nicht um Amazon gegangen sein. Vielmehr soll MBS, wie der mächtigste Mann im Königreich Saudi-Arabien allgemein abgekürzt wird, Bezos' Zeitung "Washington Post" im Visier gehabt haben. Der Grund: Sie veröffentlichte Artikel des regimekritischen Journalisten Jamal Kashoggi. Der wiederum wurde im Oktober 2018 im saudischen Konsulat in Istanbul ermordet. Das saudische Königshaus weist zwar jede Beteiligung daran zurück, ist aber einer der Hauptverdächtigen in dem Mordfall.
Die Veröffentlichung könnte das Ergebnis einer gescheiterten Erpressung sein. Möglicherweise wollte bin Salman Bezos dazu bringen, kritische Berichte über ihn oder andere Mitglieder des saudischen Königshauses zu stoppen. Als Bezos dies ablehnte, machte der Kronprinz seine Drohung wahr.
Der saudische Kronprinz und der reichste Mann der Welt haben sich Ende März 2018 in Seattle getroffen. Sie sollen über Kooperationsmöglichkeiten von Amazon mit Saudi-Arabien gesprochen haben. Auch mögliche Investitionen Bezos' in Saudi-Arabien sollen ein Thema gewesen sein.
MBS war auf einer regelrechten Tour durch die Vereinigten Staaten und traf neben Bezos auch unter anderem Microsoft-Chef Bill Gates, Ex-US-Präsident Bill Clinton, Disney-Chef Bob Iger, Tesla-Chef Elon Musk, die IWF-Chefin Christine Lagarde, Medien-Mogul Rupert Murdoch – die Liste ist lang und hochkarätig.
Nicht bekannt ist, mit wie vielen von ihnen der Kronprinz auch die Nummern getauscht hat – und damit Zugang zu ihrem Telefon haben könnte. Darin liegt die eigentliche Brisanz: Wen könnte MBS als Nächstes erpressen? Oder wen erpresst er möglicherweise bereits?
Das saudische Königshaus soll im Besitz der Cyberwaffe Pegasus sein. Diese wird von der israelischen Firma NSO hergestellt. Das berichtet der Journalist İyad el-Baghdadi, der palästinensische Wurzeln hat und als anerkannter Flüchtling in Norwegen lebt. Er hat laut eigenen Angaben in der Sache seit Februar 2019 recherchiert. In einem Artikel für die "Washington Post" schreibt er, er werde von den saudischen Behörden gejagt.
Das deckt sich mit Angaben von Edward Snowden. Der US-Whistleblower hatte schon im Oktober 2018 anlässlich der Ermordung Kashoggis erklärt, die Saudis hätten zur Ausspähung des Journalisten Pegasus verwendet.
NSO allerdings weist das zurück. Ihre Technologie werde ausschließlich an "legitime" Regierungen verkauft, die damit Verbrechen und Terror vorbeugen sollten.
Angenommen, MBS hat es wirklich über Pegasus in Bezos' Handy geschafft – dann könnte Donald Trumps Schwiegersohn Jared Kushner eine wichtige Rolle gespielt haben. Laut el-Baghdadi soll er den Deal zwischen der israelischen Firma und dem saudischen Königshaus eingefädelt haben.
Kushner und bin Salman gelten als gute Freunde. Sie sollen ebenfalls über Whatsapp kommunizieren – daraus folgt, dass MBS' Spionage im Zweifelsfall bis ins Weiße Haus reichen könnte: Kushner ist nicht nur Trumps Schwiegersohn, sondern auch einer seiner wichtigsten Berater.