Im nordafrikanischen Sudan kommt es seit dem Wochenende zu erneuten gewaltsamen Ausschreitungen.Bild: AP / Marwan Ali
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Der Sudan wird seit Samstag von Gewalt erschüttert. Schüsse hallen in der Hauptstadt Khartum, unterschiedlichste Artillerie ist zu hören. Die vergangenen Tage kam es zu heftigen Kämpfen zwischen dem Militär und Paramilitärs.
Rund 100 Zivilist:innen sollen laut einer sudanesischen Ärzte-Organisation bisher mindestens getötet worden sein – die Opferzahlen steigen weiter an. Machthaber al-Burhan und sein Vize Daglo haben das nordostafrikanische Land erneut ins Chaos gestürzt. Noch ist nicht absehbar, wer von beiden die Oberhand gewinnt.
Denn der Grund für den Gewaltausbruch ist ein seit langem schwelender Konflikt zwischen zwei großen Machtapparaten des Sudans: der Armee auf der einen Seite und die paramilitärischen sogenannten Rapid Support Forces (RSF). Und somit auch zwischen dem momentanen Machthaber des Landes und Oberbefehlshaber der Armee, General Abdel Fattah al-Burhan und seinem Stellvertreter, Milizenführer Mohammed Hamdan Daglo, auch bekannt als Hemeti.
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Seit Samstag droht das nordostafrikanische Land angesichts der Kämpfe zwischen den Streitkräften und einer einflussreichen paramilitärischen Truppe im Chaos zu versinken. Doch wie konnte es so weit kommen und wie geht es jetzt weiter? Ein Überblick.
Warum kommt es zu Kämpfen in dem Land?
Im Sudan stehen sich zwei große Militärapparate gegenüber. Die sudanesischen Streitkräfte unter Machthaber General Abdel Fattah al-Burhan und die paramilitärischen RSF unter Führung seines Stellvertreters Mohammed Hamdan Daglo. Die RSF soll in die sudanesische Armee integriert werden. Deshalb kam es seit Wochen zu Spannungen zwischen den beiden Militärführern. Die gewaltsamen Eskalationen kamen wohl zustande, weil nicht geklärt ist, wer künftig das Oberkommando über die Truppen erhalten wird.
Herrscher General Abdel Fattah al-Burhan leitet die sudanesischen Streitkräfte.Bild: AP / Aron Ranen
Wer kontrolliert das Land aktuell?
Am zweiten Tag nach Beginn der Gefechte war die Lage unübersichtlich. Sowohl die Armee als auch die RSF berichteten von einzelnen eingenommenen Militärstützpunkten. Allerdings ließen sich diese Behauptungen zunächst nicht unabhängig überprüfen. Die Armee hat seit dem Sturz des Langzeitmachthabers Omar al-Baschir 2019 faktisch die Kontrolle über das nordostafrikanische Land mit rund 46 Millionen Einwohnern. Bislang arbeitete sie eng mit den RSF zusammen.
Wer sind die RSF?
Die Rapid Support Forces schlossen sich 2013 aus einem Konglomerat ehemaliger Milizen im westlichen Bundesstaat Darfur zusammen. In der Region kommt es seit Jahrzehnten zu Auseinandersetzungen zwischen der arabisch dominierten Regierung und der afrikanischen ethnischen Minderheit. Die RSF unterstützten dort zunächst die Regierung und galten als besonders brutal.
Human Rights Watch zufolge soll die Gruppe und ihr Anführer Daglo für Menschenrechtsverletzungen wie Massenvergewaltigungen verantwortlich sein. Jahrelang arbeiteten die RSF mit dem Militär zusammen. Laut Schätzungen soll die Miliz Zehntausende Kämpfer haben, die Streitkräfte besitzen aber mehr schweren Waffen und können mit ihrer Luftwaffe punkten.
Wie war die politische Lage im Sudan bis zur Eskalation?
Unter Langzeitmachthaber Omar al-Baschir war der Sudan zuletzt in eine verheerende Wirtschaftskrise geraten. Die Preise für Lebensmittel und Benzin sind dramatisch angestiegen. Doch nach Massenprotesten der Bevölkerung musste al-Baschir 2019 nach einem Militärputsch seinen Stuhl räumen. Eigentlich sollte eine zweijährige Übergangsphase zu demokratischen Wahlen folgen.
Allerdings konnte eine zwischenzeitlich vom Militär eingesetzte und kontrollierte Zivilregierung unter der Leitung von Premierminister Abdalla Hamdok das Land nicht stabilisieren. Al-Burhan setzte sie 2021 deshalb erneut ab. Im April 2023 hätte die Militärregierung erneut Kompetenzen an zivile Politiker abtreten sollen. Eine Voraussetzung war aber: Die RSF-Truppen hätten in die sudanesische Armee eingegliedert werden müssen.
Welche ausländischen Mächte haben im Sudan Einfluss?
Beide Militärführer haben regionale Verbündete. Laut Rashid Abdi, Sudan-Experte des Thinktanks Shahan, der sich auf das Horn von Afrika spezialisiert hat, unterstützen die Länder Äthiopien und Eritrea den Milizenführer Daglo, Ägypten hingegen Machthaber al-Burhan. Hintergrund ist ein Streit um ein Staudammprojekt am Nil in Äthiopien. Ägypten versucht das gemeinsam mit dem Sudan zu verhindern. Das wohlhabende Saudi-Arabien sieht sich wiederum als Vermittler.
Soldaten und Kämpfer der RSF unterstützen zudem das von Saudi-Arabien geführte Militärbündnis im Krieg gegen die Huthi-Rebellen im Jemen. International rückte der Sudan zuletzt nach einem Besuch des russischen Außenministers Sergej Lawrow in den Fokus. Russland plant einen Marinestützpunkt an der sudanesischen Küste am Roten Meer. Das führte zuletzt zu Spannungen mit den USA, die wiederum Sorge um ihren Einfluss in der Region haben.
Omar al-Baschir war von 1993 bis zu einem Militärputsch im April 2019 sudanesischer Staatspräsident.Bild: imago / Xinhua
Spielt Ex-Machthaber Omar al-Baschir in dem Konflikt eine Rolle?
Der Sudan wurde fast 30 Jahre lang von Omar al-Baschir diktatorisch regiert. Obwohl das Militär den Langzeitmachthaber 2019 endgültig entmachtete, gab es vor dem Sturz al-Baschirs demokratische Massenproteste der Bevölkerung. Im Anschluss wurde der 79-Jährige von einem sudanesischen Gericht wegen Korruption zu lediglich zwei Jahren Haft verurteilt. Außerdem muss sich al-Baschir vor Gericht wegen seines Putsches aus dem Jahr 1989 verantworten. Im schlimmsten Fall droht ihm die Todesstrafe.
Gleichzeitig gibt es in der Bevölkerung noch Anhänger des alten Machthabers. Vor allem islamistische Gruppen betrachten den Demokratisierungsprozess als vom Westen aufgezwungen. Bei einer Versammlung, an der laut Berichten auch al-Bashir-Anhänger:innen teilnahmen, kam es zuletzt zu Morddrohungen gegen den UN-Sonderbeauftragten Volker Perthes.
Wie geht es jetzt weiter?
Aktuell zeichnet sich noch nicht ab, welche der beiden Fraktionen die Oberhand im Sudan gewinnen wird. "Dies war immer das Albtraum-Szenario", sagt Alan Boswell, Sudan-Experte beim Thinktank International Crisis Group. Ein langer Kampf zwischen sudanesischem Militär und RSF könne den Sudan fragmentieren und die gesamte Region am Horn von Afrika destabilisieren.
Die internationale Gemeinschaft dringt daher auf ein schnelles Ende der Gewalt und Verhandlungen zwischen al-Burhan und Daglo. Das Konfliktpotenzial zwischen al-Burhan und Daglo sei allerdings lange blindlings ignoriert worden, meint Sudan-Experte Abdi. Ein Übergang zu einer zivilen und demokratisch gewählten Regierung ist offenbar allerdings durch die Kämpfe in jedem Fall nochmals weiter in die Ferne gerückt.
(Mit Material der dpa)
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