76 Tage lang war Jürgen Klinsmann Trainer bei Hertha BSC, bis er am 11. Februar per Facebook seinen Rücktritt erklärte, ohne zuvor die Vereinsführung darüber zu informieren.
Nach dem plötzlichen Abschied beim Hauptstadtklub sorgt nun nach Informationen der "Sport Bild" ein für den damaligen Trainer verfasstes Protokoll für Wirbel.
Aus Klinsmanns Umfeld hieß es dazu am Mittwoch, dass es sich um ein internes Papier für Klinsmann und einen Partner handele. Diese interne Bestandsaufnahme und Analyse sei geleakt worden.
In dem Papier steht unter anderem: "Der Klub hat keine Leistungskultur, nur Besitzstandsdenken und es fehlt jegliches Charisma in der Geschäftsleitung." Zu den Beziehungen der Profis zu Geschäftsführer Michael Preetz zitiert das Magazin: "Es gibt eine Lügenkultur, die auch das Vertrauensverhältnis der Spieler mit Preetz zerstört hat." Beispiel: Stürmer Dodi Lukebakio habe gesagt, Preetz hätte ihm einen Stammplatz versprochen.
Zudem werden "jahrelange katastrophale Versäumnisse von Michael Preetz in allen Bereichen, die mit Leistungssport zusammenhängen" kritisiert. Auch Präsident Werner Gegenbauer bekommt sein Fett weg: Klinsmann beschreibt ihn unter anderem als "völlig übel gelaunten Präsident".
Klinsmann rät außerdem: "Die Geschäftsleitung muss sofort komplett ausgetauscht werden. Sollte dies nicht passieren, werden auch die tollen Neuzugänge nach einer gewissen Zeit zu 'Durchschnittsspielern', weil es die Grundregel auch im Fußball gibt: Du bist nur so gut wie Dein Umfeld. Die Spieler passen sich zweifelsohne dem Niveau des Klubs an – nicht umgekehrt."
Überraschend: Als Klinsmann noch im Aufsichtsrat war, zwei Tage bevor er Trainer bei Hertha wurde, hatte er intern vorgeschlagen, Ralf Rangnick zu installieren. Auch das geht laut "Sport Bild" aus dem geleakten Protokoll hervor: "Anruf Klinsmann bei Ralf Rangnick, der bereits zwei Mal (Hoffenheim und Leipzig) solche Aufgaben erfolgreich umgesetzt hat. Rangnick teilt unmissverständlich mit, dass er das Projekt Berlin spannend findet, in einer Konstellation mit Michael Preetz als sein Vorgesetzter jedoch niemals kommen würde."
Mit deutlichen Worten hatte Hertha-Investor Lars Windhorst seinerzeit den Stil Klinsmanns bei dessen Abschied kritisiert: "Das kann man als Jugendlicher vielleicht machen, aber im Geschäftsleben, wo man ernsthafte Vereinbarungen hat, sollte man das nicht machen." Hertha BSC und Preetz waren zunächst für Stellungnahmen nicht zu erreichen.
Laut "Sport Bild" nahm Hertha BSC bereits Stellung zu dem Tagebuch. Demnach würden "nahezu sämtliche Vorwürfe und Behauptungen nicht der Wahrheit entsprechen". Der Verein werde sich nicht an einer öffentlichen Kontroverse beteiligen, zumal ihm auch im Interesse von Klinsmann daran gelegen sei, "diese Personalie zu einem würdigen Ende zu bringen."
Das Management von Ex-Bundestrainer Klinsmann bestätigte gegenüber dem SID die Echtheit, rätselt allerdings darüber, wie das Protokoll an die Öffentlichkeit gelangen konnte. Der Fußballlehrer habe keine Absicht, eine Abrechnung mit Hertha zu betreiben. Eine weitere Stellungnahme gab es nicht.
(as/dpa/tol/sid)