Ziemlich bescheiden. So kann man den Auftritt von Maximilian Eggestein bewerten, als er vor wenigen Tagen das erste Mal in seiner Karriere zur Nationalmannschaft stieß. Während die meisten Medien über den Wert der Balenciaga-Jacke von Leroy Sané nachdachten, erklärte er den TV-Journalisten nur: "Ich bin neu dabei und habe kein Recht, Ansprüche zu stellen. Ich freue mich erstmal hier zu sein."
Dabei hat der 22-Jährige ziemlich viele Argumente, um Ansprüche anzumelden. In dieser Saison ist er unumstrittener Stammspieler, stand in der Bundesliga in jedem Spiel über 90 Minuten auf dem Platz und gab in den vergangenen drei Partien drei Torvorlagen. Wenn man Experten glaubt, dann wird Eggestein eher früher als später zum Stammspieler in der Nationalelf.
Schon Monate vor der Nominierung adelte ihn Bundestrainer Joachim Löw: "Ich finde es für sein Alter wirklich sehr, sehr reif, wie er spielt." Gegen Serbien gab er jedoch noch nicht sein Debüt. Dabei dürfte dies nur eine Frage der Zeit sein, denn Eggestein ist das, was Löw sehr gerne mag: Vielseitig.
Als der damals 17-jährige Eggestein als zweitjüngster Bundesliga-Spieler von Werder im November 2014 vom damaligen Coach Viktor Skripnik erstmals im Oberhaus eingewechselt wurde, stand er als Offensivspieler hinter der Sturmreihe auf dem Platz. Skripniks Nachfolger Alexander Nouri sah in ihn eher einen Sechser, der das Spiel lesen kann. Sein jetziger Coach setzt ihn als eine Art Mischung aus beidem ein, sodass er in den Halbräumen an die Bälle kommt.
Die Vielseitigkeit durch seine Technik, das gute Raumgefühl und die Finesse zeigte er erst am vergangenen Wochenende, als er beim 3:1-Sieg bei Bayer Leverkusen das 1:0 vorbereitete – Eurosport-Experte Matthias Sammer bezeichnete die Vorlage bescheiden als "weltklasse". Bei der Ball-Eroberung vor dem 3:1 zeigte er seine Qualitäten als Sechser.
Um in der Offensive noch gefährlicher zu werden, legte er Sonderschichten beim Torschuss-Training ein. Mitspieler wie Routinier Claudio Pizarro bestärkten ihn mehr im Spiel zu wagen: "Ich habe Maxi gesagt, dass er mehr schießen muss, weil er einen richtig guten Schuss hat." In dieser Saison traf er bisher sechs Mal. ("Bundesliga.com")
So ganz zufrieden ist der gierige Eggestein trotzdem nicht mit seinem Gesamtpaket. In einem Geschwister-Interview bei "Werder.TV" mit seinem ebenfalls für Werder spielenden, jüngeren Bruder erklärte er auf die Frage, was für ein Talent er sich wünsche: "Schnelligkeit."
Zu wenig laufen tut Eggestein dafür nicht. Was ihn nämlich auch ausmacht: Er hat die Lunge eines Pferdes. Mit 312,04 Kilometern lief er in dieser Saison von allen 450 bisher eingesetzten Bundesliga-Profis am zweitmeisten. Lediglich Nationalmannschaftskollege Joshua Kimmich lief mehr – aber auch nur 300 Meter mehr. Eggestein ist ein Kämpfer und stellt sich in den Dienst der Mannschaft.
Eggestein könnte der nette Typ sein, mit dem du nach der Schule gerne deinen Schulweg geteilt hast. Wie angenehm normal er ist, offenbarte er einst im Interview mit seinem Bruder:
Früherer Berufswunsch?
"Pilot"
Lieblingsserie?
"Prison Break"
Die intelligenteste Person, die du kennst?
"Unser Vater"
Und sein Bruder Johannes? Der erklärte nur, dass Maxi der Held seiner Kindheit gewesen sei. Ein echter großer Bruder eben.
Auch sonst ist Eggestein eher der normale Junge von nebenan. Anders als seine Mitspieler hat er keine Millionen Followern auf Instagram, Facebook, Twitter oder Snapchat – denn er hat schlicht und ergreifend keine offiziellen Social-Media-Accounts.
Ob Eggestein bei der Konkurrenz im deutschen Mittelfeld mit Spielern wie Toni Kroos, Leon Goretzka oder Kai Havertz in der Offensive und Ilkay Gündogan oder Joshua Kimmich in der Defensive durchsetzen kann, wird sich zeigen. Es ist fraglich, ob er im ersten DFB-Härtestet gegen die Niederlande sein Debüt geben darf.
Klar ist, dass er ähnlich wie seine Konkurrenten im deutschen Mittelfeld ziemlich bald international spielen könnte. Mit Werder kämpft er um den Einzug in die Europa League und seine Leistungen wecken sowieso allerhand Begehrlichkeiten. Borussia Dortmund soll laut Medienberichten für den wertvollen Bremer (tm.de beziffert ihn auf 25 Millionen Euro...) ein konkretes Angebot vorgelegt haben.
(bn)