Nach wie vor hat die Corona-Krise Deutschland fest im Griff. Angela Merkel verkündete, dass die Einschränkungen des öffentlichen Lebens bis mindestens zum 19. April gelten werden. Man wolle sichergehen, dass das Gesundheitssystem nicht überfordert werde. Die Kanzlerin stellte klar: "Auf jeden Fall leben wir weiter in der Pandemie."
Bei "Markus Lanz" gibt es seit Wochen kein anderes Thema als Corona. So auch am Donnerstagabend. Virologe Hendrik Streeck, Pathologe Klaus Püschel, Wissenschaftsjournalist Dirk Steffens und Unternehmer Martin Kind sprachen über die Einschränkungen und die Ängste, die die Menschen umtreiben. Besonders das stark betroffene Heinsberg in Nordrhein-Westfalen stand einmal mehr im Mittelpunkt.
Virologe Streeck arbeitet am Corona-Forschungsprojekt in Heinsberg. Durch Stichproben konnte herausgefunden werden, dass die Sterblichkeitsrate am Coronavirus in Heinsberg bei 0,37 Prozent liege. Markus Lanz sagte erstaunt: "Wir gehen die ganze Zeit von einer höheren Sterblichkeitsrate aus."
Der Virologe stellte klar: "Das Problem ist, wie man testet. Dadurch haben wir in Deutschland eine niedrigere Sterblichkeitsrate." In Heinsberg stellten sein Team und er fest, dass sich rund 15 Prozent der Untersuchten angesteckt hatten, manche davon hatten keine Symptome gezeigt. Die Zahl der tatsächlich Infizierten lag somit deutlich höher, als von den Ämtern angenommen wurde. Dadurch liegt die Sterberate in Heinsberg unter dem Bundesschnitt.
Weiter erklärte der Virologe: "Insgesamt muss man davon ausgehen, dass wir eine Immunität bekommen, die die Geschwindigkeit der Ausbreitung verlangsamt. Wir sind auf einem guten Weg, eine Immunität zu erreichen." Streeck betonte:
Durch die getroffenen Maßnahmen der Politik hätten wir gelernt, mit dem Virus umzugehen.
"Wir kriegen das Virus nicht aus der Bevölkerung raus", so der Virologe. Er würde aber keine stärkere Ausbreitung mehr sehen.
Besonders in Heinsberg sei er weiter damit beschäftigt, die Karnevalssitzung zu analysieren. Der Karneval gilt als das Event, das in Nordrhein-Westfalen die Ausbreitung des Virus vorantrieb.
Schmutzige Biergläser sollen die Ausbreitung schon einmal nicht verursacht haben, "weil aus Flaschenbier getrunken wurde".
Doch bei einem Aspekt wurde der Virologe besonders stutzig:
Das Robert-Koch-Institut geht davon aus, dass die Inkubationszeit bei einer Ansteckung mit dem Coronavirus zwischen fünf bis sechs Tagen liegt. Das heißt, es dauert rund fünf bis sechs Tage, bis Patienten nach einer Ansteckung Symptome zeigen.
Dass die Inkubationszeit in Heinsberg so kurz war, stellt entweder die bisherigen Annahmen infrage. Oder deutet daraufhin, dass der eigentliche Ausbruch schon vor jener Karnevalsfeier stattfand.
Es sei wichtig, die derzeitige Situation nicht zu überdramatisieren und auch nicht zu bagatellisieren, erklärte Streeck weiter. "Das Virus ist neu für die Menschheit, wir haben keine Immunität", erklärte Streeck. Wir müssten lernen, mit SARS-CoV-2 zu leben, da es Teil der Menschheit werde. Andere Coronaviren würden uns im Herbst und im Winter ebenso Probleme machen.
Das Wetter werde teilweise einen Einfluss auf die Verbreitung haben, sagte Streeck. Mit der Umsetzung der gängigen Hygieneregeln könnte eine Lockerung der Maßnahmen herbeigeführt werden. Er sagte zudem:
Pathologe Klaus Püschel steht im Gegensatz dazu vor ganz anderen Herausforderungen: Er untersucht die Corona-Toten – entgegen der Empfehlung des Robert-Koch-Instituts.
Für den Rechtsmediziner sei diese Herangehensweise nicht nachvollziehbar: "Ich glaube, das war eine völlig falsche Maßnahme, dass weiterführende Untersuchungen an Toten vermieden werden sollen. Ich finde, das ist ein falscher Zugangsweg." Streeck stimmte dem zu: "Man hat auch Schutzmaßnahmen, wenn man obduziert. Ich würde mir das auch wünschen."
Lanz stellte erneut die Frage, die derzeit immer wieder diskutiert wird: "Sterben Menschen an oder mit Corona?" Püschel antwortete: "Die Menschen denken, die Infektion ist eine tödliche Gefahr. Ich bin davon überzeugt, dass statistisch gesehen am Ende dieses Jahres die Krankheit keine Rolle spielt. Wir schreiben das jetzt diesem Virus zu." In Hamburg habe er Menschen mit ernsthaften Erkrankungen obduziert. Sein Fazit:
Martin Kind, Investor beim Bundesligist Hannover 96, zeigte sich in der Runde besonders optimistisch. Hannover 96 habe die Quarantäne moderat überstanden, es gab zwei Erkrankte. Die infizierten Spieler hätten keine Symptome gehabt.
Ginge die Bundesliga im Mai wieder los, könnte die Saison bis zum 30. Juni beendet werden, sagte er. Kind meinte: "Der körperlose Fußball wird nicht möglich sein. Wenn sich einer infiziert, wird der aus der Gruppe genommen."
Wissenschaftsjournalist Dirk Steffens mahnte zum Schluss an: "Umweltschutz ist Seuchenschutz. Corona kommt aus der Wildnis." Von den großen Krankheiten würden zwei Drittel von Tieren stammen. Umweltzerstörung, Massentierhaltung und Globalisierung würden zusammenwirken. "Wir müssen endlich verstehen, dass die Erde ein geschlossenes Geosystem ist."