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ZDF-Moderator zurückgewiesen: Lanz will Virologe aus Reserve locken – es geht schief

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Markus Lanz sprach mit Jonas Schmidt-Chanasit über die aktuellen Corona-Maßnahmen.Bild: screenshot zdf
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Markus Lanz will Virologe aus der Reserve locken – es geht schief

30.09.2020, 17:0801.10.2020, 10:57
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Während in der Nacht zu Mittwoch mit dem TV-Duell zwischen Donald Trump und Joe Biden der Wahlkampf in den USA in die heiße Phase geht, wird hierzulande vor allem über die neuen Anti-Corona-Maßnahmen, die beim Bund-Länder-Gipfel beschlossen wurden, debattiert. Markus Lanz sprach mit seinen Gästen am Dienstag über beide Themen und versuchte vor allem Virologe Jonas Schmidt-Chanasit aus der Reserve zu locken.

  • ZDF-Amerika-Korrespondent Elmar Theveßen
  • Peter Tschentscher, SPD-Politiker und Hamburgs Erster Bürgermeister
  • "Spiegel"-Redakteurin Christiane Hoffmann
  • Virologe Jonas Schmidt-Chanasit
  • Künstler Ai Weiwei

Elmar Theveßen war aus Cleveland in Ohio live ins Studio geschaltet und berichtete von der Stimmung vor dem ersten TV-Duell. Die Stimmung sei "polarisiert", meinte er. Aber er berichtete auch von Donald Trumps Steuerzahlungen, die von der "New York Times" offengelegt wurden, und mit 750 Dollar äußerst gering ausgefallen sind. Das könnte den Präsidenten nun noch mächtig unter Druck setzen. Abseits davon mahnte Journalist Theveßen allerdings: "Man lügt sich in die Tasche, wenn man meint, dass nach einem Sieg von Joe Biden alles gut sein würde."

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Elmar Theveßen war aus den USA zugeschaltet.Bild: screenshot zdf

Christiane Hoffmann sieht das Duell zwischen Trump und Joe Biden kritisch als ein Duell zweier alter Männer. Es beunruhige sie, dass die Aufbruchskraft in Amerika gänzlich fehle. Das Land sei erschöpft, meinte sie. Das liege an der nicht aufgearbeiteten Bürgerkriegsgeschichte, die jetzt nochmal hochkäme, aber auch an der Wirtschaftspolitik, "die doch aus dem Ruder gelaufen ist und eine soziale Spaltung hervorgebracht hat". Außerdem seien auch unter Obama Versäumnisse gemacht worden, für die man die Demokraten nun verantwortlich machen müsse, sagte sie.

Tschentscher berichtet von neuen Corona-Maßnahmen

Von der Lage in den USA schwenkte Lanz dann in Richtung Deutschland und ließ Hamburgs Ersten Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) von den aktuellen Ereignissen in Berlin berichtete. "Es war eigentlich ganz harmonisch", sagte er über die Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern. Wenn es noch ein paar Wochen so weitergehen würde mit dem Infektionsgeschehen, dann würden die Infektionszahlen sehr bald, sehr hoch sein. Deshalb sei man sich einig gewesen, man müsse jetzt Grenzen setzen und sagen, "ab dann müssen wir stärker wieder regulieren, vor allem in den Bereichen, wo Infektionen tatsächlich auftreten". Man müsse einfach frühzeitig, vor den großen Verdoppelungsschritten, gegensteuern, erklärte er. Lanz warf daraufhin ein:

"Das verstehe ich. Aber warum immer diese Worst-Case-Szenarien? Und dann ist es die Kanzlerin, die das sagt und nicht irgendwer. Das ist doch ein Szenario, das kommen könnte, aber die Wahrscheinlichkeit, dass es eintritt, ist doch in Wahrheit sehr klein, oder nicht?"

Mit diesem Einwand richtete er sich direkt an Jonas Schmidt-Chanasit, der das allerdings nicht bestätigen konnte. "Das kann man nicht sagen", erklärte er. Man könne nur sehr kurz in die Zukunft schauen und man würde außerdem gar nicht erst so viele Infektionen ohne gegenzusteuern zu lassen. Es sei durchaus wichtig zu sagen, was der schlimmste Fall sein könnte, nahm der Virologe, der für seine oft etwas abweichende Meinung bekannt ist, die Kanzlerin in Schutz.

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Virologe Jonas Schmidt-Chanasit diskutierte mit Lanz und Peter Tschentscher.Bild: screenshot zdf

Lage in Europa lässt keine Lockerungen zu

Auch Tschentscher verwies in der Debatte auf die europäischen Nachbarländer wie Frankreich oder Spanien. "Es ist jetzt nicht so, dass es irgendein Szenario ist und man soll dann Angst bekommen, aber es ist nicht real. Wir müssen jetzt frühzeitig handeln, damit wir genau diese Entwicklung verhindern", machte er deutlich. Denn noch seien wir in einer Lage, in der gut auf diese Entwicklung reagiert werden kann, "und wir sollten es jetzt auch tun" sagte er.

Auch Hoffmann zeigte Verständnis für die Warnungen der Kanzlerin. Denn sie könne nicht mehr als "mahnen und warnen". Sie glaubt, wenn die Zahlen dramatisch nach oben gehen, würde das auch Merkels politisches Erbe beschädigen.

Lanz versucht Virologen aus der Reserve zu locken

Lanz wandte sich wieder an Schmidt-Chanasit und man merkte ihm an, dass er gern einen Konflikt heraufbeschwören würde, aber der Virologe ließ sich bei der Frage, ob es nicht eine gewisse Infektionszahlfixierung gebe, nicht aus der Reserve locken. Stattdessen erklärte er nur, dass man von eben jener Fixierung bereits immer weiter abrücke und mittlerweile verschiedene Faktoren beachtet würden.

Tschentscher kam daraufhin erneut auf die Sitzung von Bund und Ländern und die neuen Erkenntnisse zu sprechen und erklärte, dass am Dienstag auch festgestellt wurde, wie wichtig Belüftung sei, daraufhin zeigte sich Lanz etwas verwundert: "Das haben sie nicht ernsthaft heute erst festgestellt?! Das haben wir doch im April schon hier diskutiert." Eine Erkenntnis, die natürlich auch dem Politiker nicht neu war, durch die er einfach nur verdeutlichen wollte, worüber neben Bußgeldern für Fake-Namen auf Namenslisten außerdem gesprochen wurde.

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Hamburgs Erster Bürgermeister Peter Tschentscher sprach sich für den Föderalismus aus.Bild: screenshot zdf

Tschentscher bricht Lanze für Föderalismus

Ein weiteres potenzielles Streitthema: die Maskenpflicht, die jedes Bundesland etwas anders handhabt. Lanz versuchte auch hierbei seine Gäste aus der Reserve zu locken, um ein wenig Unfrieden zu stiften. Doch er stieß auf taube Ohren. Tschentscher hütete sich, die Maßnahmen einer der Ministerpräsidenten zu kritisieren. Stattdessen brach er eine Lanze für den Föderalismus. Es sei ein Vorteil, dass nicht nur einer entscheidet, "und wenn der sich irrt, läuft alles schlecht". Es sei ein Kurs gefunden worden, der der Unterschiedlichkeit in Deutschland Rechnung trägt. Er verstehe, dass jemand in Mecklenburg-Vorpommern andere Einschränkungen befürwortet als in Ballungsräumen, wo sich das Virus anders ausbreitet.

Auch Schmidt-Chanasit konnte da nur zustimmen und erklärte, er fände es gut, dass ohne einen großen Lockdown zielgerichtet in die Punkte hineingegangen wird, die Probleme bereiten, wie die Familienfeiern oder die Namenslisten.

Virologe zu Lanz: "Das ist jetzt ein bisschen zu scharf formuliert"

Lanz richtete sich anschließend erneut an den Virologen und hakte nach, wie hilfreich das alles sei und ob man sich nicht eher damit abfinden müsse, dass das Virus nicht mehr weggehe. Denn selbst mit einer Impfung sei "das Problem doch nicht wirklich gelöst", meinte der Moderator. Das wollte der Virologe so nicht stehenlassen:

"Das ist jetzt ein bisschen zu scharf formuliert. Die Impfung wird ein ganz wichtiger Baustein sein."

Jeden Monat würden außerdem weitere wichtige Hilfsmittel hinzukommen, wie auch die Schnelltests, erklärte Schmidt-Chanasit. Und er machte auf einen wichtigen Punkt in dem von Bund und Ländern ausgearbeiteten Entwurf aufmerksam: Mit einem entsprechenden Hygienekonzept kann man von den bestehenden Regelungen abweichen. "Das ist ganz, ganz wichtig", sagte er. So könne man beispielsweise mit einem Schnelltest eine Infektiosität für einen gewissen Zeitraum ausschließen, was unter anderem für Veranstaltungen mit Publikum wichtig werden könnte.

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Markus Lanz und seine Gäste vom 29. September 2020.Bild: screenshot zdf

Risikogebiete haben ihre Berechtigung

Zum Abschluss des Themas wagte Lanz noch einen Blick in Richtung Europa und fragte nach dem Sinn der Einstufung in Risikogebiete. Das Virus würde doch nicht an den Grenzen Halt machen, warf Lanz ein. Doch Tschentscher wollte davon nichts wissen und rief stattdessen eindringlich dazu auf, eben nicht in solche Gebiete zu reisen, da im Herbst und auch im Sommer die Reiserückkehrer ein gefährlicher Faktor im Infektionsgeschehen gewesen seien.

Auch an der Sinnhaftigkeit der Quarantäne-Regelung, zehn Tage ohne Test oder fünf Tage mit anschließendem Test, wollte der SPD-Politiker keinen Zweifel aufkommen lassen. Auch als der Virologe leise Zweifel an der Verhältnismäßigkeit anmeldete, beharrte Tschentscher angesichts des bevorstehenden Winters darauf. Man wolle eben einfach kein Risiko eingehen.

(jei)