Markus Lanz ist kein Moderator, der schnell nachgibt. Er ist bekannt dafür, auch emotionale Themen anzusprechen und immer wieder nachzuhaken.
Am Mittwochabend hatte er unter anderem den Reporter Thilo Mischke eingeladen. Mischke reist für ProSieben in der Sendung "Uncovered" an die Brennpunkte der Welt und stößt dabei immer wieder auf brisante Geschichten und Menschen. So auch in Syrien.
Erst kürzlich war Mischke in Nordsyrien und im Irak unterwegs. Der 38-Jährige erzählte von seiner Einreise und dem "Karl-May-Gefühl", wie er es nennt – Krieg, Tod und ein Gefühl der Globalisierung des 21. Jahrhundert, wie es sich der legendäre Schriftsteller vorgestellt hat, so Mischke.
Doch wie im Wilden West geht es dort nicht zu – gesetzlos dafür schon eher. Mischke war in einem Flüchtlingslager unterwegs. Jedoch in keinem für vertriebene Opfer des Krieges.
In dem Flüchtlingslager leben bis zu 70.000 Mitglieder des IS – hauptsächlich Frauen und Kinder. Ausgelöst durch die Zurückdrängung des IS im Januar 2019, die durch die kurdischen Milizen in das Camp hingeleitet wurden, berichtet Mischke.
"Die Stimmung ist furchtbar", sagt Mischke. Zum einen, weil nur etwa 400 Menschen versuchten, die radikalen Menschen vor dem "Durchdrehen" zu bewahren und zum anderen, weil dort der Begriff "radikalisiert" anders wahrgenommen werde, berichtet er. Wie, das erklärt er nicht – dafür jedoch, wie die Konsequenzen aussehen, falls man sich dem Islam abwendet.
"Die Menschen leben unter furchtbaren Umständen", erklärt Mischke . "Sie bringen sich gegenseitig um." Zweifel am Islam oder der Versuch, sich vom Glauben abzuwenden, würden nicht toleriert. Dann berichtet Mischke von seiner Begegnung mit einer IS-Anhängerin, die ihm erklärt habe:
Lanz fragt ungläubig nach: "Die sitzen schon in der Tinte und zünden sich dann noch gegenseitig die Zelte an?" "Ja", bestätigt Mischke. "Weil eben noch genau aufgepasst wird, wer glaubt hier eigentlich und wer nicht". Ein "Geheimgericht" gäbe es auch, so der Reporter.
Und nicht nur Syrer leben in dem Camp, auch Deutsche. Mischke sprach vor Ort mit einer Frau aus Dortmund. Wie gefährlich das sein konnte, wurde schon vor dem Gespräch deutlich. Die Frau schärfte Mischke ein, zu behaupten, er sei von einer Hilfsorganisation, falls er gefragt werde, was er von ihr wolle. So weit, so krass.
Mischke fällt es schwer, die Unterhaltung mit der Frau in Worte zu fassen. Er fängt immer wieder an, unterbricht sich. Die Geschichte der Frau? Genauso unglaublich: Auf einer Silvesterparty traf sie einen Moslem, der betete – das fand sie interessant.
Die Deutsche erzählt Thilo Mischke ihre Story. Sie wollte einfach mit Menschen leben, die so sind wie sie, Moslems. In Deutschland wäre das nicht gegangen, denkt sie. Ihr Glaube sei hierzulande nicht toleriert worden, man habe ihr gesagt, sie solle "wieder in ihr Land" zurückgehen.
Warum sie nun aber in Syrien, im Camp, ist, kann sie sich dagegen nicht erklären. Dem Islam bleibt sie aber weiterhin treu – und bereut nichts.
Es ist vor allem die folgende Aussage der Frau, die Mischke ratlos im Gespräch zurücklässt:
Im Studio ist es mucksmäuschenstill. "Man hört, was sie meint, aber versteht sie nicht", resümiert Lanz. Mischke versucht zu erklären: "Sie wurde in einer schwachen Phase ihres Lebens angesprochen und gezielt radikalisiert. Vor 30 Jahren Ende hätte es auch rechtsextrem sein können." "Am Ende sind es alles Faschisten", so Lanz.
Thilo Mischke stehen die aufwühlenden Ereignisse noch immer ins Gesicht geschrieben. Nicht nur als Zuschauer aus der Ferne kann man kaum fassen, was die radikalisierten Menschen, die vor kurzem noch in Deutschland lebten, von sich geben. Mischke weiß nun: Selbst, wenn man vor Ort mit diesen Menschen gesprochen hat, werden ihre Geschichten, ihre Entscheidungen und ihre Aussagen nicht nachvollziehbarer.
(lin)