Nach einer Woche Pause wartet "Maybrit Illner" am Donnerstagabend im ZDF mal nicht mit einer Corona-Debatte, sondern mit einem erfrischend anderen Thema auf – Russland und Belarus. Oder vielmehr dem möglichen Bruch mit Russland und der Regierung um Präsident Wladimir Putin.
Nach dem Giftanschlag auf den russischen Oppositionellen Alexej Nawalny und der Verhaftung der belarussischen Politikerin Maria Kolesnikowa wurde vor allem politisch, aber auch gesellschaftlich vielerorts die Forderung laut, mit Putin zu brechen. Aber genauso gibt es Gegenstimmen.
Für Gregor Gysi, außenpolitischer Sprecher der Linken, ist es zum Beispiel "nicht logisch", dass Putin etwas mit dem Mordanschlag auf Nawalny zu tun hat. Denn warum sollte man das gleiche Gift wie beim Giftanschlag auf den russischen Doppelagenten Sergej Skripal in Salisbury aus dem März 2018 nehmen?
Und warum sollte Putin dann zustimmen, Nawalny in Deutschland zu behandeln, wohlweislich, dass das Gift dort gefunden wird?
Die Fragen kann man mal stellen, an den Indizien ändert das aber wenig. Publizistin und Grünen-Politikerin Marina Weisband ist überzeugt von der Täterschaft der russischen Regierung.
Ihrer Meinung nach wird absichtlich relativ offensichtlich gemordet, um die Opposition abzuschrecken. Aber wer Nawalny am Ende versucht hat, Nawalny zu ermorden, ist für sie sowieso keine Frage für die Talkrunde. Sie möchte viel lieber über die Reaktionen auf den Fall reden, was man tun kann und tun sollte.
Der genau richtige Ansprechpartner für solche Themen sitzt zufälligerweise auch in der Runde – Außenminister Heiko Maas (SPD). Der ist zwar gewohnt aalglatt, aber reizen sollte man ihn nicht. Als Moderatorin Illner ihn fragt, ob es eine "Politik der Naivität" gegenüber Russland und Putin seitens der Bundesregierung gab, legt er sofort eine Spur Schärfe in seine Stimme.
Listungen bei der Europäischen Union, Ausweisung von Diplomaten, zählt er die Eisen auf, die die EU Russland schon gezeigt hat. So richtig schädigend waren die Sanktionen aber nicht.
Trotz Marina Weisbands Einwurf, dass man doch nicht so viel über die Täterschaft im Fall Nawalny spekulieren sollte, geht es lange genau darum. Gregor Gysi hatte sich im MDR geäußert und in den Raum gestellt, dass ja auch Gegner der Gas-Pipeline "Nordstream 2" hinter dem Anschlag stecken könnten. Außenminister Maas entschließt sich irgendwann, das einfach mal aufzugreifen.
Maas sagt das zunächst in die Runde, um sich dann Gysi zuzuwenden, der nicht davon abweicht, dass man ja alles spekulieren könnte, solange nichts aufgeklärt ist. Maas betont mehrfach, dass die Indizien bislang darauf hindeuten, dass die russische Regierung mit dem Fall zu tun hat.
Gysi interessiert das wenig und zeigt sich eher resistent gegenüber Maas' Ausführungen.
Marina Weisband geht das Hin und Her von Maas und Gysi schnell auf die Nerven. Sie ist der Meinung, dass genau solche Spekulationen völlig fehl am Platz seien. "Wir sitzen hier und spielen Krimi-Dinner", sagt sie. So wirkt es tatsächlich zeitweise, zielführend ist das natürlich nicht.
Schanna Nemzowa ist mit russischem Übersetzer aus Prag zugeschaltet. Nemzowa ist die Tochter von Boris Nemzow, der russische Politiker wurde vor fünf Jahren in Moskau erschossen. Ob die russische Regierung dahintersteckt, weiß bis heute niemand, Nemzowa ist sich aber ziemlich sicher.
Und genauso sicher ist sie sich, dass Nawalny vom Putin-Regime ermordet werden sollte. Sie drückt ihre Erleichterung darüber aus, dass Nawalny überlebt hat, sieht aber ein großes Problem darin, dass in Russland laut ihr alle Nachrichtenkanäle unter Kontrolle der Regierung stehen. So kriege die Bevölkerung vom Fall Nawalny kaum etwas mit.
Doch es gibt demokratische Kräfte in Russland und sie werden größer. Politikwissenschaftler Alexander Rahr nennt in diesem Zusammenhang die Kommunisten, Nawalnys Leute und weitere. Das Problem: "Sie können sich nicht vereinigen", sagt er. Er glaubt, dass Russland aber genau dann eine Chance hätte, in eine Demokratie zu wandern. Dass das ein für die nahe Zukunft eher unwahrscheinliches Szenario ist, weiß Rahr aber auch.
Denn es gibt noch ein anderes Problem und das heißt Belarus. Diktator Alexander Lukaschenko pflegt enge Beziehungen mit Russlands Putin, drohte kürzlich im Staatsfernsehen, dass wenn Belarus "fallen" sollte, Russland als Nächstes an der Reihe sei. Noch lässt Putin ihn schalten und walten.
Für Gregor Gysi gäbe es sogar eine Chance, in Belarus für so etwas wie Ordnung zu sorgen. Er erzählt, dass er mit dem belarussischen Botschafter gesprochen und vorgeschlagen hätte, dass man sich mit allen politischen Kräften, also vor allem mit der Opposition, an "runde Tische" setzt. Ob dieser Vorschlag jemals bei Lukaschenko angekommen ist, ist dabei aber eher zweifelhaft.