Ist Corona schon vorbei? Und was ist da eigentlich bei Söder und Laschet und der Kanzler-Kandidatur in der Union hinter den Kulissen passiert? Zwei sehr unterschiedliche Fragen, die Markus Lanz in seiner Sendung am Mittwochabend aber beide ausführlich debattiert. Spannende Erkenntnisse inklusive.
In der Runde zu Gast waren:
„Ich finde das den richtigen Schritt, die Leute nach draußen zu bringen“, leitet Virologe Streeck ein. Denn draußen ist die Übertragungswahrscheinlichkeit des Coronavirus bekanntermaßen deutlich geringer als im Innenraum. Aber die vielen Lockerungen, die zuletzt beschlossen wurden, bergen auch immer die Gefahr, dass die Menschen die Gefahr des Virus immer mehr unterschätzen. Das Ergebnis davon: Laut Moderator Lanz habe eine Forsa-Umfrage ergeben, dass 60 Prozent der Befragten glauben, dass die Pandemie bereits vorüber sei.
Streeck erwartet, dass im Herbst die Zahlen nach einem überschaubaren Sommer wieder ansteigen werden. Nur wie stark, das wisse niemand. Das Virus gehe dann in der Folge immer mehr dazu über „endemisch“ zu sein, also saisonal aufzutreten und damit nie wirklich weg zu sein – aber eben wahrscheinlich auch keinen großen Druck mehr auf das Gesundheitssystem auszuüben.
Ein „endemisches Virus“ würde dann natürlich eine anderen, differenzierteren Umgang verlangen und wie das womöglich in der Zukunft aussieht, lässt sich heute nach Meinung von Streeck und auch Journalistin Christina Berndt nicht wirklich absehen. Eine Rolle in diesem Thema spielen natürlich auch die Impf-Fortschritte, wie Berndt betont.
„Es wird ein gewisses Maß an Herdenimmunität geben“, ist sie optimistisch. Aber man könne nicht davon ausgehen, dass sich dann auch jeder einzelne Todesfall verhindern lässt. Virologe Streeck stimmt dem zu. Er wünscht sich einen Sommer, in dem man verschiedene Hygienekonzepte testen und ausprobieren könne, was sich zur weiteren Eindämmung des Virus eignet und was nicht.
Journalist Robin Alexander sieht darin allerdings lediglich eine Wiederholung der Situation von vor einem Jahr – mit einem entscheidenden Unterschied:
Und ein Wahlkampf holt aus den Entscheidungsträgern natürlich auch noch die letzten Prozente heraus, ein womöglich entscheidender Punkt für die weitere Entwicklung der politischen Maßnahmen.
Moderator Lanz übergeht das und stößt wenig später in einer zu Beginn sehr sprunghaften Diskussion die Impf-Thematik noch weiter an. Vor allem Impfungen von Kindern sind ihm ein Anliegen, die Runde ist sich darüber einig, dass es für Kinder keinen direkten oder indirekten Impfzwang geben darf, zumal noch nicht einmal geklärt sei, wie sinnvoll die Impfung für Kinder ist. Dann schwenkt das Gespräch auf Schulen und warum man beispielsweise Kindern zumutet, sich immer wieder selber zu testen, aber Testungen in Betrieben nicht verpflichtend machen will.
Für Journalist Alexander gibt es darauf eine klare Antwort: „Das ist eine einfache Rechenaufgabe. Kinder haben kein Wahlrecht, Eltern haben ein Wahlrecht.“ „Ist es so billig?“, wirft Lanz ein. „Wenn man das mal durchdekliniert, kommt man da schon hin“, erwidert Alexander. Seine Begründung: Eltern mit Kindern zu Hause machen in Deutschland „nur“ 20 Prozent der Bevölkerung aus. Die Gruppe, die ins Restaurant gehen oder in den Urlaub fahren will, ist aber insgesamt viel größer. Bedeutet, Schulöffnungen und der Blick auf die Kinder werden nicht so weit oben auf der Relevanz-Skala angesiedelt. Und er subsumiert bedeutungsschwanger:
Und das sei ein strukturelles Problem in Deutschland, nicht nur während der Corona-Krise.
Nachdem Corona dann mehr oder weniger abgehakt ist, wird der zweite große Block aufgemacht: Die CDU-CSU-Union-Söder-Laschet-Kanzler-Sache. Der gut vernetzte Alexander hat herausleitend aus dem Corona-Thema und einleitend in das neue eine spannende Anekdote mitgebracht: Er war mit Bundeskanzlerin Merkel in Wuhan, China. Der Provinz, aus der das Coronavirus wohl stammt. Drei Monate bevor dort die ersten Fälle festgestellt wurden. Verrückter Zufall. Passende Überleitung: Alexander hat zudem ein Buch über den „Machtverfall“ der CDU geschrieben.
Seiner Analyse nach ist es kein Zufall, dass die Grünen zwischenzeitlich in Umfragen vorne liegen und Annalena Baerbock die beliebtere Kandidatin als Armin Laschet ist, sondern vielmehr ein Versagen in vielerlei Hinsicht der CDU. Als dann CDU-Mann Christoph Ploß zum „Machtverfall“ befragt wird und zunächst sehr ausweichend antwortet, zaubert Alexander eine weitere Anekdote aus dem Hut. So habe Ploß, der zugibt, bei der Frage nach dem Kanzlerkandidaten der Union für Markus Söder votiert zu haben, in der entscheidenden Sitzung vorgeschlagen, nicht normal abzustimmen, sondern die CDU-Basis im Rahmen einer „Kreisvorsitzendenkonferenz“ mehr mit einzubeziehen. In dieser neuen Abstimmung hätte Markus Söder wohl die Mehrheit gehabt, verrät Alexander.
Ploß ist das alles merklich ein wenig unangenehm, aber Alexander bleibt hart und drückt ihm "seine" Niederlage nochmal auf:
Und auch im Anschluss lassen er und Markus Lanz, der immer mehr Blut leckt, den CDU-Politiker nicht entkommen. „Was ist schlecht an Armin Laschet?“, will Lanz irgendwann penetrant wissen. Ploß bleibt allerdings die vollständige Zeit bei seiner ursprünglichen, konfliktvermeidenden Aussage, die man ihm, das ist ihm zugute zu halten, allerdings grundsätzlich auch abnimmt:
Spannend wird es dann nochmal, als der Moderator Ploß auf die Probe stellt, ihn offensiv angeht mit der Frage, wofür er steht und welche Politik er machen will. Das bringt den jungen CDUler erstmal aus der Fassung, er fängt sich dann aber schnell wieder und schafft es, seine Position deutlich zu machen. Die letzte halbe Stunde der Sendung verging damit erfreulicherweise wie im Flug, war hartpolitisch, dabei aber auch hochinteressant, vor allem durch die Einsichten, die Journalist Alexander hinter die Kulissen gewährt.
Ein letztes Beispiel: Die Treffen von Markus Söder und Armin Laschet noch vor der öffentlichen Kandidaten-Kampfrunde. Über die bloße Existenz der Treffen war zuvor nicht besonders viel bekannt, Alexander kann zumindest ein klein wenig Licht ins Dunkle bringen. Alexander erzählt, dass sich die beiden Spitzenpolitiker zweimal auf neutralem Grund in einem Flughafenhotel in Frankfurt getroffen hätten, um auszuloten, wie man die Kanzlerkandidaten-Frage am besten handhabt.
Laschet habe gehofft, Söder will gar nicht in den Kampf ziehen gegen ihn, das erste Treffen habe ihn vom Gegenteil überzeugt. Im zweiten Treffen sei es dann hoch hergegangen, mit harten Bandagen auf beiden Seiten. Schließlich wurde der Kandidaten-Kampf in der Union offen ausgetragen - mit dem besseren Ende für Laschet, weil CDU-Legende Wolfgang Schäuble ein Machtwort sprach.