Nach wochenlangen Diskussionen ist es nun raus: Die Union hat sich auf einen Bundeskanzlerkandidaten geeinigt. Der CDU-Vorstandsvorsitzende Armin Laschet soll es machen - doch nicht jeder ist davon begeistert. Das zeigt sich auch am Dienstagabend bei "Markus Lanz". Der Landesvorsitzende der Berliner CDU, Kai Wegner, hätte Markus Söder (CSU) besser gefunden und spricht sogar von "Liebe an der Basis".
Ein ganz anderes Gefühl als Liebe kennt Grünen-Politiker Cem Özdemir, wenn es um Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) geht. Özdemir wählt dafür gar drastische Worte. Doch dazu später, denn erst lassen sich die Gäste bei Lanz über den Knatsch in der Union aus.
Kai Wegner ist nicht begeistert. Der Landesvorsitzende der Berliner CDU hat sich bei der Abstimmung zum Kanzlerkandidaten der Union gegen Armin Laschet und für Markus Söder ausgesprochen - und das, obwohl dieser in einer anderen Partei ist. "Ich bin ein Stück weit enttäuscht. Ich hatte einen anderen Favoriten. Das ging vielen so", sagt er zu Markus Lanz. Schon zu Beginn der Sendung geht es um große Gefühle: "Söder wird von der Basis geliebt. Er hat sie mobilisiert. Jetzt müssen wir die Basis irgendwie mitnehmen. Es wird ein schwieriges Wahljahr."
Er begrüßt es zwar, dass Laschet um eine "ehrliche Ansprache" gebeten habe, wünscht sich aber ein "geregeltes Verfahren" für zukünftige Entscheidungen diesbezüglich zwischen der CDU und der kleinen Schwesterpartei aus Bayern. Doch so einfach möchte der Moderator den Berliner nicht davonkommen lassen und fragt nach: "Ist Laschet ein guter Parteivorsitzender?" – "Absolut" – "Und ist er ein guter Ministerpräsident?" – "Ja, er ist ein starker Ministerpräsident", wiederholt Wegner die Worte Lanz'. "Ist er ein richtig guter Parteivorsitzender?", hakt der Moderator erneut nach. "Ja", meint der CDU-Politiker und weist darauf hin, dass die Union gespalten gewesen sei und Laschet sie wieder zusammengeführt habe. "Warum kann er dann nicht Kanzler?", fragt Lanz provokativ hinterher.
"Das habe ich nicht gesagt. Die haben beide das Zeug, Kanzler zu werden." Jedoch ist Wegner der Meinung, dass Söder "Mut und Zuversicht" ausstrahle. "Ist Laschet also mutlos? Kraftlos?", will Lanz von ihm wissen. "Nein, das heißt es nicht, sonst wäre er doch nicht Parteivorsitzender", gibt der 48-Jährige ruhig zu Protokoll. Trotzdem kommt auch ans Licht, dass er ihn damals auch nicht als Vorsitzenden gewählt habe. Das ist zwar ein gefundenes Fressen für den Moderator, doch lässt sich der gebürtige Berliner nicht aus der Ruhe bringen und sagt nüchtern, dass demokratische Entscheidungen nun einmal so liefen und man sie zu akzeptieren habe. Die Partei habe nun den "Wahlkampf vor sich, mitten in einer Pandemie" und müsse "das Vertrauen der Bürger wieder gewinnen".
Dass Laschet , seines Zeichens Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, die Union zusammengeführt habe, hält die Hauptstadtredakteurin vom "RedaktionsNetzwerk Deutschland", Kristina Dunz, für falsch. "Da sind schwere Verletzungen zugeführt worden, auf beiden Seiten, weit unter der Gürtellinie", sagt sie. Sie ist der Meinung, es gebe kein "Gefühl von Aufbruch" – nicht so, wie es die Grünen am vorherigen Tag vorgemacht hätten. So habe sich die Partei vorbildhaft auf Annalena Baerbock als Kanzlerkandidatin geeinigt. Außerdem glaubt sie auch nicht an eine "Liebe zu Söder":
Wegner bleibt jedoch bei seiner Begeisterung und ist der Meinung, dass sich der CSU-Vorsitzende in den vergangenen Jahren "stark verändert" habe. "Er ist ein unumstrittener Landesvater in Bayern. Er wird im Team mit Armin Laschet dafür sorgen, dass wir gewinnen."
Die Grünen haben sich in diesem Wahljahr für eine andere Strategie entschieden und sich im Team geeinigt, wen sie ins Rennen um die Kanzlerkandidatur schicken. "Warum diese Hintertürpolitik?", will Lanz vom Grünen-Abgeordneten Özdemir wissen und wundert sich etwas darüber, dass quasi hinter verschlossenen Türen darüber entschieden wurde. "Wir haben gerade eine Pandemie", antwortet der Schwabe. "Das ist doch keine Begründung", hakt Lanz nach. Doch der 55-Jährige versucht ruhig zu bleiben, verhaspelt sich nur kurz und nennt Lanz Söder: "Jetzt sage ich schon Söder zu Ihnen." Doch anstatt bei seiner Partei zu bleiben, spricht Özdemir lieber über die CDU/CSU: "Bei Armin Laschet weiß man, wer er ist. Ich treffe aber nur Leute, die nicht wissen, wer Söder ist." Er erklärt, Söder schreibe sich ständig neue Themen auf seine Agenda. "Söder erfindet sich jeden Tag neu", kritisiert er die politische Linie. Als Politiker brauche man ein "Kerngerüst an Überzeugungen".
Zugeschaltet wird an diesem Abend auch Manuela Schwesig (SPD), die Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern. Sie scheint genervt von den Machtspielen zwischen Söder und Laschet und sagt, sie habe das seit mehr als einem Jahr ständig in der Ministerpräsidentenkonferenz mitgemacht. Die Streits hätten die MPK "belastet". "Die haben nichts Besseres zu tun, als sich so eine Schlacht zu liefern. Ich finde das einfach unglaublich. Ich hoffe, dass die Chaostage der Union vorbei sind."
Dann versucht auch sie noch etwas Parteipolitik zu betreiben und kritisiert beispielsweise erneut Laschet dafür, dass er nach der MPK im März Möbelgeschäfte geöffnet habe, obwohl man sich darauf verständigt habe, wie zu verfahren sei. Sie selbst würde in ihrem Bundesland "stringent handeln" und habe strenge Regeln eingeführt. In Bezug auf die Kanzlerfrage lobt sie die SPD und auch ihren Kanzlerkandidaten Olaf Scholz. Dieser habe bereits in vielen unterschiedlichen Bereichen politische Erfahrungen gesammelt und sei daher der perfekte Kandidat. Manch einer in der Runde deutet das als Kritik an Baerbock, der häufig vorgeworfen wird, sie habe keine Regierungserfahrung.
Doch diese Kritik will Özdemir nicht akzeptieren und verteidigt die 40-jährige Co-Parteivorsitzende. "Die, die immer schon regiert haben, haben uns das Land so überlassen, dass das Symbol der Politik ein Fax ist", macht sich der Grünen-Politiker fast schon lustig. Er kritisiert, dass die Gesundheitsämter bis heute keine zuverlässigen Zahlen über die Infektionen mit Corona in Deutschland liefern könnten, da gerade an Wochenenden immer noch nicht gemeldet werde. Auch die fehlende Digitalisierung prangert er hart an und sagt, dass das in der viertgrößten Volkswirtschaft der Welt nicht zu akzeptieren sei.
Diese "großartige Erfahrung" in der Politik habe auch jemand wie Andreas Scheuer, sagt der Schwabe und zählt auf, was der Verkehrsminister bereits alles falsch gemacht habe und dass es klar gewesen sei, dass die Maut verfassungswidrig ist.
Özdemir ärgert sich darüber, dass Scheuer all diese Fehler dennoch nicht das Amt gekostet hätten. Daraufhin fragt ihn Lanz: "Wären Sie ein besserer Verkehrsminister?" Da zögert der ehemalige Bundesvorsitzende der Grünen nicht lange und sagt sofort:
Damit endet eine Sendung, in der viel über Menschen gesprochen wurde, die an diesem Abend nicht anwesend waren, um sich gegen die viele Kritik zur Wehr zu setzen.