Als dritter und damit letzter Kandidat hat sich nun auch Olaf Scholz (SPD) den Fragen von "Brigitte"-Chefredakteurin Brigitte Huber und ihrer Kollegin Meike Dinklage gestellt. "Brigitte live" heißt das Talkformat, in dem es nicht nur um gesellschaftliche und politische Fragen geht, sondern auch um den Menschen dahinter, wie Huber zu Beginn der Sendung erklärt.
"Sie haben sogar ein eigenes Adjektiv: Scholzig", sagt Dinklage. Ob damit der verschmitzte Blick des Kandidaten gemeint sei? Möglicherweise, so Scholz, wirke die Art wie er gucke wirklich ein bisschen verschmitzt. "Ich fand es lustig, als Söder mich nun schlumpfig nannte", sagt er. Das verschmitzte Lächeln können die Zuschauer an diesem Abend häufiger sehen. Aber auch den ernsten Scholz.
Zum Beispiel als die Sprache auf kostenpflichtige Bürgertests kommt. "Eins ist klar, wenn bald alle das Angebot bekommen haben, sich impfen zu lassen, sollten die, die sich nicht impfen lassen wollen, die Tests selbst zahlen", sagt Scholz. Er betont, dass es dabei um die Menschen ginge, die sich aufgrund der Empfehlung der ständigen Impfkommission und ihrer eigenen Gesundheit, impfen lassen könnten. "Es ist nicht tragbar, dass der Staat das bezahlt, wenn es die bessere Alternative des Impfens gegeben hätte", sagt der Sozialdemokrat.
Ausnahme sollen Schulen und Betriebe sein, dort müsse weiterhin eine Testmöglichkeit geboten werden. Wie viel die Tests kosten sollten? So wenig wie möglich, wenn es nach dem SPD-Kandidaten geht. Schließlich solle der Test keine Bestrafung sein. Auch Reiserückkehrer sollten sich nach Ansicht des Politikers testen lassen müssen. Noch seien rechtliche und praktische Fragen hin zur Verpflichtung zu klären: "Wir suchen nach einem pragmatischen Weg." Trotzdem rät er an, sich nach dem Urlaub testen zu lassen, um Freunde, Familie und Kollegen nicht zu gefährden.
Vor einer jeden besprochenen Kategorie darf sich Scholz zwischen zwei Begriffen entscheiden: "Aufstehen oder Liegenbleiben?", fragt Brigitte Huber. Scholz entscheidet sich für Aufstehen. Ob er morgens gut rauskomme? "Ich bin Langschläfer, aber lange nicht dazu gekommen", ist die Antwort des Kandidaten. Sein Leben verlaufe nämlich im wesentlichen anders, als seine innere Uhr.
Auf die Frage, ob Politiker mehr schlafen sollten, gerade während wichtige Entscheidungen getroffen werden, antwortet er trotzdem mit Nein. Huber wollte mit dieser Frage auf die Osterruhe hinaus. "Ohne Druck, dass wir fertig werden müssen, kommen manche Entscheidungen nicht zustande. Wenn man fast fertig ist, darf man nicht weglaufen, sonst muss man wieder von vorne anfangen. Zeitlicher Druck ist notwendig", erklärt Scholz.
"Geld oder Leben", steuert Dinklage in die nächste Kategorie. Olaf Scholz starrt sie an. "Was?", fragt er. "Geld oder Leben", wiederholt Dinklage. "Leben", sagt Scholz resolut. "Ich hatte damit gerechnet, dass Sie sich für Geld entscheiden", entgegnet Dinklage. "Nur weil ich Finanzminister bin, möchte ich nicht als Untoter durch die Gegend laufen." Also fragt ihn Dinklage, ob er den Eindruck habe, dass seine politische Lebenserfahrung ihn vor leichtsinnigen Fehlern beschütze? Die Antwort des Kanzlerkandidaten:
Mit leichtsinnigen Fehlern, sind sowohl der Lacher Armin Laschets während der Rede des Bundespräsidenten, als auch die Patzer-Serie Annalena Baerbocks mit Ungenauigkeiten im Lebenslauf und Plagiaten in ihrem Buch, gemeint. Das Ereignis, das Scholz als seine größte Niederlage ansieht, sind die gewalttätigen Ausschreitungen rund um den G20-Gipfel in Hamburg 2017.
Damals kam es zu Sachbeschädigungen, Plünderungen und Gewalt gegenüber Polizisten. Scholz bereut, trotz aller Technik und Polizei, die vor Ort gewesen seien, nicht in der Lage gewesen zu sein, die Bürgerinnen und Bürger der Stadt zu schützen. Als Finanzminister sei er auf vielen solcher Gipfel gewesen, eine solche Aggression und Gewalt habe er aber nie wieder erlebt.
In einer anderen Gesprächskategorie präsentieren Huber und Dinklage Fotos, zu denen sie Fragen stellen. Unter anderem eines vom Wochenende vor zwei Wochen – dem Wochenende der Flutkatastrophe in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen. Wie Scholz zum Vorwurf stehe, solche Bilder für den Wahlkampf zu nutzen?
Solidarität, Respekt und Gleichberechtigung, das scheinen die großen Themen für Olaf Scholz zu sein. Als Brigitte Huber ihn bittet, zwei konkrete frauenpolitische Maßnahmen zu nennen, die er durchsetzen möchte, nennt Scholz die Forderung nach gleichen Löhnen – womit er nicht nur innerhalb eines Unternehmens, sondern auch vor allem eine faire Bezahlung in frauentypischen Berufen, wie in der Pflege meint – und nach paritätischen Parlamenten. Also, dass gleich viele Frauen wie Männer vertreten sind. In seiner Regierung, sollte er Kanzler werden, wolle er die Posten fair zwischen Männern und Frauen verteilen.
Welche Frau ihn am meisten geprägt hat? Seine Frau. "Ich wäre ein anderer Mensch, wenn ich nicht mit Britta Ernst verheiratet wäre. Ich bin sehr glücklich darüber und darüber, dass es eine Sache ist, die für uns immer klar war: dass es um Gleichstellung geht." Entsprechend empört zeigt sich der Sozialdemokrat bei der Frage Dinklages, ob seine Frau weiter arbeiten werde, sollte er Kanzler werden. Britta Ernst ist ebenfalls Sozialdemokratin und die Bildungsministerin von Brandenburg. Scholz erwiedert:
Am Ende des Interviews entschuldigt sich Dinklage für die, wie sie sie nennt "dusselige Frage".
Zum Thema Respekt schlägt Scholz den Bogen, als es um die Entwicklung seiner Partei geht. Und um die Frage, ob Hartz IV sie verändert habe. "Hatz IV war ein großer Einschnitt für die SPD und ich bin froh, dass wir mit dem Bürgerinnengeld ein politisches Konzept haben, das in Zukunft zu ändern", sagt Scholz. Wichtig sei es nämlich, den Menschen auf Augenhöhe und mit Respekt zu begegnen. In die Lage, plötzlich auf den Staat angewiesen zu sein, könne jeder kommen.
Auch er selbst habe sich seit seinem Eintritt in die SPD und ihre Jugendorganisation Jusos mit 17 Jahren weiterentwickelt. "Ich wollte schon immer Politik machen, weil ich Gerechtigkeit will", sagt Scholz. Zwar habe sich die Frage der Gerechtigkeit in den vergangenen Jahrzehnten verändert und er selbst sei pragmatischer geworden, aber: "Politik zu machen, ohne mit dem Herzen bei der Sache zu sein, macht keinen Sinn."