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"Anne Will": Ethikerin mit schweren Vorwürfen an Regierung

Christiane Woopen will, dass die Regierung ihre Entscheidungen auf Daten begründet.
Christiane Woopen will, dass die Regierung ihre Entscheidungen auf Daten begründet. ARD/Screenshot
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Ethikerin wirft Regierung "Dunkelfeldoperationen" bei Corona-Maßnahmen vor

03.05.2021, 08:21
Deana Mrkaja
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Änderung der Impfreihenfolge, Rückkehr zu Grundrechten – wer darf wann wieder was? Diese Fragen wurden am Sonntagabend bei "Anne Will" diskutiert. Während Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) ein Loblied auf sein Bundesland und damit seine eigene Politik sang, kritisiert insbesondere eine das Handeln der Bundesregierung. Christiane Woopen, Vorsitzende des Europäischen Ethikrates, beklagt die fehlenden Daten zur Begründung politischer Entscheidungen - und macht zudem auf eine weitere vulnerable Gruppe aufmerksam, die bisher wenig in den Corona-Debatten berücksichtigt wurde.

Die Grundrechte sind keine Privilegien - das macht die SPD-Justizministerin Christine Lambrecht gleich zu Beginn der Sendung deutlich. Sie spricht sich daher dafür aus, dass sowohl vollständig Geimpfte, als auch Genesene und negativ Getestete ihre Grundrechte zurückbekommen. Gerade wenn es um die Bewegungs- und auch die Kontaktbeschränkungen geht. "Was ist mit dem Restaurantbesitzer. Hat der kein Grundrecht auf die Ausübung seines Berufes?", fragt Moderatorin direkt kritisch nach.

Christine Lambrecht (l.) möchte wieder mehr Grundrechte zurückgeben.
Christine Lambrecht (l.) möchte wieder mehr Grundrechte zurückgeben. ARD/Screenshot

Man könne als Geimpfter nicht den Anspruch erheben, dass Restaurants für einen geöffnet werden, versucht Lambrecht die Frage etwas zu umgehen. Jedoch sollten die individuellen Grundrechte wieder zurückgeben werden. Wenn Restaurants wieder öffnen dürften, müsste auch dort gewährleistet werden, dass nur Geimpfte oder ihnen Gleichgestellte Zugang bekommen. "Das würde so viel Sprengstoff in die Gesellschaft bringen", sagt die SPD-Politikerin und gibt Hoffnung: "Wir sehen etwas Licht am Ende des Tunnels. Es geht um eine überschaubare Zeit."

Michael Hüther, Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft, sieht das etwas anders und wirft der Regierung vor, dass es auch jetzt immer noch an einer Öffnungsstrategie fehle und sagt provokant: "Die Bundesnotbremse war unnötig." Es gebe dafür, dass Ausgangssperren tatsächlich etwas bringen, keinen "empirischen Befund". Er sagt, man müsse auch das Öffnen erst erlernen - in Tübingen und vergleichbaren Städten habe es nicht funktioniert.

Michael Hüther hält nichts von der Bundesnotbremse.
Michael Hüther hält nichts von der Bundesnotbremse. ARD/Screenshot

Zugeschaltet ist an diesem Abend auch CSU-Politiker Markus Söder. Auch er spricht sich dafür aus, dass vollständig Geimpfte ihre Grundrechte zurückerhalten. In Bayern habe man - "früher als in anderen Bundesländern" - auch bereits die Impfpriorisierung aufgehoben, um schneller impfen zu können. Bayern habe auch zudem anberaumt, dass auch bald die Betriebsärzte impfen dürfen und dies soll sowohl in Betrieben als auch an Schulen durchgeführt werden. Mehrfach macht der Ministerpräsident darauf aufmerksam, wir gut sein Bundesland in vielen Dingen gehandelt habe. Doch dem Ökonomen widerspricht Söder und sagt, dass "uns die Zahlen ohne die Notbremse davongelaufen wären".

Söder und Ökonom geraten in Diskussion um Notbremse

"Die Bundesnotbremse können Sie nicht heranziehen, weil sie keinen Erklärungsbeitrag hat", erwidert Hüther direkt und fügt hinzu, dass die jetzt sinkenden Zahlen allein auf den Impffortschritt zurückzuführen seien. Diese Kritik kann der Bayer nicht auf sich sitzen lassen und kontert direkt, dass sich Kritiker immer einzelne Maßnahmen aussuchten, um alles zu kritisieren.

Markus Söder hält die Bundesnotbremse für gelungen.
Markus Söder hält die Bundesnotbremse für gelungen. ARD/Screenshot

Hüther bleibt zwar ruhig, kontert aber erneut. Er kritisiert die Regierung dafür, dass sie für ihre politischen Entscheidungen keine Datengrundlage habe. Daten, um die sie sich "hätte bemühen müssen": "Sie haben die Aufgabe nie angenommen! Sie haben sich nicht um die Empirie gesorgt, um die Grundlagen für Ihre Entscheidungen zu schaffen." Mit dieser Meinung ist der Ökonom an diesem Abend nicht allein und erhält Verstärkung in seiner Argumentation.

Ethikerin kritisiert Regierung für fehlende Datengrundlage

Zunächst nimmt sich die Vorsitzende des Europäischen Ethikrats, Christiane Woopen, die Grundrechtsfrage vor. "Wenn man anfängt, die individuellen Grundrechte zurückzugeben, hätte man auch schon vor einem Jahr die Rechte an die Genesenen zurückgeben können." Sie kritisiert, dass gar nicht klar sein, wie immun eine solche Gruppe sei und zudem seien auch Geimpfte nicht zu 100 Prozent sicher. Bevor man über all diese Dinge nachdenkt, fehlt es der Ethikerin an ganz anderen Sachen. Sie fordert - auch wenn es "viel zu spät ist" - Monitoring-Studien. Eine bestimmte Gruppe an Menschen soll repräsentativ begleitet werden, um herauszufinden, wie sich das Infektionsgeschehen verhält, wie lange man immun ist, wann sie sich infizieren und wo.

Woopen versteht auch nicht, dass überhaupt über Öffnungen gesprochen wird, wenn die Inzidenz unter 100 fällt, weil sie der Meinung ist, dass dies viel zu hoch sei. Sie empfiehlt eine stabile Niedriginzidenz, bevor geöffnet wird. Erst dann könne von "Freiheit in einer kontrollierten Pandemie" gesprochen werden. "Und bitte, bitte, bitte, wir brauchen die entsprechenden Datenerhebungen!"

"Wir müssen aufhören mit diesen Dunkelfeldoperationen."
Christiane Woopen

Der Virologe Martin Stürmer stimmt Woopen in Bezug auf die Inzidenzen zu. Er erklärt, dass wir derzeit "Druck auf das Virus ausüben". Einerseits "entnehmen wir dem Virus Opfer", weil mehr Menschen geimpft würden, gleichzeitig hätten wir aber dennoch rund 20.000 Neuinfektionen pro Tag. Durch diesen Druck könnte das Virus mutieren und impfresistente Mutanten bilden. Auch er ist der Meinung, dass die Infektionszahlen dringend gesenkt werden müssen: "Ich rede mir da den Mund fusselig. Aber ich habe ja politisch nichts zu sagen."

Martin Stürmer warnt vor impfresistenten Virusvarianten.
Martin Stürmer warnt vor impfresistenten Virusvarianten. ARD/Screenshot

Anne Will spricht emotionales Thema an

"Warum bekommen alte und kranke Menschen in Pflegeheimen, die bereits geimpft sind, ihre Grundrechte zurück", möchte Anne Will von Lambrecht wissen. "Ist es nicht unverzeihlich, dass Sie hier nicht rechtzeitig gehandelt haben?" Die Entscheidungen in Bezug auf die Pflegeheime in Deutschland sei eine der "schwierigsten in der ganzen Corona-Pandemie" gewesen, erklärt die Justizministerin. Jetzt würde sich das auch ändern, sodass mehr Grundrechte eingestanden werden. "Warum haben Sie das nicht gleich gemacht?", fragt die Moderatorin nach, indem sie darauf verweist, dass viele Ältere bereits vor Monaten geimpft wurden. Man habe erst einmal abwarten müssen, wie gut der Impfschutz wirklich ist und dafür habe man wissenschaftliche Daten gebraucht.

Auch Söder sagt, man werde die Situation für die Alten "Stück für Stück verbessern". Er selbst handelt nach der Strategie "Safety First". Das bedeutet, dass darauf geachtet werden muss, dass keine Mutationen entstehen. Und dann sagt er doch noch etwas erstaunlich Entschiedenes: "Es darf ja keiner glauben, dass man zwei Mal gepiekst wird, und dann ist man raus für die nächsten Jahre." Er geht somit davon aus, dass man sich immer wieder impfen lassen werden muss.

Am Ende der Sendung geht es noch um die Frage, ob es ein "Impfwettrennen" geben wird, sobald die Priorisierung aufgehoben wurde. Woopen ist sich sicher, wer ein solches Rennen gewinnen würde - die sowieso besser Gestellten. Ihrer Meinung nach, sollte die Priorisierung daher eher ergänzt werden durch die Gruppe, die unter sozial prekären Umständen lebt. Hüther möchte direkt mit Impfmobilen in entsprechende Gegenden fahren, um die Menschen aufzuklären und zu impfen. Zudem gäbe es auch eine "Spaltung der Volkswirtschaft", erklärt der Ökonom. Während es der Industrie sehr gut ginge, würden erneut die finanzschwachen Haushalte leiden, weil die meistens in Jobs tätig sind, die derzeit nicht ausgeübt werden können.

Söder hingegen ist der Meinung, dass "jeder zum Arzt gehen kann". Er empfiehlt am Ende erneut eine Aufhebung der Priorisierung ganz generell, damit schneller geimpft werden kann. Im Juni müsse man eher fürs Impfen werben, glaubt der Ministerpräsident. Dann gäbe es mehr als ausreichend Impfstoff, der nur noch verimpft werden müsste.

Jeans-Lover
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Jeans-Lover
Trotz all der Strapazen hat sich der Weg für Anne gelohnt und sie bereut es nicht, ihn auf sich genommen zu haben.
quelle: istockphoto / anton_petrus
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