Friedrich Merz kritisiert bei "Illner" Maas' Verhalten.Bild: screenshot zdf
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Die Wähler meinen, dass CDU und Grüne jeweils nicht die besten Kandidaten ins Rennen geschickt haben, begrüßt Maybrit Illner ihre Gäste nach der Sommerpause am Donnerstagabend. In ihrer Sendung geht es dann aber hauptsächlich um andere Themen: Das Afghanistan-Debakel sei nicht nur eine militärische, sondern vielmehr eine moralische Niederlage, sagt Grünen-Vorsitzender Robert Habeck. Zurücktreten sei aus der Mode, greift CDU-Politiker Friedrich Merz Bundesaußenminister Heiko Maas an und das größte Problem der Union ist derzeit ohne Frage Armin Laschet, resümiert "Welt"-Chefredakteurin Dagmar Rosenfeld.
Das waren am Donnerstagabend die Gäste von Maybrit Illner:
- Robert Habeck, Politiker (Bündnis 90/Die Grünen)
- Friedrich Merz, Politiker (CDU)
- Dagmar Rosenfeld, Journalistin
- Achim Truger, Wirtschaftswissenschaftler
Drei Terroranschläge am Donnerstag in Kabul, mindestens 60 Menschen sterben – wer hilft nach dem 31. August, will Moderatorin Illner von CDU-Politiker Friedrich Merz wissen. "Dieser Einsatz endet in einem kompletten Desaster", sagt Merz. Man müsse eigentlich in der Lage sein, die Staatsbürger und auch andere Bürger in einer solchen Situation in Sicherheit zu bringen.
Die Talkshow-Runde bei "Maybrit Illner".Bild: screenshot zdf
"Am Ende war alles falsch", resümiert Habeck
Die Lage sei von vorneherein nicht ehrlich kommuniziert gewesen, sagt auch Robert Habeck, Bundesvorsitzender der Grünen. "Die militärische Niederlage wird überboten von einer moralischen Niederlage", so Habeck. In den letzten 20 Jahren sei viel schiefgelaufen. An einer langen Serie an Fehlern reihe sich der Schlussabzug der Truppen. "Am Ende war alles falsch", kritisiert Habeck.
"Die Soldatinnen und Soldaten müssen sich im Stich gelassen fühlen."
Robert Habeck
Dagmar Rosenfeld, Chefredakteurin der "Welt", wirft ein, dass am Ende des Afghanistan-Debakels die Regierungserklärung von Kanzlerin Angela Merkel, die vom britischen "Guardian" als "Retterin des Westens" bezeichnet wurde, zeige, dass sie maßlos überschätzt wurde. Nun zu sagen, dass man im Nachhinein immer klüger sei, würde dem, was man ihr zugeschrieben hatte, nicht gerecht werden, so Rosenfeld.
Merz: "Vier Wochen vor einer Bundestagswahl tritt niemand mehr zurück"
Bundesaußenminister Heiko Maas sei der Verantwortung für die Lage, insbesondere auch für das Botschaftspersonal nicht gerecht worden, argumentiert Merz und wirft ein: "Vier Wochen vor einer Bundestagswahl tritt niemand mehr zurück." Ein deutlicher Stich in Richtung Maas. Und er geht noch weiter: "Persönliche Verantwortung aus politischem Fehlverhalten zu ziehen, ist etwas aus der Mode gekommen." Die einzige, die sich dessen gestellt hatte, war Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer. Das verdiene alle Ehre, so Merz.
"Der Zustand der Verantwortungslosigkeit ist grassierend. Keiner will es gewesen sein", kritisiert Habeck. Einem Land zu dienen, beinhalte auch immer das Eingeständnis, dass man zuständig war. "Dieses Wegducken aus der Verantwortung ist schwer erträglich", resümiert der Grünen-Vorsitzende. Rosenfeld spricht Habeck auf die Enthaltung der Linkspartei bei der Abstimmung im Bundestag an, die nachträglich den Evakuierungseinsatz der Bundeswehr in Afghanistan zusicherte. "Das ist nicht regierungsfähig", so Habeck. Man habe eine moralische Verpflichtung gegenüber den Menschen.
Robert Habeck kritisiert bei "Maybrit Illner" das moralische Versagen im Afghanistan-Desaster.Bild: screenshot zdf
2015 – ein Trauma der Union?
Die derzeitige Situation sei aber mit 2015 keinesfalls vergleichbar. Das einzig vergleichbare laut Habeck: Die mangelnde Vorbereitung der Bundesregierung. Wird das noch ein Wahlkampfthema? Nein, sagt Rosenfeld. "2015 darf sich nicht wiederholen", sei ein Satz, der nur von Unionspolitikern, wie Julia Klöckner, Markus Söder und Armin Laschet, ins Spiel gebracht wurde. "Es scheint mir wie ein Trauma der Partei zu sein", findet Rosenfeld. Es sei unwahrscheinlich, dass diese Situation in den nächsten Wochen und Monaten eintritt, stimmt Merz ihr zu.
"Welt"-Chefredakteurin Dagmar Rosenfeld glaubt nicht, dass ein Flüchtlingsstrom aus Afghanistan noch zum Wahlkampfthema wird.Bild: screenshot zdf
Nur 23 Prozent der Unionsanhänger wünschen sich Laschet als Kanzler, 70 Prozent Söder. Ist dieses Stimmungsbild reparabel, fragt Illner. "Ja", sagt Merz ohne Zögern. Er sei davon überzeugt, dass die Union in vier Wochen stärkste Kraft sein werde. Und was soll dann Söders ständige Hetze gegen Laschet, will Illner wissen? "Markus Söder macht Wahlkampf wie kaum ein anderer in Union", antwortet Merz im Verteidigungsmodus.
650 Milliarden Euro Staatsverschuldung – was bleibt der nächsten Regierung?
Dabei gab es so viele Eigentore wie in der Union in den letzten Wochen nur bei der EM, provoziert Iller. Das komme beim Wähler nicht an. CDU und CSU streiten derzeit darüber, was überhaupt in den Wahlprogrammen stehe – was genau nun von wegen Steuererleichterungen und Kohleausstieg?
"Das größte Problem der Union ist Armin Laschet und das zweitgrößte Problem ist der Mann, der es nicht werden durfte, und das offenbar nicht überwunden hat."
Dagmar Rosenfeld
Nächstes Thema: Der Staatshaushalt. Die Bundesregierung hat sich in der Corona-Krise um etwa 650 Milliarden Euro verschuldet. Wie vielen finanziellen Spielraum hat die nächste Bundesregierung? "Der ist gering", sagt der zugeschaltete Wirtschaftswissenschaftler Armin Truger. Bayerns Ministerpräsidet Markus Söder hatte ganz grün gesagt, Klimaschutz müsse mit der Schuldenbremse vereinbar sein. Habeck lobt.
"Sie sind eingeladen, damit Sie sich streiten"
Die niedrigen Zinsen sind Ausdruck dessen, dass wir eine Wachstumsschwäche in Europa haben, so Habeck. Die niedrigen Zinsen seien wegen der EZB, was er zunehmend problematisch sehe, kontert Merz. "Das Thema Wachstum und Zinsen haben mit ihren Argumenten doch nichts zu tun", keilt er in Richtung Habeck. Illner freut sich: "Sie sind eingeladen, damit Sie sich streiten", wirft sie dazwischen.
"Wir haben eine Investitionsschwäche, weil dieses Land zu langsam, zu träge geworden ist."
Friedrich Merz
Die Grünen trauen der Privatwirtschaft nichts mehr zu, da liege das Problem, findet Merz. Das lässt Habeck nicht auf sich sitzen: "Ungefähr vier von den fünf Punkten von Herrn Merz waren falsch." Man drehe sich doch im Kreis in der Diskussion um die Staatsausgaben, findet Merz. "Nö, Sie drehen sich im Kreis, weil sie keine präzisen Antworten geben", kontert Habeck trotzig: "Ich gebe die ja." Das Problem liege nicht beim Geld, sondern bei einer blockierten Republik, führt Merz weiter. Auch in Baden-Württemberg sei doch die Windkraft nicht effizient aufgebaut, obwohl die Grünen regieren. "Die Liste wird immer länger, die ich eigentlich korrigieren müsste heute Abend", ist Habecks wiederholte Reaktion.
CDU-Politiker Friedrich Merz kann sich Gespräche mit den Grünen vorstellen.Bild: screenshot zdf
Und was ist mit den Steuererhöhungen? Die Grünen schlagen das erst ab 100.000 Euro vor. Sie planen doch eine Serie von Steuererhöhungen, wirft Merz ein. "Das ist doch eine Gemeinsamkeit für die Koalitionsverhandlungen, im Zweifelsfall müssen Sie miteinander reden können", bringt Rosenfeld als Streitschlichterin auf den Punkt. Die letzte Frage an Merz: Kann er sich vorstellen mit Habeck in einem Kabinett zu sitzen? Er könne sich zumindest vorstellen darüber zu reden, lautet die Antwort.