Keine Angst vor Tieren, die demnächst richtig groß werden könnten. In der "Heute-Show" (ZDF) war Norbert Röttgen, einer der drei Kandidaten für den CDU-Vorsitz, zu Gast. Moderator Oliver Welke legte gegenüber dem möglichen Nachfolger von Angela Merkel im Kanzleramt keine falsche Zurückhaltung an den Tag.
In dem knapp zehnminütigen Interview am Ende der "Heute-Show" wurde wunderschön deutlich, was Politik in der Außendarstellung bedeutet: relativ viel erzählen, aber wenig sagen. Studiogast Norbert Röttgen, der "George Clooney der Union" (Bild-Zeitung aus dem Jahre 2010), parlierte charmant und wachsam, wich aber Konkretem aus. Nicht einmal den Namen der Generalsekretärin, die er für den Fall seiner Wahl zum CDU-Chef versprochen hat und die er angeblich bereits gefunden hat, ließ er sich entlocken. Röttgen hielt gegenüber dem Moderator dicht:
Die Spitzen Welkes perlten an Röttgen teilweise ab wie ranziges Öl von der Teflonpfanne. "Sie haben gesagt, 'Ich möchte CDU-Chef werden, aber ich muss nicht unbedingt Kanzler werden.' Sie könnten sich sogar Markus Söder als Kanzler vorstellen. Heißt das, sie wären bereit, Deutschland an einen Bayern auszuliefern?", kitzelte Welke, aber Röttgen wich souverän ins Schwammige aus: "Ich habe gesagt, ich kandidiere für das Amt des CDU-Vorsitzenden. Dieses Amt hat einen eigenen Anspruch, denn die CDU ist erneuerungsbedürftig." Deshalb sei das Amt auch nicht Mittel zum Zweck für ein anderes. Und überhaupt gehe es nicht ums Personal, sondern um Größeres. "Unser Land steht vor dramatischen Veränderungen", pathetisierte Röttgen.
Trotz aller Personalbescheidenheit hat der 55-Jährige aber durchaus das "Selbstverständnis", dass "der Vorsitzende sich das Kanzleramt zutrauen und es auch wollen muss." Beim Einwurf von Welke "Das kann ich mir bei Söder schon vorstellen!" musste selbst Röttgen grinsen. Und er ließ sich auch nicht aus dem Gleichgewicht bringen, als ihm Welke ein "Markenproblem" unterstellte:
Röttgen ließ die Attacke sich nicht breitlaufen, sondern breitete lieber seine Konzept-Schlagzeilen mantraartig aus: "Wir müssen uns auf die Zukunft vorbereiten." Da wurde Welke wach: "Die anderen bereiten sich auch nicht auf die Vergangenheit vor." Röttgen behauptete dann zwar wortreich, dass er Ziele und Ambitionen und Pläne habe – er konkretisierte sie aber nicht. Politics at its best.
Immerhin: Röttgen stellte sich den satirischen Wadlbeißern der "Heute-Show". Die anderen kniffen. Welke meinte, auch Friedrich Merz und Armin Laschet seien eingeladen worden, hätten aber aus "Termingründen" abgesagt:
Vielleicht, so Welke, ist aber der ganze Popanz um die drei Vorsitz-Kandidaten eh vergeudete Zeit. Die Kandidaten wurden als "drei gut abgehangene Jungs aus NRW" vorgestellt, von denen einer im Dezember kurz mal Kanzlerkandidat werden könnte, "bevor dann im März Markus Söder übernimmt".
Im Oktober hat etwas anderes "übernommen": "Corona ist mit voller Wucht zurück." Aber als am vergangenen Mittwoch nach achtstündigem Supergipfel der Kanzlerin und der 16 Länderchefs "weißer Rauch über Berlin" signalisierte "Habemus Corona-Konzept", blieb der angekündigte "Durchbruch" aus. Der als historisch angekündigte Gipfel wurde zum Rohrkrepierer. "Gerockt hat das nicht wirklich", monierte Welke. Dass viele, vor allem Angela Merkel, mit den Verhandlungsergebnissen nicht zufrieden waren, kommentierte der "Heute-Show"-Moderator bissig:
Vor allem das Beherbergungsverbot sei in seiner Unnötigkeit (Welke: "Virologen sagen, innerdeutsche Mobilität spielt beim Übertragen des Virus keine Rolle"), absoluten Unverständlichkeit und regionalen Unterschiedlichkeit "eine Farce". Ebenso bespöttelte Welke die Überlegungen, private Sicherheitsdienste zur Unterstützung von bei der Bußgeldeintreibung überlasteten Ordnungsämtern einzusetzen:
Die Sperrstunde als Allheilmittel zweifelte Welke an: In England hätte diese "die Sauferei einfach auf die Straße getrieben", überdies hätten "Bierologen" herausgefunden, dass man "auch einfach früher trinken" könnte. Das könne man auch nicht der Jugend in die Schuhe schieben, wie viel Politiker andeuteten. "Es geht nicht um jung oder alt. Es geht um vernünftig oder doof! Wer noch bis drei zählen kann, weiß, dass er die Kontakte einschränken muss." Das könnten aber leider nicht alle, egal wie alt oder wie gebildet. Viele fielen auf Verschwörungstheoretiker herein - oder würden selbst zu welchen. Wie etwa der ehemalige Kurzzeit-DSDS-Juror Michael Wendler: "Wendler – wenn der Verstand Insolvenz beantragt."
Reporter Fabian Köster besuchte deshalb Verschwörungsevents in Konstanz ("Was ist eigentlich das Scheißproblem der Schwaben?", "Warum halten Sie so viel Abstand zum gesunden Menschenverstand?") und fragte Professor Dr. Michael Butter, einen Experten vor Verschwörungstheorien, was zu einer richtig guten Verschwörungstheorie gehöre. Eine, oder am besten zwei "dunkle Truppen", denen man was in die Schuhe schieben könne. Und verrückt müsse es sein. Köster: "Also zum Beispiel: Das ZDF versucht mithilfe der Illuminaten Schalke 04 zum Meister zu machen." Da kam der Experte ins Stottern. ZDF und Illuminaten konnte er akzeptieren, aber "Schalke als Meister" sei schon sehr abstrus. Andererseits:
Für viele (Ältere) auch abstrus, aber wahr: Instagram wurde zehn Jahre alt, und täglich "beschäftigen sich über eine Milliarde Menschen mit dieser Selbstdarstellung". "Instagram macht süchtig, soll ja auch süchtig machen", sagte Welke und weiter: "Wer drei Sekunden kein Netz hat, leidet sofort unter post-traumatischen Störungen." Studien, so Welke zeigten einen Zusammenhang zwischen Social Media und Depressionen.
Weil viele bei ihrer Suche nach dem ultimativen Selfie oder im Wahn, jeden Picture-Trend mitzumachen, die Natur zerstörten oder schädigten, seien nicht Klimawandel oder Luftverschmutzung die größte "biblische Plage", sondern Influencer. Angesichts dessen und der Tatsache, dass zwischen 2011 und 2017 250 Leute beim Selfie-Schießen zu Tode kamen, appellierte Welke: "Liebe Influencer, hört auf mit dem Scheiß. Werdet DRINfluencer! Drin bleiben rettet Leben!"