Sie hält an diesem Abend der gesamten Bundesregierung den Spiegel vor: Tabea Engelke wählt dieses Jahr zum ersten Mal in ihrem Leben – und spart sie nicht mit der Kritik an der jetzigen Regierung. Vor allem die CDU bekommt ihr Fett weg. Da muss sogar der erfahrende Politiker Thomas de Maizière in die Verteidigungshaltung.
"Markus Lanz" startet am Donnerstagabend mit Corona-Updates – oder vielmehr der Lage in Großbritannien. Dort steigen die Infektionszahlen weiter. Trotzdem bleiben die Stadien während der Europameisterschaft voll. Ebenso plant Premierminister Boris Johnson das Ende aller Corona-Maßnahmen in seinem Land für den Freedom-Day am 19. Juli. Der Virologe Alexander Kekulé hält all das für ein "großes Experiment".
Ein solches Handeln ist gleichbedeutend mit einer Durchseuchung erklärt der Mediziner. Jedoch nur in Bezug auf die Gruppen, die noch nicht geimpft sind – vornehmlich also junge Menschen. "Das wird auf der jungen Generationen sitzenbleiben", sagt Kekulé. Denn diese hat noch immer kein Impfangebot bekommen.
In Deutschland hatte zuletzt Bundesaußenminister Heiko Maas öffentlich darüber gesprochen, die Corona-Maßnahmen zurückzufahren, sobald allen Menschen in Deutschland ein Impfangebot gemacht werden konnte. Was er jedoch nicht bedacht hat, war, dass die jungen Menschen da nicht mitgemeint sind.
Für Kekulé ist Deutschland noch die "Insel der Glückseligen", weil hierzulande die Inzidenz sehr niedrig ist. Dennoch warnt er davor, hier ebenso vorzugehen, wie es in Großbritannien geplant ist. Er ist der Meinung, dass die Inzidenz kontrollierbar bleiben sollte. Der Experte hält die derzeit grassierende Delta-Variante des Virus nicht für ein "Killer-Virus". Es sei zwar deutlich ansteckender und könnte auch Menschen befallen, die genesen oder geimpft sind, jedoch sei es nicht ein solch "aggressives Virus, wie viele sagen". Weil das so ist, glaubt Kekulé auch nicht an eine Herdenimmunität.
"Herr de Maizière, wie sehr haben wir uns versündigt an der jungen Generation?", fragt Moderator Markus Lanz provokant beim ehemaligen Verteidigungsminister nach. Er führt weiter an, dass die Älteren schon längst wieder jubelnd in Stadien säßen, während manche Schule noch geschlossen ist. Zunächst weicht der 67-Jährige der Frage aus und zählt erst einmal auf, wie gut vieles in Deutschland gelaufen sei in Bezug auf die vergangenen Monate.
"Ich finde es richtig, dass auch junge Menschen ein Impfangebot bekommen", führt er schließlich aus. Niemand wollte den Jungen schaden, versucht sich der ehemalige Innenminister herauszureden und fügt hinzu, dass es die ganze Zeit nur darum gegangen sei, die vulnerablen Gruppen zu schützen. Für ihn waren die Grundrechtseinschränkungen richtig und verhältnismäßig, betont de Maizière. "Das ist keinem leicht gefallen", sagt er noch dazu. Politik ist für ihn immer eine "Risikoabwägung", erklärt der CDU-Politiker, der in diesem Jahr seine Karriere beendet.
Danach dreht sich die Debatte bei den Gästen um das Thema der gesellschaftlichen Spaltung – wer bekommt welche Freiheiten wieder zurück? Doch auch dabei wird wenig an die junge Generation gedacht. Tabea Engelke ist Aktivistin für Generationengerechtigkeit und prangert an, dass von der Regierung in den vergangenen Monate nie ein Zeichen an ihre Generation gesendet wurde: "Wir jungen Menschen hätten uns ein 'haltet durch' gewünscht, um zu merken, wir sind noch da." Die engagierte junge Frau kritisiert, dass von Seiten der Politik wenig Hilfe für junge Generationen geleistet wurde. So sei die Überbrückungshilfe für Studierende sehr schwierig und aufwändig in der Beantragung gewesen, während Gelder an Unternehmen, wie beispielsweise die Lufthansa gezahlt wurden, ohne diese wenigstens an ökologischen Bedingungen zu knüpfen. "Für mich ist das unverständlich", sagt die Aktivistin.
Engelke, die in diesem Jahr das erste Mal wählen darf, kritisiert, dass sie den neuen Bundestag zwar mit ihrer Stimme legitimieren werde, sie jedoch keinen Einfluss hätte. "Wir haben keine Lobby. Die Jugend hat keine Chance, Politik zu machen. Wir haben kein Geld, ein Einfluss, keine Kontakte." Auch mit Verkehrsminister Andreas Scheuer geht sie hart ins Gericht. Dieser habe sich in der Vergangenheit mit 80 Auto-Lobbyisten getroffen, aber nur mit einem einzigen Umweltverband. "Das sagt alles aus über unsere umweltpolitische Wende in der Verkehrspolitik."
"Ich muss widersprechen", wirft de Maizière direkt ein. Einerseits hätten die Studierenden Geld erhalten, auch wenn es länger gedauert habe, andererseits sei es als Verkehrsminister logisch, dass man sich mit "Verkehrsleuten" treffe. Statt auf das einzugehen, was Engelke sagt, kritisiert der Politiker zurück und wirft ihr vor, die jungen Menschen würden sich heute nicht mehr in der Politik engagieren.
"Auch ich würde gerne widersprechen", äußert die Studentin und will diese Aussage nicht auf sich sitzen lassen.
Es gäbe genügend Menschen, die jede Woche auf die Straße gehen, um für ihre Themen einzustehen. Jedoch würden sich diese Inhalte nicht in den Parteiprogrammen widerspiegeln. Die Parteien müssen es schaffen, ihre Beitrittsanreize zu erhöhen mit Inhalten. Ich kann ein Programm nicht in Gänze akzeptieren, wenn die Themen, für die ich brenne, nicht drin stehen." Etwas weltfremd äußert de Maizière, es genügten zehn engagierte junge Menschen in einem CDU-Ortsverband, um in vier, fünf Jahren etwas zu bewegen. "Ich finde das super schwierig. Das sind vier Jahre Kampf gegen verfestigte, alte Machtstrukturen", erwidert die 21-Jährige. Außerdem gäbe es auch keine Zeit mehr, da die Klimakrise vor der Haustüre stünde. Da könnte man jetzt keine vier Jahre warten.
Von außen zu mahnen, bringe nicht viel, sagt de Maizière und bleibt bei seiner These. Das sieht die junge Aktivistin anders und sagt, dass soziale Bewegungen einerseits ein wichtiger Teil der Demokratie seien und andererseits sehr viel bewegen würden - wie sich auch bei Fridays for Future gezeigt hätte. Dann wirft Engelke der CDU noch vor, das Klimathema sei nicht das wichtigste in ihrem Programm.
Sie ist der Meinung, wenn mehr junge Leute wählen könnten, würde sich auch das Programm ändern – da man das Programm immer auf seine größten Wählergruppen zuschneiden würde. Deshalb fordert sie ein Wahlrecht ab 16 Jahren. Davon hält der CDU-Politiker wenig und meint, dass er nur dazu bereit wäre, darüber zu diskutieren, wenn die Volljährigkeit auch herabgesetzt würden, um auch voll strafmündig zu sein. So richtig kann Engelke den Zusammenhang nicht verstehen und sagt deshalb, man sollte die beiden Dinge getrennt voneinander diskutieren.
Jedes Jahr würden der CDU einige Wähler wegsterben, sagt Engelke und kriegt dabei Unterstützung von Lanz. Somit müssten die Parteien handeln, wenn sie ihre Macht erhalten wollten. Am Ende dreht sich die Diskussion noch um das Thema Klima. Die Aktivistin für Generationengerechtigkeit sagt, sie sei "sehr enttäuscht" gewesen, als sie gelesen habe, was die CDU dazu in ihrem Programm zu stehen hat. "Ich dachte, jetzt kommt da was. Aber das sind nur Ziele, keine konkreten Maßnahmen. Zahlen, Fakten, etwas, worauf man sie festnageln kann. Ich würde ganz klar sagen, das ist ungenügend."
Das einzige, was sich dazu im Programm finde, seien wieder wirtschaftliche Aspekte, wie ein nachhaltiges Wachstum. "Wir sind eine Volkspartei der Mitte", sagt de Maizière und versucht, das Programm seiner Partei zu verteidigen. Man würde sich darauf fokussieren, das Thema mit marktwirtschaflichen Regeln zu regulieren. In einer Demokratie ginge es schließlich darum, dass man Mehrheiten gewinne.
Das beeindruckt Engelke wenig: "Sie hatten 16 Jahre Zeit, Dinge einzuführen. Warum sollten Sie es jetzt auf einmal tun? Wieso sollte ich der CDU jetzt wieder glauben, dass der Markt am Ende alles regelt?" Sie spricht stattdessen von Generationengerechtigkeit und sagt, man solle weder heute auf den Kosten von morgen leben, noch hier auf den Kosten von woanders und meint damit Länder des globalen Südens. Wenn man jetzt in den Klimaschutz investiert, würde ihre Generation nicht auf den Kosten der Klimaschäden sitzenbleiben.
Am Ende bleibt de Maizière nur noch zu sagen, dass diese Dinge im Bundestag ausgehandelt werden müssten im Dialog. Zudem würde eine teure Zeit auf uns zukommen. Für ihn ginge es dabei weniger darum, dafür neue Schulden aufzunehmen, sondern darum, die jetzigen Ausgaben zu überprüfen. An diesem Abend bei "Lanz" wird deutlich, wie unterschiedlich die Sicht auf die Politik in verschiedenen Generationen ist.