Die Zerstörung des Kachowka-Staudammes in der Ostukraine ist für Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) "natürlich nach allem, was man annehmen kann, eine Aggression der russischen Seite, um die ukrainische Offensive aufzuhalten". Das sagt er im RTL-Talk bei Pinar Atalay.
Die humanitäre Katastrophe nach dem Dammbruch findet im RTL-Direkt-Spezial am Dienstagabend genau wie Außenpolitik kaum statt. Denn das Format "Am Tisch mit Olaf Scholz" dreht sich um die Fragen der drei Bürger:innen und der Landrätin, die die RTL-Redaktion eingeladen hat. Die beschäftigt: Inflation, Klimakrise, Migration und die sehr abstrakte Angst vor zu schneller Veränderung.
Jede:r hat ein Thema: Regine Springorum, pensionierte Lehrerin aus Niedersachsen, protestiert mit der Letzten Generation für Klimaschutz. Christoph Golly ist Facharbeiter und vierfacher Vater, dem das Geld knapp wird. Chris Rücker ist Stahlarbeiter aus Eisenhüttenstadt und sorgt sich um seinen Job.
Und Landrätin Nicole Rathgeber (Freie Wähler) aus dem Werra-Meßner-Kreis sorgt sich um den "sozialen Frieden" zwischen Geflüchteten und Bevölkerung in ihrem Landkreis. Alle miteinander glauben sie, dass die Bundesregierung auf "einer Gefühlsebene" etwas falsch macht, und so die Menschen zur AfD treibe.
Pinar Atalay moderiert eine lebhafte Runde, von der maximal die Hälfte ein Kommunikationstraining hat – erfrischend. Trotzdem lässt Scholz sich nicht aus seinem Modus des Volkswirtschaftsreferats bringen. "Wann lohnt sich Arbeit in diesem Land wieder?", fragt ihn Facharbeiter Christoph Golly. Scholz darauf: "Ich erinnere mich an Zeiten mit fast fünf Millionen Arbeitslosen in diesem Land." Jetzt gebe es Arbeitskräftemangel und viele Inflationshilfen der Regierung.
Golly gibt an, selbst insgesamt nur ein paar Hundert Euro mehr zu verdienen, als wenn er Bürgergeld bezöge. "Ich bin an einem Punkt, an dem ich mir überlege, ob mich das antue, 40 Stunden zu arbeiten", sagt er. Das Ganze bekommt einen interessanten Dreh, erinnert man sich an Scholz Vita: Als SPD-Generalsekretär unter Schröder war er einer der maßgeblichen Verteidiger von Hartz-IV und hielt diese Linie bis 2019. Auch mit dem Argument, dass sich das Einkommen Arbeitender von Sozialleistungen unterscheiden müsse.
"Bekloppt" hatte der Kanzler die Protestform der Letzten Generation kürzlich genannt. Regine Springorum, Klimaaktivistin und pensionierte Lehrerin, findet das "populistisch und billig." Sie will wissen: "Wann tut die Bundesregierung endlich etwas für Klimagerechtigkeit?" Scholz bekräftigt seinen Ärger über die Proteste und geht dann auf das ein "was notwendig ist" und getan werde: Windkraftanlagen, Stromnetze, Industrietransformation.
Springorum entgegnet, die Letzte Generation leiste "zivilen Ungehorsam", bricht also kalkuliert und gewaltfrei Recht, um auf ein übergeordnetes Ziel aufmerksam zu machen und nehme die Strafe in Kauf. "Es ist der Würde der Demokratie unangemessen, dass man lauter Straftaten begeht", gibt ihr Scholz in einem seltenen, etwas erhitzten, Moment zur Antwort. Landrätin Nicole Rathgeber (FW) pflichtet dem Kanzler hier bei.
Die Landrätin geht den Kanzler in der Frage der Migration an. Ihr geht es um genug Geld für die Unterbringung, die Gefahr einer "Zwei-Klassen-Gesellschaft" unter Geflüchteten und die allgemeine Überforderung der Bürger:innen. Die Fragen der Finanzierung bügelt Scholz damit ab, dass Kommunen Ländersache sein und man sich da beim eigenen Ministerpräsidenten beschweren sollte.
Die klare Unterscheidung zwischen Geflüchteten aus der Ukraine und anderen Ländern verteidigt er hingegen, da in der Ukraine die Fluchtursachen klar ersichtlich seien. Rathgeber hingegen muss diese Politik erklären und sagt, "da geht eine Schere unter den Geflüchteten auseinander". All das gepaart mit der restlichen Polykrise verunsichere die Bevölkerung und das spiele der AfD in die Hand: "Wir müssen auf unsere Demokratie aufpassen".
Scholz zeigt sich "besorgt" über das kurzzeitige Umfragehoch der AfD ist aber "eigentlich überzeugt, dass wir eine sehr stabile Demokratie haben". Und angesprochen auf seinen energischen Widerspruch gegen Rechte auf einer Kundgebung:
Verunsichert ist auch Chris Rücker aus Eisenhüttenstadt, vor allem davon, dass immer noch unklar ist, ob er seinen Job im Stahlwerk langfristig behält oder nicht. Scholz gibt sich "ziemlich sicher, dass die Entscheidung jetzt bald fällt und die Investition stattfinden kann".
Die Bundesregierung hatte nämlich Förderung bei der Umstellung auf grünen Stahl zugesagt, die von der EU-Kommission genehmigt werden muss. "Ich glaube erst daran, wenn dann hoffentlich mal etwas passiert", entgegnet Rücker. Auch der Heizungsstreit erhitzt Rückers Gemüt: "Das mit den Gasheizungen – alles, was mal gut war, ist jetzt auf einmal alles schlecht."
Scholz erklärt ihm und Christoph Golly, dass er dafür sei, Mieter:innen mit Förderungen für Heizungen vor Mieterhöhungen zu schützen. Schlussendlich sehen allerdings alle außer Klimaaktivistin Springorum ihre Fragen beantwortet. Sie möchte noch nach den "konkreten Klimazielen" fragen.