Seit 22 Tagen ist Deutschland im Lockdown. Die Auswirkungen der Corona-Pandemie sind teils verheerend. Neben den gesundheitlichen sind auch die wirtschaftlichen Folgen desaströs. So soll das Bruttoinlandsprodukt (BIP) laut Forschern in diesem Jahr um 4,2 Prozent schrumpfen. Am Mittwochabend versuchte ZDF-Moderator Markus Lanz, mit seinen Gästen die Frage aufzuarbeiten, an welchem Punkt der Corona-Krise Deutschland aktuell steht.
SPD-Gesundheitsexperte und Epidemiologe Karl Lauterbach redete nicht lange um den heißen Brei herum. "Was den Lockdown angeht, sind wir noch mittendrin. Es gibt keinen Grund zur Entwarnung", urteilte er. Die Zahlen hinsichtlich der Eindämmung von Covid-19 seien zwar "nicht schlecht", aber eben auch noch lange nicht zufriedenstellend.
Überhaupt sei Deutschland hinsichtlich des Fortschreitens der Pandemie nach wie vor ganz am Anfang. Wenn man nun "vom Gas ginge", beispielsweise Restaurants wieder öffne oder generell mehr soziale Kontakte zulasse, hätte man "gar nichts gewonnen". Denn nach kurzer Zeit sei das Gewonnene, die sinkenden Neuinfektionen, bereits wieder verloren.
Lauterbach erklärte weiter, dass nach neuen Studien 99 Prozent der Deutschen noch nicht am Coronavirus erkrankt seien – selbst wenn man die Dunkelziffer sehr hoch ansetzte. Eine Grundimmunität liegt also noch in weiter Ferne: "Wir haben noch sehr viel vor uns."
Wie lange es dauern würde, bis zumindest ein paar Millionen Menschen immun seien, wollte Gastgeber Lanz wissen – Wochen, Monate? "Den Sommerurlaub kann man sich doch abschminken", so der ZDF-Mann.
Nachdem Bundeskanzlerin Angela Merkel die Bevölkerung in einer Ansprache schon dringlichst dazu aufgefordert hatte, über die Osterfeiertage zu Hause zu bleiben, konnte Lauterbach auch für die Sommerferien noch keine Entwarnung geben – im Gegenteil:
Gleiches gilt für Großveranstaltungen, für die er in diesem Jahr keine Chance mehr sieht: "Das halte ich für ausgeschlossen. Das Risiko, das von diesen Veranstaltungen ausgeht, ist unvertretbar."
Auch die vorherrschende Meinung, das Virus würde sich im Sommer nicht weiter ausbreiten, entlarvte der SPD-Experte als trügerisch. Aus Ecuador wüsste man, dass selbst bei sehr hohen Temperaturen "apokalyptische Zustände" herrschten. Die Gefahr, würde man die Maßnahmen zu schnell wieder lockern? "Träfe Deutschland im Herbst eine harte zweite Corona-Welle, sei es für die Wirtschaft und die Menschen eine sehr harte Situation. Und das müssen wir abwenden", so Lauterbach.
Auf Lanz' Frage nach der Maskenpflicht erklärte Lauterbach dann mit Nachdruck, dass zur Eindämmung der weiteren Corona-Ausbreitung vor allem "gute Gesichtsmasken" eine entscheidende Rollen spielen. Das Anfassen von Türklinken sei wenig dramatisch, der direkte menschliche Kontakt ohne Munschutz dagegen schon.
Gastgeber Lanz sprach ihn daraufhin auf seine eigene Theorie an, dass die Bundesregierung das Tragen von Masken nur nicht vorschreiben würde, weil gar nicht genug Masken für alle Menschen vorhanden seien. "Darüber möchte ich nicht spekulieren", erklärte Lauterbach. Vor wenigen Tagen sei allerdings eine neue vergleichende Studie zur Wirkung von Masken veröffentlicht worden. Das Ergebnis: Auch die einfachen OP-Masken würden in beide Richtungen, Träger und Mitmensch, schützen. Sein Fazit: "Der Nutzen von Masken ist zweifelsfrei nachgewiesen."
Das Tragen von Masken würde auch im Wiederankurbeln der Wirtschaft eine entscheidende Rolle spielen. Insgesamt seien dabei zwei weitere Dinge "kriegsentscheidend", erklärte Lauterbach: Eine freiwillige App, die jeden neuen Kontakt schnell nachvollziehbar macht, sowie das massenhafte Testen um die neuen Fälle herum. Und sollte die Bundesregierung diesen Empfehlungen folgen, könnten "kleinere Dinge" wieder zugelassen und die Wirtschaft in Deutschland wieder hochgefahren werden – und somit ein Stück weit auch das normale Leben zurückkehren.
(ab)