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Sahra Wagenknecht bei "Anne Will" zurechtgewiesen: "Milchmädchenrechnung"

Sahra Wagenknecht erhielt starken Gegenwind für ihre Einschätzung des Russland-Ukraine-Konflikts.
Sahra Wagenknecht erhielt starken Gegenwind für ihre Einschätzung des Russland-Ukraine-Konflikts.Bild: ARD screenshot
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Sahra Wagenknecht bei "Anne Will" zurechtgewiesen: "Das ist eine Milchmädchenrechnung"

21.02.2022, 06:42
katharina holzinger
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Der Russland-Ukraine-Konflikt hat sich verschärft: US-Präsident Joe Biden rechnet damit, dass Russland in den nächsten Tagen in die Ukraine einmarschiert. Bei Anne Will diskutierte die Runde über die Frage, welche diplomatischen Schritte die Krise entschärfen könnten und was hinter Wladimir Putins Plänen steckt. Folgende Gäste waren Teil des Talks:

  • Ursula von der Leyen (CDU, EU-Kommissionspräsidentin)
  • Lars Klingbeil (SPD, Parteivorsitzender)
  • Norbert Röttgen (CDU, Mitglied im Auswärtigen Ausschuss)
  • Sahra Wagenknecht (Die Linke, Mitglied des Deutschen Bundestages)
  • Constanze Stelzenmüller (Juristin und Publizistin, The Brookings Institution Washington D.C.)

Der Eindruck von Constanze Stelzenmüller nach Gesprächen auf der Münchner Sicherheitskonferenz, die sie besuchte: Inzwischen sind so viele einsatzbereite Soldatinnen und Soldaten an der ukrainischen Grenze stationiert und die notwendigen Vorbereitungen getroffen, dass ein schneller russischer Einmarsch möglich wäre. Das heißt aber ihrer Meinung nach trotzdem nicht, der Entschluss stehe fest, sondern lediglich, dass der Befehl gegeben werden kann. Seriös vorhersagen könne man es zum jetzigen Zeitpunkt nicht.

"Wir befinden uns im Zustand massiver russischer Aggressionen."
Constanze Stelzenmüller
Ob Russland in die Ukraine einmarschiert oder nicht, steht noch nicht fest, denkt Constanze Stelzenmüller.
Ob Russland in die Ukraine einmarschiert oder nicht, steht noch nicht fest, denkt Constanze Stelzenmüller.Bild: ARD screenshot

Klingbeil, der ebenfalls Teilnehmer der Sicherheitskonferenz war, ist aus München zugeschaltet. Anne Will fragt leicht provokant, ob Olaf Scholz' Treffen mit Putin überhaupt etwas gebracht habe, weil die Lage sich bisher nicht verändert hat. "Es steht gerade Spitz auf Knopf", sagt Klingbeil. So lange es aber die kleinste Hoffnung gebe, den Konflikt diplomatisch zu lösen, bleibe man dran – so auch Scholz. Klingbeil betont außerdem das Zusammenstehen der europäischen Länder.

Unterschiedliche Meinungen zu den Plänen Putins

Wagenknecht nimmt eine verständnisvolle Haltung gegenüber Russland ein und zeichnet das Bild der aggressiven Amerikaner, die den Konflikt schon beinahe "heraufbeschwören" würden. Sie sagt, dass man vor allem darauf schauen müsse, wie man überhaupt an den Punkt gelangt ist, dass Russland das jetzige "Säbelrasseln" als notwendige Strategie sehe.

"Russland hat faktisch kein Interesse in die Ukraine einzumarschieren."
Sahra Wagenknecht

Die Meinung führt sie weiter aus: Provokationen gegenüber Russland hätten dazu geführt, dass dem Land Sicherheitszugeständnisse fehlen, die unter anderem umfassen würden, dass die Ukraine keinen Nato-Zutritt erhält.

An Norbert Röttgen geht die Frage, warum US-Außenminister Antony Blinken öffentlich mögliche Vorwände ausgebreitet hat, die Putin heranziehen könnte, um einen Einmarsch zu rechtfertigen – sei das nicht eine schlechte Strategie in der angespannten Lage? Röttgen sieht in der Vorwegnahme der denkbaren Ausreden den Versuch der Amerikaner, diese unwahrscheinlicher zu machen – eine Taktik, die er gut findet. "Wir können nur alles versuchen, um den Krieg zu verhindern." Das Wichtigste sei es, die Kalkulation von Putin zu beeinflussen. Potenziell hohe Einbußen und dadurch mögliche Abschreckung sei der richtige Weg.

Bei dem Punkt gerät er mit Wagenknecht aneinander. Sie hält dagegen, dass Abschreckung kein funktionierender Weg sei, man solle Russland nicht mehr "abwatschen". Röttgen widerspricht vehement: Putins Ziele seien ganz andere als die Sicherheitsinteressen. Es gehe ihm darum, die Macht Russlands in Europa auszudehnen. "Dafür braucht er Macht jenseits der russischen Grenzen." Klingbeil pflichtet ihm bei: "Russland ist von niemanden bedroht." Es liege bei Putin, auf die Angebote, die es von Seiten des Westens gebe, einzugehen und zu verhandeln.

Sanktionsandrohungen des Westens

Die Talkrunde bei "Anne Will" am Sonntagabend. Klingbeil war aus München per Video zugeschaltet.
Die Talkrunde bei "Anne Will" am Sonntagabend. Klingbeil war aus München per Video zugeschaltet.Bild: ARD screenshot

Das Interview mit Ursula von der Leyen ist vorab aufgezeichnet und wird in der Sendung eingeblendet. Ihr Vorsatz: die Einigkeit und Stärke des Westens betonen und darstellen – das ist zumindest durchgehend in ihren Antworten herauszuhören. "Wir wollen keinen Krieg, aber wir werden massiv antworten, wenn Putin das tut." Der mächtigste Hebel dafür seien Wirtschafts- und Finanzsanktionen. Zu einem möglichen Nato-Beitritt der Ukraine äußert sie sich nicht eindeutig. Auf die Forderung des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj angesprochen, bereits zum jetzigen Zeitpunkt Sanktionen auszusprechen, gibt sie die klare Antwort, dass dem nicht nachgegangen wird.

Dieser Schritt sei enorm und erst umzusetzen, wenn es zu einem Einmarsch kommt. Russland soll weiterhin die Chance haben, Verhandlungen aufzunehmen. "Die Entscheidung liegt bei Putin."

Wagenknecht gerät auch mit Stelzenmüller aneinander. Diese wirft ihr vor, die Fakten nicht richtig darzustellen, und bezeichnet Wagenknechts Haltung und Statements unter anderem als "Milchmädchenrechnung". Anders als Wagenknecht sieht sie keine Provokationen des Westens gegenüber Russland. Russland störe vielmehr, dass die Ukraine die Westannäherung will und dass Putin sich von demokratischen Transformationen in Osteuropa, im Speziellen in der Ukraine, bedroht fühlt.

Es habe eine Menge Verhandlungsangebote an Putin gegeben, diese habe er dann oft bejaht und doch gleich darauf wieder abgesagt. Wagenknecht steigt nochmal ein: Putin sei ein "kühler Macht-Politiker" und kein "durchgeknallter russischer Nationalist". Klingbeil zeigt sich fassungslos bei ihren Aussagen. Er hat Zweifel, dass Putin den diplomatischen Weg wählt im weiteren Verlauf des Konflikts.

Die Rolle der Ukraine

In einer Rede machte Scholz klar, dass eine Nato-Osterweiterung derzeit kein Thema sei. Die Ausdrucksweise des Kanzlers bewertet Röttgen skeptisch, denn wenn die ukrainische Bevölkerung und Regierung das Gefühl bekomme, der Westen meine es nicht ernst mit den Unterstützungsbekundungen, wäre das destabilisierend und gefährlich. In Bezug auf den möglichen Kriegsfall sagt auch er, es sei ausgeschlossen, dass Deutschland involviert ist. US-Vizepräsidentin Kamala Harris hatte das auch für die USA verneint.

Für ein paar Minuten gibt es Flashbacks zu einer vergangenen "Markus Lanz"-Sendung, in der Klingbeil zu Gast gewesen war. Lanz hatte damals bei Klingbeil immer wieder nachgefragt, wie es mit dem Stoppen von Nord Stream 2 als mögliche Sanktion aussehe, woraufhin er immer wieder in seinen Antworten auswich. Auch Will spricht ihn darauf an. Weiterhin bleibt er aber bei dem Verzicht des konkreten Ausschlusses. Er begründet es damit, dass für Russland nicht transparent sein soll, welche Maßnahmen konkret im Fall des Einmarschs ergriffen werden würden.

In einem kurzen Abschnitt wird nochmal ein Teil des Von-der-Leyen-Interviews gezeigt. Sie hält Europa aufgrund der Gaslieferungen aus Russland für zu erpressbar. Für eine funktionierende Energiesicherheit sei für diesen Winter im Falle einer Eskalation der Lage gesorgt, aber die allgemeine Abhängigkeit vom russischen Gas soll in Zukunft abgebaut werden. Sie kündigt außerdem an, dass Russland vom internationalen Wirtschaftsmarkt abgeschnitten werden würde als Sanktion. Der Westen trete dabei geschlossen auf.

Die Einigkeit betont auch nochmal Klingbeil: Noch nie hatten Amerikaner und Deutsche so eng diplomatisch zueinandergestanden wie bei der Münchner Sicherheitskonferenz

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