Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) glaubt, Markus Söder braucht Jura-Nachhilfe.bild: screenshot zdf
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11.02.2022, 06:2511.02.2022, 07:46
Die europäischen Nachbarländer schaffen nach und nach ihre Corona-Beschränkungen ab, Deutschland beäugt kritisch seine Omikron-Inzidenzen. Doch auch hier kippen die 2G-Regeln in den ersten Bundesländern und Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) hat mal wieder alle überrascht, als er verkündete, die einrichtungsbezogene Impfpflicht erstmal nicht umzusetzen. Maybrit Illner diskutiert mit folgenden Gästen:
- Marco Buschmann (Bundesjustizminster, FDP)
- Stephan Weil (Ministerpräsident Niedersachsen, SPD)
- Klaus Holetschek (Bayerns Gesundheitsminister, CSU)
- Prof. Helga Rübsamen-Schaeff, Virologin
- Dr. Johannes Wimmer, Humanmediziner
- Lykke Friis, Politikwissenschaftlerin aus Dänemark
Holetschek erklärt Söder-Entscheidung
Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) sieht Lücken bei der Impfpflicht für die Menschen im medizinischen Bereich. bild: screenshot zdf
Der Bayerische Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) darf nun bei Maybrit Illner erklären, was Markus Söder sich bei seinem Vorstoß gegen die Pflege-Impfpflicht gedacht hat. Holetschek behauptet: "Das Gesetz hat den Praxischeck nicht bestanden." Es werfe zu viele Fragen auf. Sogar die, wer davon eigentlich genau betroffen sei.
"Wir stehen zur Pflicht, wir wollen nur, dass sie vernünftig umgesetzt wird. So kann es nicht funktionieren."
Klaus Holetschek
Allerdings macht er auch klar, dass er von der zusätzlichen Bedingung ausgeht, "dass die allgemeine Impfpflicht zeitnah kommt". Und die wackelt aktuell ja ziemlich.
Stephan Weil (SPD) ist erschüttert von Söders Vorstoß.bild: screenshot zdf
Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) wirkt wirklich erschüttert vom Alleingang Markus Söders. Am 10. Dezember hatte der Bundestag, außer mit den Stimmen von AfD und Linken, die einrichtungsbezogene Impfpflicht beschlossen. Weil prognostiziert Söder, dass er "bald einer der populärsten Politiker auf Querdenker-Demos ist". Söders Verhalten spiele den Querdenkern in die Hände. Weil hält auch die Begründung von Holetschek für falsch. "Es ist beileibe nicht so, dass das Gesetz nicht anwendbar wäre", auch wenn noch Fragen offen seien, wie er zugibt.
Es stellen sich in der Tat noch einige Fragen, wie auch die Virologin Helga Rübsamen-Schaeff findet. Sie vermisst z.B. Überlegungen, welche Impfstoffe bei einer Pflicht verwendet werden sollen: Die bisherigen oder neue, auf Omikron angepasste? Zukünftig sei zu erwarten, dass sich weitere Varianten herausbilden. "Es wäre viel besser gewesen, wir hätten diese Impfpflicht früher gehabt", sagt sie und der Arzt und TV-Moderator Johannes Wimmer pflichtet ihr bei. Doch während Rübsamen-Schaeff weiterhin an die Impfpflicht glaubt, findet Wimmer: "Der Zug ist abgefahren."
Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) kann seinen Ärger über Söder nicht verstecken.bild: screenshot zdf
Als Jurist und Bundesjustizminister betrachtet Marco Buschmann (FDP) die Situation ganz strikt geordnet und nach Verordnungen und Gesetzen. Er kann seinen Ärger angesichts Söders angekündigter Weigerung nur schwer verbergen.
"Ich bin mir sicher, dass die Juristen in der Staatskanzlei Herrn Söder mittlerweile aufgeklärt haben."
Marco Buschmann
Er glaube fest, dass Söder sich an das Gesetz halte, sagt er wie ein tadelnder Erziehungsberechtigter und droht dann aber auch: "Es gibt auch Mittel, das durchzusetzen". Bundesgesetz schlage immer Landesgesetz, man könne sich nicht einfach aussuchen, welche Gesetze man umsetzt.
Grundsätzlich war die FDP lange Zeit keine Anhängerin der Impfpflicht. Die Freien Demokraten setzen generell auf Eigenverantwortung und Freiheit. Als sie noch in der Opposition saßen, gab es aus ihren Reihen immer wieder Forderungen nach Beendigung der Corona-Maßnahmen. Zum 25. November haben dann die Bundestagsfraktionen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP die epidemische Lage von nationaler Tragweite auslaufen lassen.
Buschmann fordert Lockerungsplan
Und das, obwohl zu dieser Zeit gerade die Sorge vor der noch weitgehend unerforschten Omikron-Variante wuchs. Wenn es nach Buschmann geht, muss sich die Politik nun so bald wie möglich mit Corona-Ausstiegsplänen befassen. "Ostern ist zu spät, wir müssen im März und am besten schon bei der anstehenden Ministerpräsidentenkonferenz über den Fahrplan sprechen, was möglich ist." Manchmal habe er den Eindruck, man habe sich schon zu sehr an den gegenwärtigen Zustand gewöhnt:
"Nicht die Freiheit muss ich begründen, ich muss jeden Eingriff in Freiheit und Grundrechte begründen."
Marco Buschmann
Aktuell gebe es beherrschbare Verhältnisse auf den Intensivstationen und bald wohl auch ein abnehmendes Infektionsgeschehen. "Es ist ein Gebot der Rechtstaatlichkeit: Wenn die Gefahrensituation abnimmt, müssen auch die Eingriffe in die Grundrechte zurückgenommen werden."
Die Maßnahmen aus dem Infektionsschutzgesetz gelten bis zum 19. März und können durch den Bundestag einmalig um drei Monate verlängert werden. "Wenn nichts getan wird wird, laufen die Maßnahmen aus", stellt Buschmann klar und es ist ziemlich deutlich, dass ihm dieser Fall wenig stören würde.
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hatte jüngst 500 Tote pro Tag befürchtet, beim Wegfall der Maßnahmen. Ob Lauterbach übertreibe, will Illner wissen. "Den Eindruck haben manche. Ich will hier aber keine Haltungsnoten abgeben." Buschmann glaubt, absolute Sicherheit könne es nie geben. "Das ist ein Aushandlungsprozess, den eine demokratische Gesellschaft führen muss." Man werde nicht umhin kommen, irgendwann zu sagen: "Es ist ein Stück Lebensrisiko", glaubt Buschmann.
Maybrit Illner sucht nach dem Erfolgsgeheimnis von Dänemarkt im Gespräch mit der Politikwissenschaftlerin Lykke Friis (re.).bild: screenshot zdf
Genau das hat Dänemark am 1. Februar getan. Seitdem gibt es keine Corona-Einschränkungen mehr, trotz einer Inzidenz von 5000. Die Politikwissenschaftlerin Lykke Friis meint ironisch "Man denkt ja: Die Dänen haben nicht alle Tassen im Schrank", aber bei ihnen gebe es eine Entkopplung der schweren Erkrankungen von den Fallzahlen, auch wegen der hohen Impfquote. Die Bekämpfung von Corona sei insgesamt besser gelungen, weil bei ihnen die Digitalisierung weiter vorangeschritten sei und sie nicht 16 widerstreitende Bundesländer hätten, sondern "nur ein Team Dänemark". Vielleicht denkt Markus Söder mal darüber nach.
Russland und das abgeschottete Nordkorea nähern sich politisch immer weiter an. Im Juni dieses Jahres besuchte der russische Machthaber Wladimir Putin Nordkorea. Es waren 24 Jahre seit seinem ersten Besuch vergangen.