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Ukrainischer Botschafter bei "Anne Will": "Deutschland lässt uns im Stich"

Dem ukrainische BotschafterAndrij Melnyk
Dem ukrainischen Botschafter Andrij Melnyk fehlt die deutsche Unterstützung.Bild: screenshot ard
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Ukrainischer Botschafter stellt sich gegen Kühnert bei "Anne Will": "Deutschland lässt uns im Stich"

07.02.2022, 06:2407.02.2022, 06:27
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Auf welcher Seite stehen die Deutschen? Während die drei deutschen Politiker von SPD, Grünen und Linken in der Runde bei "Anne Will" geeint hinter der Absage von Waffenlieferungen an die Ukraine stehen, deuten der ukrainische Botschafter und eine US-amerikanische Historikerin das als Signal, dass man sich auf Deutschland nicht verlassen könne. Deutschland bleibe dabei: Politisch und ökonomisch müsse man handeln, nicht militärisch.

Diese Gäste hat Anne Will am Sonntagabend zu sich eingeladen:

  • Kevin Kühnert, SPD-Generalsekretär
  • Jürgen Trittin (Bündnis 90 / Die Grünen), Außenpolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion)
  • Dietmar Bartsch (Die Linke), Fraktionsvorsitzender im Bundestag
  • Anne Applebaum, Amerikanisch-polnische Historikerin und Journalistin
  • Andrij Melnyk, Botschafter der Ukraine in Deutschland
  • Ina Ruck, Auslands-Korrespondentin der ARD in Moskau

Deutschland ist der viertgrößte Rüstungsexporteur der Welt – doch an die Ukraine will es keine Waffen liefern. Die US-Historikern Anne Applebaum weiß deswegen nicht, wie Deutschland sich verhalten würde, sollte Russland in die Ukraine einmarschieren. "Olaf Scholz muss ganz klar sagen, dass er keinen Krieg will", sagt sie. Wladimir Putin würde nur zurückschrecken, wenn der Westen geschlossen klar mache, dass diese Invasion einen sehr hohen Preis hätte. Dass Deutschland keine Waffen liefere, sende dem restlichen Westen den Eindruck, dass man sich auf die Deutschen nicht verlassen könne.

"Wenn Putin in die Ukraine einmarschieren will, dann wird er das tun. Einfach, weil er denkt, dass die Ukraine ein Land ist, das es nicht verdient zu existieren."
US-Historikerin Anne Applebaum

SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert verteidigt den Kurs des Bundeskanzlers. "Es liegt auch im Interesse einiger, dass der Eindruck erweckt wird, dass auf Deutschland kein Verlass ist", kritisiert er besonders die Medien. "Es ist ganz klar, dass Deutschland eng an der Seite der Ukraine steht." Das hätte besonders die finanzielle Unterstützung der letzten Jahre gezeigt – Deutschland sei der größte Geldgeber gewesen, unterstützt ihn von der Seite auch Jürgen Trittin.

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SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert verteidigt den Auftritt des Bundeskanzlers.Bild: screenshot ard

Ukrainischer Botschafter fühlt sich von Deutschland im Stich gelassen

65 Prozent der Deutschen halten Scholz in Krisen für nicht entschlossen genug, sieben Wochen nach Amtsantritt halte Kühnert das "für eine mutige Einschätzung." Allein der Reiseplan des Kanzlers in die USA, in die Ukraine und nach Russland würde doch zeigen, wie weit oben der Konflikt auf der Scholz-Agenda steht.

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Der ukrainische Botschafter Andrik Melynk hofft auf ein Umlenken der deutschen Politik. Bild: screenshot ard

Andrik Melynk, der ukrainische Botschafter in Deutschland, sieht das ganz anders: "Die deutsche Bundesregierung muss aus dem Dornröschenschlaf erwachen und den Ernst der Lage erkennen." Die Ukraine brauche jetzt Waffen - die Lage habe sich schließlich dramatisch geändert. "Deutschland lässt uns im Stich", spricht er Kühnert direkt an.

"Putin möchte die Ukraine aus der Karte löschen."
Andrij Melnyk, ukrainischer Botschafter

Auch Jürgen Trittin, der außenpolitische Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion, unterstützt die Waffen-Absage der Regierung. Nicht Worte oder Waffenlieferungen seien entscheidend, sondern politische Taten: "Auf der Tagesordnung steht, dass Russland seine gesamten Beziehungen gefährdet, sollte es der Ukraine weiter die Souveränität absprechen" – das sei die Abschreckung.

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Der Grünen-Politiker Jürgen Trittin findet, dass es keine militärische Antwort auf diesen Konflikt gibt.Bild: screenshot ard

"Alles soll auf den Tisch gelegt werden, auch das Ende von Nord Stream 2", wirft Journalistin Applebaum ein, auch hier sei Deutschland viel zu zurückhaltend. Dietmar Bartsch, Fraktionsvorsitzender der Linken, dämpft die Diskussion. "Wir reden hier so, als würde die Invasion morgen passieren", sagt er. Man müsse im Gesprächsformat deeskalieren, deswegen erteilt auch er Waffenlieferungen eine Absage.

"Wer mit der Atommacht Russland spielt, macht einen großen Fehler."
Linken-Fraktionsvorsitzende Dietmar Bartsch

"Die Geiselhaft ist vor allem eine ökonomische", wiederholt Kühnert, deswegen ist seine Priorisierung: Verhandlungen führen und eine langfristige Perspektive schaffen. Statt Waffen zu liefern, hat Deutschland 5.000 Helme entsendet. Kiews Bürgermeister Vitali Klitischko findet das "lächerlich". Es wären nicht mehr als 5.000 Helme angefragt worden, verteidigt Kühnert.

In Kiew fragt man: Auf welcher Seite stehen die Deutschen?

Botschafter Melnyk widerspricht ihm direkt: Man habe Hunderttausende gefordert, zumindest gegenüber der deutschen Presse. Am Freitag hat die Ukraine nun eine konkrete Liste von benötigten Waffen an das Verteidigungsministerium geschickt. Deutschland wisse schon seit Jahren, dass die Ukraine auch Kriegsschiffe und Luftabwehrsysteme benötige. "Diese Ausreden sind nicht seriös", geht er Kühnert an.

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Deutschland agiert unzuverlässig und widersprüchlich, analysiert US-Historikerin Anne Applebaum.Bild: screenshot ard

Eine weitere Ausrede, so Applebaum, sei, dass Außenministerin Annalena Baerbock versucht habe, die Waffenabsage mit der Historie Deutschlands zu erklären. ARD-Korrespondentin Ina Ruck ist aus Kiew zugeschaltet und stimmt zu: Die Erklärung seien vielen Ukrainern böse aufgestoßen, schließlich habe das Land im zweiten Weltkrieg die Hälfte seiner Bevölkerung verloren. Bei ihrem morgigen Besuch in Kiew müsse Baerbock das kommentieren.

Putin geht es um Rückkehr der Nato-Osterweiterung

Ruck werde in Kiew immer wieder gefragt, auf welcher Seite die Deutschen stehen. Waffenlieferungen seien ein "Beweis und Symbol, dass Deutschland bereit ist zu helfen." In der ukrainischen Bevölkerung werden deswegen die Vorwürfe immer lauter, dass Deutschland nur seine ökonomischen Interessen im Blick habe und deswegen nicht Waffen liefere oder Nord Stream 2 kapere. Stattdessen sei Deutschland bereit, mit Russland und China Geschäfte zu machen und autoritäre Systeme mit Waffen zu unterstützen, kritisiert Applebaum.

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Die Journalistin Inga Ruck ist aus Kiew ins Studio geschaltet.Bild: screenshot ard

Putin habe bereits jetzt die Aufmerksamkeit erreicht, die er wollte, sagt Ruck. Vor allem gehe es ihm aber um die Rückkehr der Nato-Osterweiterung zur Zeit vor 1997, als Polen und die baltischen Staaten dem Verteidigungsbündnis beigetreten sind. Er könnte eine "Art Rückkehr der Sowjet Union" wollen, zusammen mit Belarus und der Ukraine. Dabei habe er noch immer nicht verstanden, dass er die Ukraine durch seine aggressive Politik verloren habe, analysiert sie. Eine Invasion wäre zu riskant und zu teuer, deswegen glaubt Ruck, dass er nicht einmarschieren wird.

Diskussion um Nato-Beitritt der Ukraine

Dann erteilt Bartsch dem Nato-Beitritt der Ukraine eine Absage und plädiert für Neutralität. Botschafter Melnyk hofft auch in diesem Zusammenhang auf das Umdenken in der deutschen Politik. Wäre man 2014 in der Nato gewesen, wäre es nicht zur Krim-Annexion und zum Krieg in der Ostukraine gekommen, glauben die Ukrainer. "Im Moment sind wir in einem Vakuum und ein Vakuum will immer von jemandem gefüllt werden. Für Putin sind wir eine leichte Beute", sagt er.

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Dietmar Bartsch ist gegen Waffenlieferungen und einen Nato-Beitritt der Ukraine.Bild: screenshot ard
"Die Ukraine will der Nato beitreten, weil sie Angst vor Russland hat."
US-Historikerin Anne Applebaum

Die Nato-Erweiterung nach dem Kalten Kriege sei die größte Erfolgsgeschichte der westlichen Außenpolitik gewesen, analysiert Applebaum. Sie glaube jedoch, dass die Nato nicht morgen die Türen dafür öffnen werde. Trittin nickt: Darüber gebe es keinen Konsens.

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