Die Amerikaner lieben Waffen mehr als alle anderen auf der Welt. Mit großem Abstand. Auf 100 Personen kamen 2017 in den USA 120 Schusswaffen. Der Jemen, immerhin seit vier Jahren in einem vom Westen fast vergessenen Bürgerkrieg versunken, steht auf Platz 2 mit 53 Schusswaffen pro 100 Bürger.
Dabei gehen die Zahlen insgesamt sogar noch zurück. Allerdings nicht bei beiden Geschlechtern. Einer Studie von Harvard und anderen Universitäten zufolge, sank der Anteil männlicher Waffenbesitzer von 42 Prozent in 1994 auf 32 Prozent bis 2015.Bei Frauen stieg der Prozentsatz von neun auf zwölf.
Gegenüber dem britischen Guardian erklärte Deb Ferns, die einen rein weiblichen Schießstand leitet, dass dies mit einem Anstieg von Single-Frauen zusammenhängt, die sich verteidigen wollen. In einer Umfrage des Pew Research Centers gaben 27 Prozent der Frauen an, eine Waffe ausschließlich aus Gründen der Selbstverteidigung zu besitzen. Bei Männern sind es nur acht Prozent.
Die mächtige amerikanische Waffen-Lobby NRA hat ihr Potenzial bei Frauen längst erkannt.
Sie hat nur ein Problem: Auf Social Media kann sie diese Frauen nicht direkt mit Werbung ansprechen. "Anzeigen dürfen nicht den Verkauf oder die Verwendung von Waffen, Munition oder Sprengstoffen fördern. Dazu gehören auch Anzeigen für Zubehör zur Waffenmodifikation", heißt es etwa in den Richtlinien von Facebook.
Was allerdings nicht verboten ist, ist Influencer-Marketing. Das hat auch die NRA erkannt und stattet Waffen-Narrinnen mit mit allerhand Geschossen aus. In den Posts der Instagramerinnen werden Maschinengewehre mit einer Hand jongliert oder es blitzen zwischen Bauch und Leggings verstaute Pistolen auf.
Waffenhersteller suchen allerdings keine sogenannten "Gun Bunnies", also Frauen, die halbnackt mit Knarren posen, um die Triebe von stumpfen Waffen-Narren zu triggern.
Für die nötige Glaubwürdigkeit fokussieren sich die Unternehmen auf Jägerinnen, Sportschützinnen oder Kriegsveteraninnen. Sie zeigen einen Lebensstil zwischen Fitness-Studio, Shooting-Range, Angel-Ausflug und glücklicher Familienidylle.
Auf diesen Profilen werden Waffen als Lifestyle-Accessoire beworben. Und zwar nicht nur Waffen, sondern auch Camouflage-Rucksäcke, Fernrohre oder auch zu Kaffeebechern umfunktionierte Handgranaten.
Die vox.com-Redakteurin Kaitlyn Tiffany traf einige der sogenannten Gunfluencerinnen. Sie fragte nach den Verdienstmöglichkeiten. Die passionierte Jägerin und Instagrammerin Liberte Austin nimmt für einen bezahlten Post 175 Dollar. Aus Influencer-Marketing-Sicht ein echtes Schnäppchen, schließlich hat Liberte (ausgesprochen: "Liberty") Austin über 200.000 Follower.
In diesem Post bewirbt Liberte Austin den Gewehr-Hersteller "LWRCI" mit einer Verlinkung. Dass es sich um eine bezahlte Partnerschaft handelt, kennzeichnet sie nicht.
Diese Art des Marketings scheint sich zu lohnen. Im März 2018 postete Tomi Lahren, Moderatorin des konservativen TV-Senders "Fox News", eine bezahlte (Partnerschaft mit "Alexo Athletica", einem Sportartikel-Hersteller, der Leggings und kurze Hosen mit Taschen für Pistolen anbietet. Die Alexo-Gründerin Amy Robbins erklärte gegenüber vox.com, dass die Firma 6.000 Follower durch den Post gewonnen habe.
"Als Frau lehne ich es ab, ein Opfer zu sein"
In den Beiträgen wird die Narrative von selbstbewussten Frauen erzählt, die zu einer Bemächtigung dank Waffen kommen.
Im Mai 2018 twitterte die 22-jährige Studentin Kaitlin Bennett der Kent State University ein Abschluss-Foto mit einem halbautomatischen Gewehr.
Darunter steht die Caption: "Ich entschuldige mich nicht für meine Abschluss-Fotos. Als Frau lehne ich es ab, ein Opfer zu sein & und der 2. Zusatzartikel der Verfassung stellt sicher, dass ich das nicht sein muss." Dieser Tweet ging viral, Bennett ist mittlerweile auch als Gunfluencerin aktiv. Andere junge Frauen posteten ähnliche Bilder.
Waffen als Waffe des Feminismus? Das will zumindest die polarisierende NRA-Pressesprecherin Dana Loesch verkaufen.
Dana Loesch bei der CPAC-Konferenz. 2012 geriet sie in die Kritik, weil sie US-Marines verteidigte, die in Afghanistan auf Leichen urinierten. Bild: imago stock&people
Nach dem Anschlag in einem Nachtclub in Orlando 2016 erklärte sie, dass die Forderung, das semi-automatische Sturmgewehr AR-15 zu verbieten, einem "Krieg gegen Frauen" entsprechen würde. Weil die AR-15 das beliebteste Sturmgewehr bei Frauen sei, würde ein Verbot die Entwaffnung der Frauen bedeuten. Nach dem Parkland-Schulmassaker erklärte sie, dass Waffen Frauen gegen sexuelle Gewalt schützen würden.
Was Loesch allerdings verschweigt, ist diese Statistik: Laut einer Studie des "Brady Center to Prevent Gun Violence" sind 2016 in den USA 552 Frauen durch Schusswaffen in Situationen häuslicher Gewalt gestorben. In den zehn Jahren zuvor ist die Zahl relativ konstant geblieben. Das bedeutet: Alle 16 Stunden wird in den USA eine Frau in ihrem Haus von ihrem Partner erschossen.
Ist die Antwort darauf, der Frau deswegen eine Waffe in die Hand zu drücken? Oder sollte vielleicht beiden die Waffe weggenommen werden?