Der BER ist tatsächlich eröffnet worden.Bild: dpa / Michael Kappeler
Vor Ort
31.10.2020, 17:2201.11.2020, 12:58
Am Samstagmorgen liegt das Gebäude, dessen Inbetriebnahme neun Jahre auf sich warten ließ, noch im kühlen, grauen Nieselregen. Für eine feierliche Flughafen-Eröffnung nicht gerade das Wetter, das man sich wünscht. Für die Pinguine, die gegen die Eröffnung des Flughafens BER demonstrieren wollen, sind es dagegen die perfekten Bedingungen. "Die coolsten Vögel bleiben am Boden" ist das Motto der Klimaaktivistinnen und Klimaaktivisten im Pinguinkostüm von "Am Boden bleiben".
Am Boden blieben bis heute auch die Flugzeuge, die am neuen Flughafen jährlich 24 Millionen Passagiere nach Berlin bringen sollten – und zwar neun Jahre lang. Der Pannen-Flughafen BER wurde zu einem Symbol für Fehlplanung und zum Gespött des Landes. Größtes Problem war jahrelang der Brandschutz. Dann kam es zum Passagierstau. Dadurch, dass der Flughafen jahrelang nicht öffnen konnte, war er irgendwann zu klein für das vorgesehene Passagieraufkommen und musste vergrößert werden. Das wiederum führte zu neuen Problemen und Verspätungen. Legendär sind die Flughafen-Witze, mit denen Kritiker schadenfroh und immer ein bisschen fassungslos auf die angebliche Inkompetenz der Berliner beim Flughafenbau hinwiesen. "Niemand hat die Absicht einen Flughafen zu bauen" – ein echter Brüller.
6,5 Milliarden Euro für den neun Jahre zu spät eröffneten Flughafen
Demonstranten protestierten gegen die Eröffnung.Leonard Laurig/watson
Doch mit den Running Gags ist jetzt Schluss, zumindest wenn es nach Verkehrsminister Andreas Scheuer geht, der die Zeit der "BER-Jokes" für beendet erklärte. Der sagenumworbene Flughafen, der den Namen des SPD-Politikers Willy Brandt trägt, wurde schließlich tatsächlich fertiggebaut – für 6,5 Milliarden Euro. Damit ist er dreimal so teuer wie ursprünglich geplant. Das stößt nicht nur den Aktivisten und Aktivistinnen im Pinguinkostüm übel auf. Wenn es nach ihnen ginge, würde der jetzt fertiggestellte Flughafen erst gar nicht den Betrieb aufnehmen. Für sie steht "BER" für "Blockieren, Einstellen, Recyceln". Sie fordern, jeglichen Ausbau von Flughafeninfrastruktur in Deutschland zu stoppen und stattdessen in den Bahnverkehr zu investieren. Es sei "in Zeiten der Klimakrise totaler Wahnsinn, einen Flughafen zu eröffnen", erklärt Pressesprecherin Klara Strauß.
Ähnlich sehen das auch andere, die am Samstag nach Berlin Schönefeld gekommen sind, um trotz Schmuddelwetter gegen die Eröffnung zu protestieren. Neben Fridays for Future, Exctiction Rebellion und der Grünen Jugend haben verschiedene Bürgerinitiativen Demonstrationen angemeldet. Zwischen den Pinguinen mit gelben Masken, die sie "Mund-Nase-Schnabel-Schutz" nennen, haben sich auch Menschen gemischt, die unmittelbar von den Auswirkungen des neuen Flughafens betroffen sind.
Ganz vorne in der Demo-Gruppe steht Steffi. Sie trägt ein T-Shirt mit der Aufschrift "Zeuthen gegen Fluglärm" und einen orangefarbenen Schal mit der aufgedruckten Forderung "Nachtruhe 22 – 6 Uhr". Sie wohne nur sieben Kilometer Luftlinie vom neuen Hauptstadtflughafen entfernt, erklärt die 56-Jährige, das sei für einen Flughafen sehr nah. Die Eröffnung des BER bedeutet für sie das Ende eines langen Kampfes. Bereits seit zehn Jahren engagiert sie sich für die Bürgerinitiative, schon lange fühlt sie sich getäuscht. Durch neu festgelegte Flugrouten ist sie nun vermutlich deutlich stärker vom Fluglärm betroffen. Sie kritisiert, in die Planung der geänderten Flugrouten nicht einbezogen worden zu sein. Trotz allem bleibt sie optimistisch. Durch das neue Klimabewusstsein hofft sie auf wesentlich weniger Flüge. "Klar ist, dass der Flugverkehr so nicht weitergehen kann", betont sie.
Bündnisse fordern Umdenken in der Klimapolitik
Dieser Meinung schließen sich die meisten Demonstrantinnen und Demonstranten, die sich vor dem Terminal 1 versammelt haben, an. Man könne nicht immer sagen, dass sich etwas ändern muss, aber dann in der Praxis nicht damit anfangen, sagt Nils, der bei dem Demonstrationszug vom Bahnhof Schönefeld zum neuen Terminal mitgelaufen ist. "Die Corona-Maßnahmen wären eine Möglichkeit gewesen, den Flugverkehr nicht einfach wie bisher weiterlaufen zu lassen. Man hätte – wenn die Lufthansa schon derart viel Geld bekommt – die Inlandsflüge reduzieren können", kritisiert er. Diese politischen Entscheidungen müssten nun korrigiert werden. "Wenn man keinen Druck macht, wird sich nie was ändern", ergänzt er, "deswegen müssen wir jetzt damit anfangen."
Leonard Laurig/watson
Bei den Pinguinen blieben dann längst nicht alle wie angekündigt am Boden. Mindestens zwei von ihnen kletterten am Vormittag auf ein Vordach des Flughafengebäudes und seilten sich von dort ab. Andere organisierten eine kurze Sitzblockade. Insgesamt seien laut einer Sprecherin etwa 250 Personen an der Aktion beteiligt gewesen.
Auch Taxifahrer demonstrieren gegen neue Auflagen
Neben den Demos der Klimaaktivistinnen und -aktivisten gab es einen weiteren Protest. Mit einer Taxi-Sternfahrt vom Flughafen Tegel bis zum BER taten Berlins Taxifahrer ihren Unmut über das sogenannte Laderecht kund. Dieses sieht vor, dass zukünftig nur 300 Berliner Taxen Passagiere am BER aufnehmen dürfen. Zu wenige, kritisieren die Taxiunternehmen. Sie fordern ein Laderecht für alle 7.000 Berliner Fahrer. Andernfalls würde das bedeuten, dass die meisten Taxen, die Passagiere zum Flughafen befördern, als Leerfahrt zurückfahren müssen, wenn sie über keine Ladeberechtigung verfügen.
Leonard Laurig/watson
Doppellandung zum Auftakt klappt nicht
Um die Eröffnung symbolisch zu besiegeln, sollten ursprünglich zwei Flugzeuge parallel auf den neuen Landebahnen einfliegen. Soweit der Plan – doch Überraschung: Die Doppellandung klappte nicht. Grund war offenbar das schlechte Wetter. Sicherheit geht vor. Aber der BER wäre ja nicht der BER, wenn irgendwas mal nach Plan laufen würde.
Dementsprechend bescheiden gaben sich auch die Verantwortlichen bei der Eröffnungsfeier. Obwohl von "Feier" nicht die Rede sein konnte, denn zum Feiern war niemandem wirklich zumute. "Es ist zwar kein historischer Tag, aber für Berlin, Brandenburg und Ostdeutschland ein ganz wichtiger", resümierte Engelbert Lütke Daldrup von der Flughafen Berlin Brandenburg GmbH. Carsten Spohr, Vorstandsvorsitzender der Lufthansa AG wagte es dann doch, sich etwas weiter aus dem Fenster zu lehnen. Für ihn sei es in der Tat ein "historischer Tag", er nannte die Eröffnung den "Beginn einer neuen Erfolgsgeschichte". Wie erfolgreich der Flughafen Berlin Brandenburg "Willy Brandt" in Zukunft tatsächlich sein wird, bleibt abzuwarten. Doch feststeht: Noch verkorkster, als die Zeit bis zu Eröffnung, kann es kaum werden.