Schnell und unbürokratisch sollten Hilfsgelder in der Corona-Krise ausgezahlt werden. Dabei haben einige die Hand aufgehalten, denen die Gelder nicht zustehen. In allen Bundesländern ermitteln die Behörden derzeit wegen Betrugs. Eine Umfrage der Deutschen Presse-Agentur bei Landeskriminalämtern, Staatsanwaltschaften und Landesministerien zeigt: Die umfangreiche Aufarbeitung hat erst begonnen.
Täglich kommen neue Verfahren hinzu, zu dem entstandenen Schaden können Polizei und Justiz in vielen Fällen darum noch keine endgültigen Angaben machen. Die Ermittlungsverfahren dauern zudem häufig mehrere Monate. Recherchen der Deutschen Presse-Agentur zufolge belaufen sich die Schätzungen bundesweit auf knapp 22 Millionen Euro. Von der niedersächsischen Investitions- und Förderbank hieß es etwa, die Schadensumme belaufe sich auf etwa 2.9 Millionen Euro. Das Wirtschaftsministerium Sachsen-Anhalt ließ wissen, dass von dem geschätzten Schaden von 2.2 Millionen Euro bereits 38 000 Euro zurückgezahlt worden seien. Das Berliner Landeskriminalamt bezifferte den potentiellen Schaden auf etwa 10 Millionen Euro.
Die Zahl der bestätigten Betrugsfälle kann derzeit weder auf Landes- noch auf Bundesebene verlässlich benannt werden, weil die Ermittlungen vielerorts noch laufen. Das sind zunächst Verdachtsfälle und keine bestätigten Fälle. Laut den Angaben der Behörden gab es Anfang Juli bundesweit mindestens 5100 Betrugsverdachtsfälle.
Die Zahl ist nur bedingt aussagekräftig. Darin sind etwa keine Fälle aus Nordrhein-Westfalen enthalten. Das dortige Landeskriminalamt konnte bisher keine Angaben zu Verdachtsfällen machen. Ein Verdachtsfall ist nicht gleich ein Betrug oder eine sonstige strafbare Handlung. In Nordrhein-Westfalen hatten sich Ende Mai laut einem Sprecher der Zentral- und Ansprechstelle Cybercrime beispielsweise aus etwa 900 Einzelanzeigen im Zusammenhang mit Fake-Seiten bis kurz vor Ende der Auswertung rund 11 tatsächliche Betrugsfälle ergeben.
Die Zahl der Verdachtsfälle variiert zudem stark von Land zu Land: In Berlin meldete das Landeskriminalamt Anfang Juli etwa 929 Ermittlungsvorgänge, aus Thüringen waren rund 50 Fälle bekannt.
Die Behörden berichten von vielen Maschen. Die Betrüger machen etwa falsche Angaben zu ihrer Situation oder setzen die ausgezahlten Gelder nicht sachgerecht ein. Einige Unternehmen, für die Gelder beantragt werden, existieren gar nicht oder sind bereits lange insolvent, andere beantragen die Hilfen mehrfach. Manch einer beantragte Hilfen für eine fremde Firma, gab aber die eigenen Kontodaten an. Andere versuchen, mit den Daten anderer Menschen an die Hilfen zu kommen - via Internet- oder Telefonbetrug oder auch über Trickdiebstahl an der Haustür.
Häufiger wurde versucht, mit Hilfe sogenannter Fake-Seiten, die meist offizielle Online-Auftritte imitieren, an Daten zu gelangen. Die Seiten werden häufig im Ausland gehostet. Bundesweit waren den Behörden Ende Mai nach dpa-Recherchen mindestens 18 solcher Fake-Seiten in über der Hälfte aller Bundesländer bekannt. Nicht immer wurden auch Daten über sie abgegriffen - und auch wenn Daten abgegriffen wurden, ist in vielen Fällen kein Geld ausgezahlt worden. Auch mit Hilfe von gefälschten Emails - sogenannten Phishing-Mails - versuchten Betrügen, Daten abzugreifen.
Der Betrug fällt auf ganz unterschiedliche Weisen auf: Oft stellen die Bewilligungsbehörden - häufig Förderbanken auf Landesebene - Unstimmigkeiten im Antrag fest. Teilweise melden auch die Banken, bei denen die Antragsteller ihr Konto haben, dass ihr Kunde keinen Anspruch auf die Gelder hat - etwa weil er schon lange insolvent ist. Andernorts haben sich Bürger bei den Behörden gemeldet, weil sie vermuteten, Nachbarn hätten die Hilfen zu Unrecht erhalten.
Das variiert von Fall zu Fall. Mögliche strafrechtliche Vergehen sind Geldwäsche, Subventionsbetrug, Fälschung beweiserheblicher Daten und/oder Ausspähen von Daten. Je nachdem drohen Geld- und unter Umständen auch Freiheitsstrafen - in besonders schweren Fällen bis zu zehn Jahre, hieß es etwa aus Hessen.
In vielen Fällen sind die Verdächtigen bekannt, die mit dem Antrag auch ihre Identität preisgegeben haben. In anderen Fällen laufen die Ermittlungen gegen unbekannt.
Nach Bekanntwerden der ersten Fälle wurde an vielen Stellen nachgebessert: Bei der Antragstellung werden teilweise spezielle Prüfteams eingesetzt, vielerorts sind Prüfverfahren oder die Zahl der stichprobenartigen Überprüfungen ausgebaut worden. Gleichzeitig haben Polizei und Bewilligungsstellen falsche Internetseiten publik gemacht und zum Beispiel in den sozialen Medien vor den Tricks gewarnt, Fake-Seiten wurden abgeschaltet, ausgezahlte Hilfen wurden häufig sichergestellt. Außerdem kann die Finanzverwaltung im kommenden Jahr prüfen, ob die Soforthilfen korrekt angegeben und rechtmäßig beantragt wurden.
(hau/dpa)