Ab Freitag soll in Deutschland weiter mit Astrazeneca geimpft werden.Bild: iStockphoto / Artem Zakharov
watson antwortet
19.03.2021, 08:5419.03.2021, 12:17
Entwarnung für den Impfstoff von
Astrazeneca: Die Europäische Arzneimittelbehörde EMA sieht die
Vorteile des Vakzins als deutlich größer an als die Risiken.
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hatte die Impfungen mit
dem Präparat in Deutschland am Montag vorerst gestoppt. Auch andere
Länder setzten die Impfungen aus. Am Donnerstagabend gab Spahn am
Donnerstagabend wieder grünes Licht für das Vakzin.
Doch wie geht es nun weiter? Müssen die Menschen Bedenken wegen der Thrombosen haben? Und wie steht es um Deutschlands Impfkampagne? Die wichtigsten Fragen und Antworten.
Bild: watson
Wie sieht die EMA den Impfstoff?
Die Europäische Arzneimittelbehörde hat das Präparat von Astrazeneca
nie negativ bewertet - aber nach dem vorläufigen Stopp noch einmal
überprüft. Auslöser waren Fälle von Thrombosen, also Blutgerinnseln,
in Hirnvenen nach einer Impfung. Hinweise darauf, dass die Impfungen
die Vorfälle verursacht hätten, hat die EMA aber nicht gefunden.
Ausgeschlossen sei dies zwar auch nicht. Aber EMA-Chefin Emer Cooke
ist davon überzeugt, dass der Impfstoff folgende Voraussetzungen
erfüllt: Er sei sicher. Er sei wirksam gegen Covid-19. Und deshalb
überwögen die Vorteile bei Weitem die Risiken.
Was soll nun geschehen?
Der Impfstoff soll mit einer Warnung versehen werden. Demnach soll er
in möglichen seltenen Fällen Thrombosen an Hirnvenen bei Frauen unter
55 Jahren verursachen können. Unterm Strich sehen EMA und das
Paul-Ehrlich-Institut (PEI) in Deutschland aber keine unvertretbar
höheren Gesundheitsgefahren. In Deutschland soll es möglichst an
diesem Freitag schon wieder losgehen können mit den Impfungen mit dem
Astrazeneca-Vakzin, kündigte Spahn in einer mehrfach verschobenen und
dann kurzfristig anberaumten Pressekonferenz in seinem Ministerium
an. Die Bundesländer stehen in den Startlöchern.
Warum hatte Spahn die Impfungen nicht gleich weiterlaufen lassen?
Er selbst sagt, der Impfstopp sei richtig gewesen. Nutzen und Risiken
seien abgewogen worden. "Wichtig für das Vertrauen ist jedoch die
informierte Entscheidung, das informierte Impfen." Den Anfang machte
vergangene Woche Dänemark mit der Aussetzung der Impfungen. Nachdem
es in Deutschland zu einigen Thrombosefällen kam, riet zu
Wochenbeginn das PEI als die zuständige Behörde zu diesem Schritt. Zu
auffällig waren für die Experten die Fälle nach den Impfungen. Nun
sollen Ärzte und Patienten auf Aufklärungsbögen über die
Thromboserisiken informiert werden - solange die nicht gedruckt sind,
können Ärzte diese Infos auch handschriftlich ergänzen, wie Spahn
ankündigte.
Was hat es mit den Thrombosen überhaupt auf sich?
Es handelt sich um Blutgerinnsel in Hirnvenen. 13 Fälle sind im
Zusammenhang mit einer Impfung in Deutschland inzwischen gemeldet.
Drei endeten tödlich. Zwölf Frauen und ein Mann zwischen 20 und 63
Jahren erlitten eine solche Thrombose. Das ist nur ein kleiner
Bruchteil der insgesamt 1.78 Millionen Menschen, die Astrazeneca
mittlerweile laut Robert Koch-Institut (RKI) erhalten haben. Doch
diese sonst auch auftretenden Thrombosen sind statistisch gesehen
sonst noch seltener zu erwarten.
Wie weit sind die Corona-Impfungen in Deutschland?
10 Millionen Impfdosen sind mittlerweile verabreicht worden - davon
laut den aktuellen Zahlen des RKI rund 8 Millionen von
Biontech/Pfizer, 1,78 Millionen von Astrazeneca und 0,35 Millionen
von Moderna. Rund 198.000 Impfdosen wurden am Mittwoch, zwei Tage
nach dem Astrazeneca-Stopp, noch verabreicht. Zuvor waren es bis zu
294.000 am Tag gewesen. 3,7 Prozent der Bevölkerung sind vollständig
mit zwei Dosen geimpft. 6,97 Menschen haben mindestens eine Impfung
erhalten.
Was hätte ein Aus für Astrazeneca für die Impfkampagne bedeutet?
Millionen Impfungen wären erst einmal weggefallen. Denn bis April
sollen die Lieferungen von Astrazeneca auf insgesamt 5,6 Millionen
Dosen wachsen. Im zweiten Quartal sollen 16,9 Millionen Dosen des
Astrazeneca-Vakzins geliefert werden. Der Rückschlag wäre allerdings
mit der Zeit aufgeholt worden. Bereits bis April sollen die
Lieferungen von Biontech/Pfizer auf 12 und die von Moderna auf 1,8
Millionen Dosen anwachsen. Im zweiten Quartal sollten von beiden
Impfstoffen zusammen 46,6 Millionen Dosen geliefert werden.
Bis alle
Erwachsenen eine Impfung erhalten können, dauert es laut
Zentralinstitut für die Kassenärztliche Versorgung mit Astrazeneca
bis Ende August – ohne dieses Vakzin bis Ende September. Die
Regierung will das Versprechen von Kanzlerin Angela Merkel (CDU),
dass allen ein Impfangebot bis Ende des Sommers gemacht wird, auf
jeden Fall halten.
Welche Rolle spielen weitere Impfstoffe?
Auf längere Sicht dürfte kein Mangel an Impfstoff herrschen. Ab der
zweiten Aprilhälfte soll das Präparat des US-Konzerns
Johnson-&-Johnson-Stoffs geliefert werden. Der Impfstoff von Curevac
(Tübingen/Niederlande) könnte im Sommer folgen. Außerdem prüft die
EMA derzeit eine Zulassung des russischen Impfstoffs Sputnik V.
Wie geht es jetzt weiter?
Die Regierungschefs von Bund und Ländern wollen an diesem Freitag das
weitere Vorgehen beraten. Zentral ist, wann die niedergelassenen
Ärztinnen und Ärzte flächendeckend ins Impfen einsteigen. Nach einer
Empfehlung der Gesundheitsminister von Bund und Ländern soll dies
frühestens in der 16. Kalenderwoche geschehen – abhängig davon, dass
genügend Impfstoff für so einen Schritt geliefert wird.
Die Länder
wollen nämlich, dass ihre Impfzentren und -teams wöchentlich
kontinuierlich 2,25 Millionen Dosen erhalten. Wenn dann in den Praxen
geimpft wird, kann das den Nachteil haben, dass nicht mehr so streng
nach Prioritätengruppen vorgegangen wird – aber den Vorteil, dass die
Hausärzte am besten wissen, welche Patienten mit Vorerkrankungen am
Ehesten geimpft werden sollten. Die SPD-Gesundheitspolitikerin Sabine
Dittmar meint zudem, dass die Hausärzte bei der nun nötigen
Aufklärung über mögliche Risiken eine wichtige Rolle spielen können.
(hau/dpa)